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# taz.de -- Fünf Jahre Holocauts-Mahnmal in Berlin: Spielfeld der Erinnerung
> Das Stelenfeld am Brandenburger Tor wird fünf Jahre alt - und kann sich
> vor Besuchern kaum retten. Nicht alle verhalten sich allerdings im Sinne
> der Erfinder
Bild: Fotomotiv für Touristinnen: Das Stelenfeld des Holocaust-Mahnmals
Auf einen Blick kann man die riesige Fläche der grauen Quader kaum
erfassen. Trotzdem versucht Michel Kaufman das zwei Fußballfelder große
Stelenfeld am Tiergarten möglichst ganz aufs Bild zu kriegen. Der Kanadier
ist das erste Mal in Berlin. Das Holocaust-Mahnmal ist der erste Ort, den
Kaufman an diesem sonnigen Tag in der deutschen Hauptstadt besucht. Der
57-Jährige ist beeindruckt: "Das ist eine ausgezeichnete Form: einfach,
aber sehr symbolisch und aussagekräftig." Und Kaufman ist ein
ausgezeichneter Besucher, so wie ihn sich die Mahnmal-InitiatorinInnen wohl
wünschen. Doch nicht alle der vielen Millionen Touristen, die durch das
Stelenfeld laufen, sind so.
Seit Mai 2005 besuchten laut dem Direktor der Stiftung Denkmal für die
ermordeten Juden Europas, Uwe Neumärker, 2,3 Millionen Menschen den
unterirdischen Ort der Information. Das Infozentrum gehört damit zu den
zehn meist besuchten Ausstellungen Berlins. Die Hälfte aller Besucher
stammen aus Deutschland, die andere Hälfte sind Leute "aus allen Ländern
der Erde". Über das Stelenfeld sollen bisher rund acht Millionen Menschen
gegangen sein.
Die Publizistin Lea Rosh, die jahrelang für die Schaffung eines Mahnmals
für die von den Nationalsozialisten ermordeten Juden kämpfte, findet es
"bis heute eine wunderbare Sache, dass die Stadt die Bürgerinitiative
mitverwirklicht hat". Auch Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) zog am
Dienstag eine positive Bilanz zum fünfjährigen Bestehen des Denkmals. Er
erinnerte an "die schwierige, leidenschaftliche, kontroverse Diskussion"
über das Projekt. Laut Lammert haben sich die einstigen Mahnmal-Skeptiker
inzwischen zu ganz großen Teilen ausdrücklich korrigiert. Der Bau des
Denkmals wurde vom Bundestag 1999 beschlossen. Der Architekt Peter Eisenman
bezeichnete sein Werk als Teil des Prozesses, im Rahmen dessen die
Deutschen ihre eigene Geschichte wiedergewinnen würden.
Die Gymnasiastinnen aus Bad Vilbel bei Frankfurt am Main, die das
Stelenfeld besuchen, sehen das anders. Anna-Lena sitzt auf einem Betonblock
und dreht ihre Sonnenbrille in der Hand. "Man denkt nicht wirklich darüber
nach, warum es hier gebaut wurde. Es ist einfach angenehm, weil man in der
Sonne sitzt", sagt die 16-jährige. Eine Mitschülerin erwidert: "Die älteren
Leute denken schon darüber nach, wenn sie durchlaufen. Aber in unserem
Alter springt man hier lieber rum." Von der Stele gegenüber meldet sich
eine andere Gymnasiastin: "Aber zum Bildermachen ist es hier schön."
Das hat auch eine Familie aus Italien erkannt. Die Mutter knipst, während
der Sohn von Stele zu Stele zu springt. "I like it", sagt sie über das
Denkmal. Im Ort der Information seien sie noch nicht gewesen. Das Schild
auf dem Pflaster haben sie anscheinend auch nicht gesehen. Dort steht
nämlich, dass das Lärmen, von Stele zu Stele zu springen, das Mitführen von
Haustieren und von Fahrrädern sowie das Rauchen und der Genuss
alkoholischer Getränke nicht gestattet sind. Trotzdem kann man abends des
öfteren Menschen mit Bierflaschen in der Hand auf den Stelen beobachten.
Das Verhalten einiger Besucher macht auch Lea Rosh Sorgen. Wenn sie solche
Menschen sehe, spreche sie sie immer an. Die sich sonnenden Leute schicke
sie auf die Liegewiese im Tiergarten und die hopsenden Jungen zum
unterirdischen Ort der Information. "Wir haben einfach nicht genug Geld und
Aufsichtspersonal. Das sind nur zwei Leute, die da rumgehen und solche
Fälle unten am Ort der Information melden."
Die anderen Probleme rund um das Mahnmal wurden am Dienstag nur am Rande
besprochen. Die Frage nach den Bauschäden ließ Eisenman unbeantwortet. Er
wollte sich auf die "philosophische Seite" konzentrieren. Neumärker sagte
dazu, dass an der Methode der Stelensanierung derzeit gearbeitet werde und
dass Verfahren jedoch dauern könne. "Aber das Mahnmal fällt nicht
auseinander", versicherte er. Außerdem sagte er, dass das Stelenfeld
entgegen den Befürchtungen kein Anziehungspunkt für Neonazis geworden sei.
Beschädigungen oder Schmierereien seien die Ausnahme. "Es gab um die
fünfzehn Hakenkreuze in fünf Jahren."
Am Ort der Information warten am Mittag mehrere Gruppen in einer Schlange
auf den Einlass. Im Foyer angekommen blättert eine Frau im Besucherbuch.
Als einer der letzten Einträge steht dort: "Hope! Would be never happen
again."
5 May 2010
## AUTOREN
Olga Kapustina
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