# taz.de -- Frauenhandball: Verpfiffen in Kasachstan | |
> Bei der Qualifikation für das olympische Frauenhandballturnier ist es zu | |
> Unregelmäßigkeiten gekommen. Das Team aus Südkorea soll in Almaty | |
> betrogen worden sein. | |
Bild: Die Südkoreanerin Oh Seongok versucht die polnische Abwehr zu durchbrech… | |
Sie waren gekommen, um Handball zu spielen. Was die Südkoreanerinnen aber | |
vorfanden, waren Zustände wie im Krieg. "Überall waren Soldaten", erzählt | |
Südkoreas Trainer Lim Yongchul von der bedrohlichen Kulisse im kasachischen | |
Almaty, wo Ende August das Olympiaticket des Asiatischen Handballverbandes | |
(AHF) für Peking 2008 vergeben wurde. Mit einem derartigen Szenario hatte | |
die Delegation aus Südkorea gerechnet. Auch damit, dass sie von den | |
Schiedsrichtern des AHF stark benachteiligt werden würden. Aber dass sie | |
gewaltsam gehindert würden, diese Manipulationen mit Filmaufnahmen zu | |
dokumentieren, das war dann doch des Schlechten zu viel. "Wenn unsere Leute | |
filmen wollten, dann sind Soldaten gekommen und haben es verhindert", | |
berichtet Lim am Rande der 18. Weltmeisterschaft in Frankreich, wo | |
Deutschland schon vor dem letzten Hauptrundenspiel heute gegen Rumänien | |
(18.30 Uhr, live bei Eurosport) für das Viertelfinale qualifiziert ist. | |
Doch auch obwohl keine Videodokumentation vorliegt, ist dieser Skandal zu | |
den Funktionären der Internationalen Handball-Föderation (IHF) | |
vorgedrungen. "Alle wissen, dass es in Almaty nicht mit rechten Dingen | |
zugegangen ist", sagt ein Mitglied des IHF-Councils, das höchste | |
IHF-Gremium, das im Anschluss an die WM tagt. "Auch dieser Skandal wird | |
detailliert zur Sprache kommen." | |
Dass die südkoreanischen Männer um das Olympiaticket betrogen wurden, gilt | |
nämlich inzwischen als unstrittig. Auf welche absurde Weise Südkorea das | |
entscheidende Spiel im japanischen Toyota gegen Kuwait verlor (20:28), | |
dokumentiert laut Informationen dieser Zeitung inzwischen ein Gutachten der | |
IHF-Schiedsrichterkommission. In den strittigen Szenen haben die | |
jordanischen Schiedsrichter Alshobali/Hirzallach demnach 38-mal für Kuwait | |
entschieden - für Südkorea hingegen nicht ein einziges Mal! Bizarr genug, | |
dass dieser Fall überhaupt noch auf der Council-Sitzung verhandelt wird und | |
nicht längst ein Wiederholungsturnier unter fairen Bedingungen angesetzt | |
ist. | |
Auch das Frauen-Turnier müsse wiederholt werden, fordern die Südkoreaner. | |
"Aber ohne TV-Beweise haben wir wahrscheinlich keine Chance", glaubt | |
Trainer Lim. Die Augenzeugenberichte sprechen indes Bände. Das ganze | |
Turnier sei "komisch" gewesen, berichtet Torfrau Mami Tanaka (Buxtehuder | |
SV), die mit Japan in Kasachstan um das Olympiaticket kämpfte: "Alles haben | |
die Schiedsrichter gemacht, das war kein Handball." Dabei weiß auch die | |
29-Jährige, dass der zweimalige Olympiasieger Südkorea eigentlich nicht zu | |
schlagen ist: "Normalerweise ist das die absolut beste Mannschaft in | |
Asien." Am Ende aber siegte Gastgeber Kasachstan und qualifizierte sich | |
erstmals für die Olympischen Spiele (wofür die Spielerinnen laut AFP 30.000 | |
Dollar Siegprämie erhielten) - scheiterte aber bei der aktuellen WM schon | |
in der Vorrunde kläglich. Südkorea hingegen hat als einzige asiatische | |
Mannschaft die Hauptrunde erreicht und kämpft heute gegen Ungarn um den | |
Einzug ins Viertelfinale. | |
Sollten die Augenzeugenberichte zutreffen, wurden die südkoreanischen | |
Frauen noch perfider betrogen als die Männer. Angeblich wurden sie beim | |
Auftaktspiel gegen Japan (29:30) erstmals verschaukelt. Dann siegte | |
Kasachstan, offenbar ebenfalls begünstigt durch die Schiedsrichter, mit | |
28:22 gegen Japan. Auf diese Weise genügte den Gastgeberinnen nun schon | |
eine knappe Niederlage im letzten Spiel gegen Südkorea, um im | |
Dreiervergleich wegen des Torverhältnisses die Nase vorn zu haben. Und | |
genau so ist es geschehen: Südkorea gewann zwar 32:31, verlor aber das | |
Olympiaticket. | |
In diesem letzten Spiel soll das iranische Schiedsrichterpaar Karbas | |
Chi/Koolahdouzan die Ostasiatinnen ebenfalls krass benachteiligt haben, | |
heißt es. Und sofort tauchte dieser Verdacht auf: Hat hier etwa der | |
kasachische Handballverband, der 2007 sein 50-jähriges Bestehen feiert, bei | |
den Schiedsrichtern und den AHF-Funktionären mit Petro-Dollars | |
nachgeholfen? | |
"Das Ergebnis von Kasachstan war erstaunlich", soviel immerhin sagt | |
Christer Ahl, der Chef der IHF-Schiedsrichterkommission. Auch die | |
Vorgeschichte ist schon merkwürdig genug: Wie bei den Männern, hatte die | |
IHF auch für das Frauenturnier ein europäisches Schiedsrichterpaar (die | |
Dänen Olesen/Pedersen) und eine IHF-Supervisorin (das schwedische | |
Council-Mitglied Carin Nilsson-Green) für Almaty angesetzt, um das | |
Geschehen bei diesem offiziellen IHF-Turnier zu kontrollieren - diese | |
wurden jedoch kurz vor dem Turnier zurückgepfiffen, angeblich auf Weisung | |
des ägyptischen IHF-Präsident Hassan Moustafa. Nicht das einzige Detail, | |
das die IHF aufzuklären hat. Nach Lage der Dinge sollte das Internationale | |
Olympische Komitee (IOC), das bereits den Skandal im Männerhandball penibel | |
untersucht haben will, auch einmal die skandalösen Vorfälle in Kasachstan | |
in Augenschein nehmen. | |
11 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Erik Eggers | |
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