| # taz.de -- Film von David Lynchs Tochter: Sadistischer Schabernack | |
| > Serienkiller, sadistischer Cop, kleines Mädchen: Jennifer Lynchs "Unter | |
| > Kontrolle" ist erwartbar. Trotzdem gelingt der heikle Balanceakt zwischen | |
| > Skurrilität und Splatter. | |
| Bild: Sieht ganz harmonisch aus, die Filmszene aus "Unter Kontrolle". Ist sie a… | |
| Lauter falsche Fährten. Um "Surveillance", also Überwachung, wie der Film | |
| im Original betitelt ist, geht es in diesem | |
| Serienkiller-gegen-unfähige-Polizisten-Genreplot nur am Rande. Ein | |
| bestialischer Mord ist geschehen, auf dem Highway liegt ein halbes Dutzend | |
| schwer zugerichteter Leichen und das FBI ermittelt. Drei Beteiligte haben | |
| das Massaker überlebt, die beiden angereisten Bundesagenten vernehmen einen | |
| angeschossenen Cop, eine junge Frau und ein kleines Mädchen jeweils in | |
| getrennten Räumen in der örtlichen Polizeistation. Während jeder der Zeugen | |
| seine Sichtweise auf die Ereignisse erzählt, wird in Rückblenden deutlich, | |
| wie weit Aussage und Wahrheit jeweils auseinanderdriften: Der Cop ist ein | |
| korruptes Schwein mit einem Faible für sadistischen Schabernack, die junge | |
| Frau ist ein Junkie. Das Mädchen hat mehr gesehen, als es sagt. | |
| Regisseurin Jennifer Chambers Lynch war erst 24 Jahre alt, als sie 1993 ihr | |
| Spielfilmdebüt "Boxing Helena" inszenieren durfte. Dass sie die Tochter | |
| eines berühmten Filmemachers ist (ja, genau der) und mit "The Secret Diary | |
| of Laura Palmer" bereits als Teenager einen Bestseller verfasst hatte, ließ | |
| die Erwartungen derart in die Höhe schießen, dass der Fall danach umso | |
| schmerzhafter gewesen sein muss. Weder Kritiker noch Publikum mochten | |
| damals das bizarre Psychodrama um einen Chirurgen, der aus Besessenheit | |
| einer Frau Arme und Beine amputiert und in seiner Wohnung wie eine Art | |
| extravaganten Einrichtungsgegenstand aufstellt. Danach hat Lynch sich erst | |
| mal aufs Produzieren von TV-Serien verlegt. Fünfzehn Jahre hat es gedauert, | |
| bis sie nun ihre zweite Regiearbeit vorgelegt hat. | |
| Die beginnt im Vorspann wie eine echte Verbeugung vor ihrem Vater: | |
| Flickrige Videoaufnahmen, nächtliches Setting, übersteuerte Schreie auf der | |
| Tonspur, Doppelmord im Schlafzimmer. "Lost Highway" und "Inland Empire" | |
| lassen grüßen, Bill Pullman ist auch wieder mit von der Partie. Sobald der | |
| Film dann losgeht, wird allerdings klar, dass Lynch sich nicht als | |
| Nachahmungstäterin beweisen will. Dann verlagert sich alles Geschehen in | |
| die gleißende Helle der Wüste, in ein gottverlassenes Niemandsland, in dem | |
| man sich selbst auf schnurgeraden Highways im Handumdrehen verirren kann. | |
| "Unter Kontrolle" erweist sich als ein handwerklich ordentlich verfertigtes | |
| B-Picture mit den üblichen dramaturgischen Verwirrungstaktiken. Die | |
| Drehungen und Wendungen des Drehbuchs sind zwar nicht immer so | |
| überraschend, wie der Film das gerne hätte, dafür gelingt immer wieder der | |
| heikle Balanceakt zwischen Skurrilität und Splatter. | |
| Etwa in der Rückblende, in der die beiden grenzdebilen Highway-Cops aus | |
| schierer Langeweile und Boshaftigkeit durchfahrende Reisende terrorisieren, | |
| indem sie ihnen erst die Reifen durchlöchern und anschließend die bekannte | |
| "Guter Polizist, böser Polizist"-Nummer auf eine absurde Spitze treiben. | |
| Bill Pullman und Julia Ormond als FBI-Ermittler vereinen in ihren | |
| gutsitzenden schwarzen Anzügen zur Schau getragene Professionalität mit | |
| einem verstörenden Hang, die Dinge auch dann noch locker laufen zu lassen, | |
| wenn vollends offensichtlich geworden ist, dass hier gar nichts mehr "unter | |
| Kontrolle" ist. Pullmans akkurat gestoppelter Kurzhaarschnitt sichert ihm | |
| zudem auf der Liste grauenerregender Frisuren den zweiten Platz hinter | |
| Javier Bardem in "No Country For Old Men". Dass kleine Mädchen mit blonden | |
| Zöpfen im amerikanischen Kino immer Recht haben müssen, nervt allerdings | |
| gewaltig. Da hätte man sich noch eine Drehbuchwendung mehr gewünscht. | |
| 2 Aug 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| D. Kammerer | |
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