# taz.de -- Eröffnung Ausstellung "60 Jahre 60 Werke" : Bestenliste nach dem O… | |
> Anlässlich des sechzigsten Verfassungs-Geburtstages schmücken die Werke | |
> der größten deutschen Künstler die Wände des Berliner | |
> Martin-Gropius-Baus. | |
"Menschen" sagt Kai Diekmann, "erinnern sich der Historie fast | |
ausschließlich in Bildern." Und mit Bildern kennt sich Diekmann als | |
Chefredakteur der Bild-Zeitung sehr gut aus: "Das ist die Kernkompetenz | |
unserer Zeitung", erklärte er gut gelaunt auf der Eröffnung der Ausstellung | |
"60 Jahre 60 Werke" am vergangenen Donnerstag im Berliner | |
Martin-Gropius-Bau. "Sie heißt schließlich Bild und nicht Text oder | |
Schlagzeile." Dennoch ist das Zustandekommen der Gruppenausstellung - eine | |
Aktion von Bild und Gropius-Bau zum Verfassungsjubiläum mit eigener | |
Zeitungsserie - eine Sensation. Denn niemand in der Kunstszene traute dem | |
vielbeschäftigten Diekmann zu, die gesamte untere Etage des Gropius-Baus | |
mit einer Blockbuster-Ausstellung wie "60 Jahre" zu bestücken. | |
Wie Diekmann zur Kunst kam, darüber weiß man wenig und erst recht wusste | |
man nichts davon, dass in dem Mann, der Deutschlands größte Tageszeitung | |
leitet, auch ein formidabler Kurator steckt. Bekannt sind lediglich | |
Affinitäten, etwa zu der Kunst des Berliner Malers Jens Lorenzen, der in | |
seinen Ölbildern berühmte Marken verfremdet und dessen Werk auch schon in | |
der als Kunst-Geheimtipp geltenden Axel-Springer-Passage in Kreuzberg zu | |
sehen war. Auch dem Maler Clemens von Wedel, dessen Werke Diekmanns Büro | |
schmücken und den der Bild-Mann im Weddinger Atelier oft besucht, ist der | |
ganz große Durchbruch bislang noch nicht gelungen. | |
Doch dass statt Wedels und Lorenzens Bildern nun Werke von Georg Baselitz, | |
Joseph Beuys, Andreas Gursky oder Jörg Immendorff die Wände des | |
Gropius-Baus schmücken, hängt mit Diekmanns Konzept zusammen. Anlässlich | |
des sechzigsten Verfassungs-Geburtstages sollten es nur die Größten sein, | |
eine "Bestenliste nach dem Oscar-Prinzip", um den unbändigen Stolz auf das | |
Erreichte zum Ausdruck zu bringen. Wer durch die Räume des Berliner | |
Ausstellungshauses in der Nähe des Checkpoint Charlie geht, sieht schnell, | |
wie eisern diese Idee durchgezogen wurde und mit welch großer | |
Bereitwilligkeit Museen und private Sammlungen dafür ihre heiligsten | |
Schätze hergaben. Wie in einem DuMont-Schnellkurs reiht sich Meisterwerk an | |
Meisterwerk: staunend stehen die Besucher vor so viel deutscher Klasse und | |
horchen ungläubig in klobige Audioguide-Geräte, weil sie einfach nicht | |
glauben können, was sie sehen: nicht nur in der Wirtschaft, auch in der | |
Kunst ist Deutschland längst aus Ruinen auferstanden. | |
Dass sich Kunst nicht für derartige Botschaften eignen soll, wie manche | |
Kritiker der Schau jetzt mäkeln, kann Diekmann nicht verstehen. "Kein Land | |
- nicht mal die USA - zeigte nach dem Weltkrieg eine solche Eruption an | |
Kreativität, an ästhetischem Witz, an Fantasie", sagt der Kurator. "Die | |
Bundesrepublik hat eben nicht nur die D-Mark geschaffen, VW oder Daimler, | |
bedeutend ist sie vor allem als künstlerisches Labor der Moderne." Man kann | |
Diekmanns Top-60 wegen der Männer-Frauen-Quote von 52:7 oder der rigorosen | |
Beschränkung auf Westdeutschland für eine reaktionäre Veranstaltung halten: | |
beim Publikum trifft sie einen Nerv. In großen Trauben steht es auch vor | |
den kleinen Monitoren, auf denen Ausschnitte aus alten Tagesschau-Sendungen | |
laufen. Menschen lieben Bilder. Alles ist einfach, weniger verquast als auf | |
der documenta in Kassel. Bild bringt es auf den Punkt: "Diese Ausstellung | |
fasziniert wirklich alle!" | |
3 May 2009 | |
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