# taz.de -- Fragenband des MfS: 181 Argumente für den Stasi-Job | |
> Am Mittwoch stellten führende Ex-Mitarbeiter des Ministeriums für | |
> Staatssicherheit ihr Buch "Fragen an die Stasi" vor. Kompetent antworten | |
> ist aber so nicht so ihr Ding. | |
Bild: Dieser Raum im Stasimuseum war auch der Drehort einiger Szenen im Oscar-p… | |
Zu Beginn wird eine Unterschriftenliste in Sachen Bundespräsidenten-Wahl | |
herumgereicht. Das Anliegen ist eindeutig: "Keine Stimme für Joachim Gauck" | |
heißt es. Über den früheren Studentenpfarrer aus Rostock und späteren | |
Bundesbeauftragten für die Hinterlassenschaften der Staatssicherheit heißt | |
es weiter: "Sein militanter Antikommunismus hat Deutschland nicht geeint, | |
sondern tiefer gespalten. Im Kampf gegen die ,Diktatur' wurde er selbst zum | |
Meinungsdiktator. Kein Wort hört man von ihm zu den Sparorgien der | |
Bundesregierung, nichts zu Armut und Arbeitslosigkeit, zum Töten in | |
Afghanistan." | |
Es ist Mittwoch, früher Abend, wir sind in der Weitlingstraße im Berliner | |
Bezirk Lichtenberg, die Räume gehören der "Gesellschaft zum Schutz von | |
Bürgerrecht und Menschenwürde". Es ist kein Zufall, dass es am Anfang des | |
Treffens um die Personalie Gauck geht. "Fragen an das MfS" steht auf dem | |
eigentlichen Programm. Es soll über das Buch mit dem gleichnamigen Titel | |
gesprochen werden, das führende Mitarbeiter des einstigen Ministeriums für | |
Staatssicherheit (MfS) in diesem Frühjahr verfasst haben. Das knapp 400 | |
Seiten starke Werk ist aus der Sicht der Verfasser eine "Entgegnung auf | |
gängige Kritik und Vorurteile", und für die steht keiner besser als der von | |
SPD und Grünen nominierte Präsidentschaftskandidat. | |
Rund 30 Personen haben sich versammelt, darunter zwei Frauen. Das | |
Durchschnittsalter dürfte über 65 Jahre liegen. Der Kreis ist klein, man | |
kennt sich. Angesprochen wird mit Vornamen. Mit dabei ist etwa Gotthold | |
Schramm, Mitarbeiter des MfS von 1952 bis 1990, letzter Dienstgrad Oberst, | |
ab 1954 in der Hauptverwaltung Aufklärung zuständig für | |
Geheimdienstbearbeitung und Spionageabwehr. Oder Wolfgang Schmidt, mit 17 | |
Jahren von der Stasi angesprochen, Karriere im Ministerium, heute Betreuer | |
der Homepage des "Insider-Komitees". | |
181 Fragen in 19 Kapiteln werden aufgeworfen. Von "Was waren Tschekisten?", | |
über "Das MfS soll Killerkommandos im Einsatz gehabt haben?" bis "Weshalb | |
hat das MfS ,Andersdenkende' verfolgt und die Opposition in der DDR | |
unterdrückt?". Das Buch polarisiert, weiß Frank Hoffmann vom Verlag Edition | |
Ost zu berichten. Einige Buchhändler weigerten sich, den Fragenband zu | |
verkaufen, andere hingegen könnten die große Nachfrage gar nicht bedienen. | |
Es war wichtig, dass Buch zum 60. Jahrestag der Gründung des MfS erscheinen | |
zu lassen, sagt der frühere Oberst Reinhard Grimmer. Verleumdungen und | |
Unwahrheiten sollten damit aus der Welt geschafft werden. Ihm ist wichtig, | |
festzuhalten, "dass die Arbeit der Aufklärung des MfS der international | |
üblichen Tätigkeit von Auslandsnachrichtendiensten entsprach". | |
Über den Inhalt des Buches muss nicht diskutiert werden, da sind sich die | |
Anwesenden einig. Problematischer scheint dagegen, dass es aus den Reihen | |
der früheren Genossen auch Kritik an "Fragen an das MfS" gibt. Müsst ihr | |
die ganze Geschichte wieder aufwühlen? Das bringt doch nichts, wäre es | |
nicht besser zu schweigen? Das sei häufig zu hören. Kein Wunder, meint etwa | |
Gotthold Schramm, der bedauert, dass nicht alle führenden Stasi-Genossen | |
ihre Arbeit nach der Wende offensiv verteidigt hätten. Bleibt die Frage, | |
wie glaubwürdig die Autoren Antworten geben. | |
Die taz [1][berichtete Mitte Januar], wie die Mitarbeiter der Abteilung – | |
durch ein Interview, das der Schriftsteller Stefan Heym mit dem Leipziger | |
Biologen Jakob Segal 1987 für die taz führte – die These lancierten, dass | |
das Aids-Virus ein Ergebnis fehlerhafter US-amerikanischer biologischer | |
Waffenforschung gewesen sei. "Eine Ente in jeder Hinsicht", heißt es dazu | |
in "Fragen an das MfS". Der "Kron- und überhaupt einzige Zeuge" für die | |
Story, schimpfen die Verfasser, habe für Bares "stets Unerhörtes | |
mitzuteilen". | |
Geld gab es für den Mitarbeiter, der nach eigenen Angaben an dieser | |
Desinformationskampagne beteiligt war, aber keineswegs. Und zum Inhalt der | |
Geschichte, die Ende der 1980er Jahre für Aufregung sorgte, erklären sich | |
die früheren Offiziere gar nicht. Der 2001 verstorbene Heym sei viel zu | |
klug gewesen, "sich für eine solch niederträchtige Übung" benutzen zu | |
lassen. Die Tatsache aber bleibt, dass das Interview am 17. Februar 1987 | |
gedruckt wurde. Manche der Antworten sind so gesehen mit einiger Vorsicht | |
zu genießen. Das spielt an diesem Abend aber keine Rolle. | |
18 Jun 2010 | |
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## AUTOREN | |
Wolfgang Gast | |
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