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# taz.de -- Geh doch nach Süden!
> Frank Steffel, der Vorzeigeschwiegersohn aus Reinickendorf, outet sich
> als Antiberliner: Für den CDU-Spitzenkandidaten ist München die „schönste
> Stadt“ Deutschlands und heimliche Hauptstadt der Republik. Die Grünen
> sagen: „Und tschüs!“
von RICHARD ROTHER
Die Maß war noch nicht ausgetrunken, da hatte Frank Steffel den Mund schon
voll genommen. München sei „die schönste Stadt Deutschlands“ und heimliche
Hauptstadt. Bei seinen Parteifreunden von der CSU kam der
CDU-Spitzenkandidat damit am Montagabend in einem Münchner Bierzelt
erwartungsgemäß gut an. Aber wie immer, wenn man sich bei den einen
einkratzen will, tritt man bei den anderen in Bierlachen. Als „Entgleisung“
bezeichnete SPD-Landeschef Peter Strieder Steffels Bierzelt-Bekenntnis, der
Grünen-Spitzenkandidatin Sibyll Klotz „fehlten die Worte“, und die
PDS-Fraktionsvorsitzende Carola Freundl meinte, Steffel würde als
Repräsentant einer bayrischen Gemeinde sicherlich eine gute Figur abgeben.
„Es muss ja nicht gleich München sein.“
Bayern scheint Steffel gut zu gefallen. Regelmäßig reist der Preuße in den
Freistaat, um sich von den Berliner Strapazen zu erholen. Stets begleitet
von seiner First Lady Katja, die Frank Steffel am Wallberg über dem
Tegernsee ehelichte. Jawoll! Steffels Outing als Hetero muss endlich
gewürdigt werden. Schließlich hebt ihn sein Eheglück von seinem
Konkurrenten Klaus Wowereit ab. Hatte doch der
Und-das-ist-auch-gut-so-Kandidat bis heute keine Gelegenheit, eine Familie
zu gründen. Einzige Gemeinsamkeit: Über Nachwuchs konnten sich beide
Kandidaten noch nicht freuen.
Nur der Abschied von Weißwurst und Weißkraut fällt Familie Steffel immer
sehr schwer: „Es können ja nicht alle anständigen Preußen in Bayern Asyl
finden“, sagt der Vorzeigeschwiegersohn aus Reinickendorf. Alle nicht. Aber
manchem Abschiebefan gönnen zumindest die Grünen Asyl. „Und tschüs!“, sa…
Spitzenfrau Klotz trocken. „Soll er bleiben, wo die Weißwurst gart.“
SPD-Chef Peter Strieder bleibt indes bierernst. Steffels Bayern-Outing
verrate Distanz zu Berlin. „Von jemandem, der sich um das Spitzenamt der
Stadt bewirbt, erwarten wir mehr Identifikation mit Berlin.“ Steffel behage
die Idylle München wohl mehr als Berlin. Klotz ist sich allerdings nicht
ganz sicher, ob sich Steffel dort auch wirklich gut machen würde. „Laptop
und Lederhose – ich weiß ja nicht.“ PDS-Fraktionssprecher Günter Kolodziej
meint hingegen, dass dem Reinickendorfer die Seppl-Tracht steht. „Es muss
aber schon die kurze Lederhose sein – nicht die dreiviertellange.“
Neues Outfit, neues Outing – das dürfte auch Steffels politischer Liebe
Edmund Stoiber gefallen. Die beiden christsozialen Burschen haben sich
schließlich am Montag eine halbe Stunde lang zurückgezogen, um die
politische Lage in der Hauptstadt zu besprechen, wie es hieß.
Der PDS-nahe Jugendverband [’solid] hat indes in Erfahrung gebracht, worum
es wirklich ging. Der Verband will die beiden Lederfans heute Morgen vor
dem Schöneberger Rathaus symbolisch vermählen. Herzlichen Glückwunsch! Für
einen Neuanfang ist es nie zu spät, und wahres Glück findet man nur, wenn
man die Mauern im Kopf überwindet. In diesem Sinne, Frank Steffel: Geh doch
nach Süden!
1 Aug 2001
## AUTOREN
RICHARD ROTHER
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