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# taz.de -- Frauenmörder Jack Unterweger: Unser Lieblingskiller
> Was für ein Fall! Ein dichtender Frauenmörder. Vom Bundespräsidenten
> begnadigt. Bei jeder Lesung muss eine Hure dran glauben. Malkovichs Spiel
> entreißt den authentischen Fall dem Vergessen.
Bild: Jack Unterweger mordet mal wieder: Malkovich in Wien.
Man hätte ihn gerne aus dem Gedächtnis gestrichen, aber jetzt ist er wieder
da: Jack Unterweger. Der große John Malkovich hat den Charmeur und
Psychopathen, der wohl 13 Frauen ermordet hat, in den vergangenen Tagen im
Wiener Ronacher-Theater gegeben. "The Infernal Comedy" heißt die
Produktion, die davor schon in Los Angeles zu sehen gewesen war.
Unterweger – das war vielleicht ein Fall! Einer, der einem den Atem raubte,
zuletzt vor 20 Jahren. Begonnen hatte es vergleichsweise banal 1974.
Unterweger, damals 24, erdrosselt eine junge Frau, wird danach zu
lebenslanger Haft verurteilt. Der Verdacht, dass er davor schon getötet
habe, wird nie geklärt.
In der Haft beginnt er zu lesen und zu schreiben - er verfasst seine
Autobiografie und fasziniert bald die intellektuelle Community. Ein
Knastautor, ein "Häfenpoet". Und nicht bloß ein kleiner Dieb oder Räuber –
ein echter Mörder! Einer, der Leben auslöschte und dann begann, mit den
Wörtern zu spielen. Das hatte die Faszination des Bösen.
Aber diese Faszination ließ sich auch sozialpädagogisch legitimieren,
erwies sich in Unterweger ja scheinbar die läuternde Kraft der Kunst. Ein
Killer, der zu dichten beginnt und ein besserer Mensch wird. Bald gilt
Unterweger als Exempel gelungener Resozialisierung. Elfriede Jelinek,
Günther Nenning, die gesamte Creme des Geisteslebens setzte sich für seine
Freilassung ein.
Am Ende wird er vom Bundespräsidenten begnadigt. Vordergründig wurde
Unterwegers Resozialisierung gepriesen. Ein Gutteil seiner Faszination
verdankte er freilich dem Energetischen des Kriminellen, das uns fade
Mittelstandsnormalos von jeher in seinen Bann schlägt
Gerade einmal ein paar Monate ist Unterweger frei, da beginnt eine
Mordserie an Prostituierten. Der serielle Charakter fällt zunächst nicht
auf, weil die Taten geografisch weit auseinanderliegen: Wien, Graz,
Tschechien, die USA. Alle sind auf auffallende Weise mit ihren BHs
erdrosselt, die der Täter raffiniert verknotete.
Irgendwann wird gemunkelt, wo immer Unterweger bei seinen Lesereisen
vorbeikommt, ist am nächsten Morgen eine Hure tot. Unterweger flüchtet in
die USA, wird dort gefasst. Er bestreitet die Taten, wird in einem
Indizienprozess schuldig gesprochen. Am Tag nach der Urteilsverkündung
erhängt er sich mit der Kordel seiner Jogginghose. Sie war genauso
verknotet wie die BHs der Toten.
In den paar Monaten seiner Freiheit präsentierte sich Unterweger als Dandy
mit weißem Anzug. Er spielte mit dem Image des Gefährlichen. Dass er, der
Schmächtige, der schien, als könnte man ihn umpusten, keineswegs ostentativ
gefährlich wirkte, machte die Sache wohl leichter. Seine bloße Anwesenheit
brachte Thrill ins Leben, schließlich begegnet man nicht alle Tage einem
Mörder.
Er wollte wirken. Er war ein Medienphänomen. Das ging so weit, dass er für
das ORF-Radio Reportagen über die Serienmorde unter Prostituierten machte.
Er zog los und interviewte Huren. Dass Täter an den Schauplatz ihrer Taten
zurückkehren, das wusste man schon. Dass sie als Chronikreporter über die
Morde berichten, die sie selbst begangen haben, das war dann doch eine
Neuigkeit.
Im Nachhinein wirkt das alles nur zu auffällig. Die, die auf ihn
hereinfielen, stehen dumm da. Wenn er auftrat als wirksüchtiger Charmeur,
lästig, ichsüchtig, aber faszinierend, wie er künstelnd das sprach, was
seine Helfer hören wollten - konnte man da nicht gleichsam spüren, dass da
etwas nicht stimmte? Klar konnte man. Andererseits, wer ist nicht auf
irgendeine Art komisch, ohne dass er gleich ein Massenmörder ist?
Man hat ihn schnell vergessen. Auch, weil er in den sozialpädagogischen
Siebziger- und Achtzigerjahren "einer von uns" war. Einer, der
Weltverbesserungsimpulse ausnützte – auf dem "man" in gewissen Sinn
hereinfiel, auch wenn manche mehr, manche weniger, manche gar nicht auf ihn
hereinfielen. Motto: Oh Gott, wie peinlich, nur nicht dran denken, man
müsste sich glatt schämen.
6 Jul 2009
## AUTOREN
Robert Misik
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