# taz.de -- Gedenken an Afrika-Konferenz: Die blinden Flecken in der Erinnerung | |
> Auf der Berliner Afrika-Konferenz vor 125 Jahren wurde faktisch die | |
> Aufteilung des Kontinents beschlossen. Das offizielle Gedenken daran ist | |
> dürftig. Ein Bündnis will die kollektive Erinnerung auffrischen. | |
Bild: Ein historischer Stich zeigt die Unterzeichnung der Generalakte der Kongo… | |
Auch Lücken haben eine Bedeutung. Um dieses Nichtgesagte, Nichtgesehene und | |
Nichtdargestellte geht es den fünf jungen Frauen, die derzeit die Bestände | |
des Deutschen Historischen Museums unter die Lupe nehmen. Wichtiger als | |
das, was die Ausstellung über deutsche Geschichte zeigt, ist für sie das, | |
was sie verschweigt: die blinden Flecken im kollektiven Gedächtnis. | |
Dass sich die Frauen gerade dafür interessieren, hat einen bestimmten | |
Grund. Die studierten Geschichts- und Afrikawissenschaftlerinnen | |
promovieren über den Kolonialismus - und der wird nicht nur in | |
Schulbüchern, sondern auch im Museum stiefmütterlich behandelt. Deshalb | |
haben sich die Doktorandinnen etwas ausgedacht: einen kolonialkritischen | |
Museumsrundgang. "Anhand der Museumsbestände wollen wir fragen, welchen | |
Stellenwert die deutsche Kolonialgeschichte in der offiziellen | |
Erinnerungspolitik einnimmt", sagt Mitorganisatorin Susann Lewerenz. | |
Anlass des Projektes ist die Afrika-Konferenz vor 125 Jahren. Damals tagten | |
vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 die Vertreter von 13 | |
europäischen Staaten, der USA und des Osmanischen Reichs im Berliner | |
Reichskanzlerpalais, um das weitere Vorgehen auf dem afrikanischen | |
Kontinent zu besprechen. Unter der Leitung des deutschen Reichskanzlers | |
Otto von Bismarck legten die Kolonialmächte Spielregeln für den künftigen | |
Erwerb von Ländern fest und unterwarfen so beinahe den gesamten Kontinent | |
ihrer Herrschaft. | |
"Ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit" nennt Sven Mekarides deswegen die | |
Kolonialzeit. Er ist Sprecher des Bündnisses "125 Jahre Afrika-Konferenz", | |
eines zivilgesellschaftlichen Zusammenschlusses. Mit verschiedenen Aktionen | |
will das Bündnis in den nächsten Monaten eine Diskussion über die | |
Kolonialvergangenheit Deutschlands anregen. Auftakt wird eine Demonstration | |
am Sonntag sein, die am ehemaligen Reichskanzlerpalais in der Wilhelmstraße | |
beginnt. Dass die Politik einen großen Bogen um das Thema macht, bedauert | |
Mekarides. "Da fehlt die Bereitschaft zur konsequenten Auseinandersetzung." | |
Zwar hatte die frühere Entwicklungshilfeministerin Heidemarie | |
Wieczorek-Zeul im Jahr 2004 eine Rede anlässlich des 100. Jahrestags des | |
Kolonialkriegsbeginns im damaligen Deutsch-Südwestafrika gehalten. Den | |
Krieg, in dessen Folge mindestens 70.000 Namibier ihr Leben ließen, | |
bezeichnete die Ministerin dabei indirekt als Völkermord. Aber mehr ist aus | |
Angst vor Reparationsansprüchen offenbar nicht drin. | |
Die fernen Kolonien waren gerade in Berlin präsent. Das Reichskolonialamt | |
hatte hier seinen Sitz, im "Seminar für Orientalische Sprachen" paukten | |
Kolonialbeamte die Sprachen Swahili oder Nama, und in den | |
Kolonialwarenläden boten Händler Kaffee und Tabak aus den Kolonien an. | |
So manches Relikt ist auch heute noch sichtbar, weiß der Historiker Joachim | |
Zeller. "Im Virchow-Klinikum lagern Schädel aus den Kolonien, und das | |
Ethnologische Museum ist voll mit kolonialer Raubkunst." Auch die Namen | |
einiger Berliner Straßen sind ein Vermächtnis dieser Zeit. Trotzdem gebe es | |
ein "atemberaubendes Desinteresse". Zeller hält deshalb das | |
zivilgesellschaftliche Engagement für "unendlich wichtig". Wer sollte es | |
machen, wenn nicht die? | |
Das dachte sich auch Victor Dzidzonou vom Verein Afrika-Forum, als er 2004 | |
die "Gedenktafel zur Erinnerung an die Berliner Afrika-Konferenz" | |
initiierte. Seitdem erinnert eine bunte Tafel in der Wilhelmstraße an das | |
Ereignis. Die Unterstützung durch politische Akteure vermisst Dzidzonou. | |
Den Grund für die Zurückhaltung sieht er in der Fokussierung der deutschen | |
Geschichtsschreibung auf den Nationalsozialismus. "Der Holocaust ist eben | |
noch frischer." | |
Dass Kolonialopfer generell mit wenig Aufmerksamkeit bedacht werden, | |
bemerkt auch die Afrikanistin Marianne Bechhaus-Gerst. In Berlin | |
veranlasste sie den ersten Stolperstein für ein afrikanisches Opfer des | |
Nationalsozialismus, den Kolonialmigranten Mahjub bin Adam Mohamed. | |
"Menschen afrikanischer Herkunft werden nicht als Opfergruppe | |
wahrgenommen", kritisiert Bechhaus-Gerst, die wie Dzidzonou und Zeller das | |
Bündnis unterstützt. | |
Das offizielle Gedenken wird indes eher klein ausfallen. Der Beirat | |
Entwicklungszusammenarbeit des Berliner Senats wird eine Konferenz zum | |
Thema veranstalten. Diese werde vom Senat "ideell und logistisch" | |
unterstützt, teilt Senatskanzleisprecher Günter Kolodziej mit. Allerdings | |
sei die Erinnerung "eher eine bundespolitische Aufgabe". Das sieht man im | |
Auswärtigen Amt aber anders: Hier ist keine Gedenkveranstaltung geplant. | |
"Für uns hat eine Vertiefung der künftigen Zusammenarbeit mit dem | |
afrikanischen Kontinent Priorität", so die Begründung. | |
13 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Alexandra Kunze | |
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