# taz.de -- Erste Solaranlagen in Chile: Sonnenkraft statt Traubensaft | |
> Chiles Atacamawüste ist für die Fotovoltaik bestens geeignet. Ein | |
> Unternehmen aus Deutschland installierte jetzt die erste Anlage. Das | |
> zukunftige Potenzial „ist enorm“. | |
Bild: Das wäre geschafft. Die erste Solaranlage in der Atacamawüste steht. | |
COPIAPO taz | Dem Norden Chiles steht eine strahlende Zukunft bevor, da ist | |
sich Hans Hall ganz sicher. „In der Atacamawüste haben wir die höchste | |
Sonneneinstrahlung der Welt, doppelt so hoch wie in Deutschland“, schwärmt | |
der Ingenieur und mittelständische Unternehmer aus dem schwäbischen | |
Weingarten. | |
„Das Potenzial ist enorm.“ Im Copiapó-Tal, einer riesigen Oase, deren | |
Bewohner vor allem vom Anbau und Export hochwertiger Tafeltrauben leben, | |
hat seine Firma Kraftwerk eine Fotovoltaikanlage fertiggestellt. Nach der | |
Überwindung diverser bürokratischer Barrieren kann sie nun endlich ans Netz | |
gehen – als erste in der Region überhaupt. | |
40.000 US-Dollar Startkapital steuerte die chilenische Regierung bei, | |
günstige Kredite kamen von der Interamerikanischen Entwicklungsbank. Das | |
Solarprojekt ist Teil eines 32-Millionen-Dollar-Pakets, mit dem die | |
Entwicklungsbank den großen Fruchtexporteur Subsole finanziert. Allein aus | |
der Atacamaregion wurden im letzten Jahr 117.000 Tonnen Trauben ausgeführt, | |
vor allem in die Vereinigten Staaten und nach Europa. | |
## Wassernotstand im Copiapó-Tal | |
## | |
Die Solarpanele der 300-Kilowatt-Anlage stehen in Reih und Glied auf dem | |
Gelände des Traubenfarmers Alfonso Prohens, eines Subsole-Mitglieds. Mit | |
dem Strom wird demnächst tagsüber das Grundwasser hochgepumpt, nachts | |
sollen auf 265 Hektar die Bewässerungsanlagen in Aktion treten. Seit 60 | |
Jahren bauen die Prohens im Copiapó-Tal Trauben an. Doch wie lange diese | |
Familientradition fortgesetzt werden kann, ist wegen des hohen | |
Wasserverbrauchs fraglich geworden. | |
Umgeben ist das Tal von Kupferminen, hinter den Traubenplantagen beginnen | |
unzählige Abraumberge. Ganz in der Nähe liegt die Mine San José, wo vor | |
zwei Jahren 33 Bergleute verschüttet und gerettet wurden. | |
Um Copiapó herum haben die steigenden Kupferpreise den Wassernotstand | |
verschärft. Begonnen hatte der Raubbau mit der Privatisierung der | |
Wasserrechte durch das Pinochet-Regime in den Achtzigerjahren. Damals | |
wurden mehr Rechte verkauft, als Wasser vorhanden war. In der Folge boomt | |
die Landwirtschaft. | |
Mittlerweile hat bereits jeder dritte Landwirt Wasserrechte an die | |
Bergbaumultis weiterverkauft. Gezahlt werden bis zu 120.000 Dollar pro | |
Liter und Sekunde – mit dieser Menge kann man im Jahr einen Hektar Trauben | |
anbauen. Über 8 Millionen Dollar erhielten die Brüder Rafael und Jaime | |
Prohens von dem kanadischen Multi Lumina Copper, doch nun fehlt ihnen das | |
nötige Wasser für die Bewirtschaftung ihrer Felder. | |
## „Solarkraft statt Trauben anbauen“ | |
Alfonso entschied sich gegen den Verkauf. Aber auch er muss immer tiefer | |
bohren, der Grundwasserpegel liegt bei mittlerweile bei 150 Meter. „Wenn | |
das so weitergeht, werde ich Solarkraft statt Trauben anbauen“, meint | |
Alfonso Prohens. Für den wohlhabenden Unternehmer mag dies eine | |
realistische Alternative sein, die Perspektiven für die Kleinbauern aus der | |
Region sind hingegen düster. | |
Für Hans Hall hat sich das Engagement in Chile schon jetzt gelohnt. Er hat | |
bereits weitere Aufträge von Agrarunternehmen in Aussicht. Das chilenische | |
Parlament will ein Gesetz zur Energieeinspeisung verabschieden, das den Bau | |
von Kleinanlagen noch rentabler machen wird. | |
Und bis 2020 soll sich der Anteil der nicht konventionellen erneuerbaren | |
Energien an der Stromversorgung auf 20 Prozent verfünffachen, hat der | |
rechtsliberale Präsident Sebastián Piñera verkündet. | |
20 May 2012 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
## TAGS | |
Reiseland Deutschland | |
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