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# taz.de -- Fußball-Unternehmer: Fußballfans gegen Kind
> Weil Hannover 96-Präsident Martin Kind fordert, Mehrheitsbeteiligungen an
> Fußballclubs zuzulassen, haben Fans nun zahlreiche Läden seines
> Hörgeräte-Imperiums beschmiert.
Bild: Zur Zielscheibe der Fußball-Puristen geworden: Hannover 96-Präsident Ma…
Bisher war Dietmar Hopp der bestgehasste Mann unter deutschen Fußballfans.
Traditionell gestimmte Fans nehmen krumm, dass er den Dorfclub TSG
Hoffenheim mit 150 Millionen Euro aus seiner Privatschatulle zum
Titelanwärter sponserte. Jetzt scheint ihm Martin Kind, Präsident des
Hannoverschen Fußball-Clubs von 1896, den Rang abgelaufen zu haben. Kind
will die sogenannte 50+1 Regel abschaffen, die es Kapitalanlegern
verbietet, einen Club im Handstreich zu übernehmen. Zur Strafe bepinselten
sie Dienstag Nacht zwei Dutzend Filialen seines Kind-Hörgeräte-Imperiums
mit Parolen wie "50+1 bleibt".
Während das offizielle Fußball Deutschland die "Anschläge" (Bild-Zeitung)
"entsetzt" (DFB) zur Kenntnis nahm, war die Stimmung in den Fan-Foren
geteilt. Einige feierten die "geile Aktion", andere fragten: "Warum
beschmiert niemand VW-Fabriken?" Schließlich sei die Profiabteilung des
VfL-Wolfsburg eine 100-prozentige VW-Tochter und das verstoße ebenfalls
gegen die 50+1-Regel."
Wie übrigens auch Bayer Leverkusen, Borussia Dortmund oder Schalke 04. Mit
einer Ausnahmegenehmigung des Ligaverbandes (DFL) gehören sie mehrheitlich
Wirtschaftsunternehmen, die die Clubs vor dem 1. Januar 1999 "mehr als 20
Jahre ununterbrochen und erheblich gefördert" haben. Gleiches gilt de Facto
für die Betreibergesellschaft der TSG Hoffenheim. Ihr Kapital wird zu 96
Prozent von Herrn Hopp gestellt, obwohl sein Stimmrecht auf 49 Prozent
beschränkt ist.
Für den ehrgeizigen Martin Kind haben diese Vereine "Vorbildfunktion", vor
allem "weil sie erfolgreich sind". Dagegen wäre eigentlich auch nichts zu
sagen. Aber einem nicht geringen Teil der Fußballfans stößt sauer auf, dass
er diese Ausnahmen flächendeckend legalisieren will. Sie fürchten Zustände
wie in England und Italien, wo das Schicksal diverser Tradititionsvereine
von den Launen russischer Milliardäre, Wüstenscheichs oder Figuren à la
Berlusconi abhängt. Einen entsprechenden Antrag auf Abschaffung der
50+1-Regel hat Kind der DFL zugeleitet. Am 10. November wird darüber
abstimmt. Mit wenig Aussicht auf Erfolg zwar, denn die Mehrheit der kleinen
und für Geldgeber wenig attraktiven Clubs ist dagegen. Aber für Gegner des
"Geld-schießt-Tore"-Fußballs gibt Kind den idealen Buhmann ab.
Das liegt nicht zuletzt am Vokabular, mit dem sich der millionenschwere
Unternehmer seit 2003, dem Jahr seines Einstiegs bei 96, profiliert. Da ist
vom Fußballspielen eigentlich nie die Rede. Davon, bekennt der Präsident
freimütig, verstehe er auch eher wenig. Kinds Themen sind das "Produkt
Fußball", beziehungsweise die "sportlichen und wirtschaftlichen Potenziale
des Clubs in der Wirtschaftsregion". Als die anderen nicht wollten wie er,
schmiss Kind nach drei Jahren sein Amt hin, kehrte aber bald zurück, weil
er nicht ertrug, dass AWD-Boss Carsten Maschmeyer, ein ähnlich disponierter
Charakter, nun den Zampano gab.
Er kaufte den windigen Anlageberater aus dem Verein, feuerte Manager und
Geschäftsführer und dreht seitdem an allen wichtigen Knöpfen. Sowohl im
Verein als auch in der Management GmbH, die den ausgegliederten
Profibetrieb regelt.
Im Grunde ist Martin Kind wie Dietmar Hopp. Er hat nur nicht ganz so viel
Geld - und 96 kickt bedeutend schlechter.
Da wäre die Abschaffung der 50+1 Regel natürlich sinnvoll. "Wir müssen
unser Eigenkapital erhöhen", sagt Kind, und rechnet vor: Letzte Saison habe
der Verein" 53 Millionen Euro Umsatz gemacht", 29 Millionen schluckten die
Personalkosten. Nach Abzug der Steuern bleibe da zu wenig, "um Erträge zu
erwirtschaften, die man sinnvoll in die Infrastruktur und neue Spieler
investieren kann". Der Club brauche "mindestens 75, besser noch 100
Millionen Euro", um das zu ändern und auch mal an der Europa League zu
schnuppern. Denn die läuft für 96 mal wieder unter Wolkenkuckucksheim. Die
Bilanz nach acht Spielen: 11 : 10 Tore, 9 Punkte und Rang11. Das ist
klassisches Mittelmaß.
15 Oct 2009
## AUTOREN
Michael Quasthoff
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