# taz.de -- Film über japanisches Kriegsverbrechen: Der Schindler von Nanjing | |
> 1937 verübte Japan ein Massaker im chinesischen Nanjing. Der Deutschen | |
> John Rabe rettete dabei viele Menschen. Doch der Film "City of Life and | |
> Death" findet keinen deutschen Verleih.. | |
Bild: Bei Dreharbeiten von „City of Life and Death“: Zu sehen ist die Lehre… | |
Kein Zweifel: John Rabe hat sehr viel für die Menschen von Nanjing getan. | |
Als offiziell "befreundeter Alliierter" der Japaner erklärte er sich | |
während der sechswöchigen Belagerung um die Jahreswende 1937/38 bereit, die | |
Leitung der internationalen Schutzzone zu übernehmen. Auch wenn er Menschen | |
in seiner Obhut nicht vor den Übergriffen der japanischen Soldaten schützen | |
konnte - Rabe ist es zu verdanken, dass wahrscheinlich einige zehntausend | |
Zivilisten das Massaker von Nanjing überlebten. Daran zweifelt der | |
chinesische Regisseur Lu Chuan auch nicht. Doch ein Held war John Rabe aus | |
seiner Sicht nicht. Rabe sei ein guter Deutscher gewesen, sagte Lu in einem | |
Interview mit dem Spiegel, "aber ein schwacher". | |
Lu Chuans Schwarzweißfilm "City of Life and Death" handelt von dem | |
Massaker, das die japanischen Truppen während der Belagerung der | |
südchinesischen Stadt Nanjing begangen haben. Sie töteten mehr als 300.000 | |
Chinesen. Zwischen 20.000 und 80.000 Frauen und Kinder wurden vergewaltigt. | |
Der deutsche Kaufmann John Rabe, aus Karrieregründen NSDAP-Mitglied, lebte | |
zum Zeitpunkt der Invasion bereits 27 Jahre mit seiner Frau Dora in China. | |
Er leitete die dortige Siemens-Niederlassung, als am 13. Dezember 1937 | |
japanische Divisionen in einem Blitzkrieg die damalige Hauptstadt der | |
nationalchinesischen Kuomingtang eroberten. | |
Die wenigen damals in Nanjing verbliebenen Ausländer richteten eine knapp | |
vier Quadratkilometer große Sicherheitszone ein, in der rund 200.000 | |
Zivilisten Schutz vor den japanischen Soldaten fanden. Rabe wurde deswegen | |
zum Vorsitzenden des Internationalen Komitees gewählt, weil ihm noch am | |
ehesten zugetraut wurde, Einfluss auf die mit Nazi-Deutschland verbündeten | |
Besatzer zu nehmen. | |
Historisch erwiesen ist die Szene, als Rabe bei einem der japanischen | |
Luftangriffe auf seinem Grundstück eine riesige Hakenkreuzfahne aufspannen | |
lässt, unter der die chinesischen Flüchtlinge vor den Bombardements Schutz | |
finden. | |
Doch für Lu Chuan ist John Rabe nur einer von vielen. Und das unterscheidet | |
"City of Life and Death" etwa von der deutschen Verfilmung von Florian | |
Gallenberger, die eine Woche nach der chinesischen Premiere im Frühjahr | |
2009 unter dem Titel "John Rabe" sowohl in die deutschen als auch in die | |
chinesischen Kinos kam. Während Gallenberger den von Ulrich Tukur | |
gespielten "Oskar Schindler von Nanking" als selbstbewussten, anpackenden | |
und entschlossenen Macher darstellt, der zumindest nach außen hin keine | |
Schwäche zeigt, ist Rabe in Lu Chuans Verfilmung bloß ein alter, | |
gebrechlicher Mann mit grauen Haaren, der sich bei den japanischen | |
Besatzern kaum durchzusetzen vermag. Und deswegen ist Rabe in Lus | |
Verfilmung auch nur eine Figur unter einem halben Dutzend anderer | |
Protagonisten. | |
So geht es zum Beispiel auch um Tang, Rabes Assistenten, der verzweifelt | |
versucht, wenigstens seine Familie zu retten - trotzdem jedoch nicht | |
verhindern kann, dass die kleine Schwester seiner Frau zu Tode vergewaltigt | |
wird. Es geht um den jungen General Lu, der zu Beginn des Films mit seiner | |
Einheit noch erbittert Widerstand leistet - und dann in einer | |
Massenexekution erschossen wird. Und es geht um die junge Lehrerin Jiang, | |
der es gelingt, zumindest einige zum Abschuss freigegebene Chinesen doch | |
noch in letzter Minute in die Sicherheitszone zu schmuggeln. Eigentlich war | |
Regisseur Lu von der chinesischen Regierung beauftragt worden, ein | |
Geschichtsdrama über die Helden von Nanjing zu drehen. Das hatte er auch | |
vor. Doch im Zuge seiner Recherchen stellte er fest: Während des | |
Nanjing-Massakers hat es überhaupt keine Helden gegeben. | |
Vor allem aber beschreibt Lu Chuan die traumatischen Ereignisse aus Sicht | |
von Kadokawa, einem schüchtern und romantisch veranlagten japanischen | |
Soldaten, der zunächst eher gleichgültig die Gräueltaten seiner Kameraden | |
verfolgt, am Ende des Films sich dann aber aus Verzweiflung selbst | |
erschießt. Gerade diese Perspektive hat in China für sehr viel Aufregung | |
gesorgt. Als "Vaterlandsverräter" wurde Lu kurz nach Erscheinen in | |
Internetforen bezeichnet. Als jemand, der das Massaker verharmlosen würde - | |
und zwar im Sinne der Japaner. Noch immer wird das Massaker in japanischen | |
Geschichtsbüchern verschwiegen. Lu Chuan betont, dass die japanischen | |
Soldaten keineswegs nur mordende Bestien waren. Zahlreiche Tagebücher | |
japanischer Soldaten hat er eigenen Aussagen zufolge während seiner | |
Recherchen gelesen. "Ich kam zu dem Schluss: Sie sind Menschen in Uniform", | |
sagt er. Und er könne keineswegs ausschließen, dass Chinesen eines Tages | |
nicht das Gleiche tun. | |
Die regierende Kommunistische Partei in China, die sich nach der | |
Machtübernahme 1949 keine allzu intensive Debatte über das Massaker | |
wünschte und bis heute ein verkrampftes Verhältnis zu dem blutigen Ereignis | |
hat, gab ihm immerhin Recht. "City of Life and Death" ist einer der wenigen | |
Filme zu diesem Thema, das durch die Genehmigungsverfahren der staatlichen | |
Zensurbehörden gekommen ist. An Zustimmung mangelte es denn auch nicht. | |
Bereits drei Wochen nach dem Filmstart im April 2009 spielte "City of Life | |
and Death" 20 Millionen US-Dollar ein. In China gilt er inzwischen als | |
einer der größten Kassenschlager der vergangenen Jahre. In Deutschland | |
bleibt das Interesse an einem der größten Verbrechen des 20. Jahrhunderts | |
gering. Schon Gallenbergers "John Rabe" war in den deutschen Kinos ein | |
Flop. Ganze sieben Zuschauer zählte eine Vorführung von "City of Life and | |
Death" beim ansonsten gut besuchten Braunschweiger Filmfest im November | |
2009. Einen Verleih hat Lu Chuan im Heimatland des "Schindlers von Nanjing" | |
bis jetzt nicht gefunden. | |
14 Apr 2010 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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