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# taz.de -- Einer der brutalsten Kriege geht zu Ende
> Waffenstillstand zwischen Uganda und der Rebellenbewegung
> „Widerstandsarmee des Herrn“ (LRA) ist in Kraft getreten. Die Verfolgung
> der Kriegsverbrechen der LRA-Führer durch den Internationalen
> Strafgerichtshof ist damit aber vorerst gestoppt
VON DOMINIC JOHNSON
Einer der schmutzigsten Kriege der Welt geht möglicherweise seinem Ende zu.
Gestern früh ist zwischen Ugandas Regierung und der nordugandischen
Rebellenbewegung LRA (Widerstandsarmee des Herrn) ein Waffenstillstand in
Kraft getreten, der den Weg zu einem umfassenden Friedensabkommen ebnet.
Die Waffenstillstandsvereinbarung wurde am Samstag im Südsudan
unterzeichnet. Die LRA, die seit 20 Jahren gegen die Regierung von Ugandas
Präsident Yoweri Museveni kämpft und deren Führer wegen brutaler Verbrechen
vom Internationalen Strafgerichtshof mit Haftbefehl gesucht werden, rief am
Montag formell ihre Kämpfer auf, „alle militärischen Aktivitäten
einzustellen“.
Der Krieg im Norden Ugandas hat nahezu zwei Millionen Menschen zu
Vertriebenen gemacht und weite Landstriche entvölkert. Mit brutalen
Kriegsmethoden wie der Entführung zehntausender Kinder, die zu Soldaten
oder Sexsklaven gemacht wurden, terrorisierte die LRA unter ihrem
christlich-fundamentalistischen Führer Joseph Kony die Zivilbevölkerung der
Region. Unterstützt von der Regierung des Sudan, die damit Ugandas
Unterstützung für die südsudanesischen SPLA-Rebellen (Sudanesische
Volksbefreiungsarmee) konterte, entwickelte sich die LRA von einer
Buschguerilla zu einer hochgerüsteten Armee mit modernsten schweren Waffen.
Seit im Südsudan 2005 Frieden geschlossen wurde, hat die LRA ihre Basen
dort verlassen und sich in die Demokratische Republik Kongo zurückgezogen,
von wo aus sie den Krieg fortsetzte.
Die jüngsten Friedensgespräche zwischen LRA und Ugandas Regierung begannen
am 14. Juli in der südsudanesischen Hauptstadt Juba, vermittelt von
Südsudans neuer SPLA-Autonomieregierung. Ugandas Präsident Museveni hat den
Gesprächen Zeit bis zum 12. September gegeben, um ein Abkommen zu
erreichen. Die Waffenstillstandsvereinbarung kommt nun gerade rechtzeitig,
um diese Frist einigermaßen einhalten zu können. Die Vereinbarung sieht
vor, dass sich die Kämpfer der LRA innerhalb der nächsten drei Wochen an
zwei Plätzen im Südsudan sammeln – Ri Rwangba westlich des Nil für die
LRA-Kämpfer aus dem Kongo, Owiny Ki Bul östlich des Nil für die aus
Norduganda. Die ugandische Armee garantiert ihnen sicheres Geleit, die SPLA
schützt die Sammelzentren. Während dieses Prozesses beginnen in Juba
Gespräche über ein endgültiges Friedensabkommen. Beide Seiten verpflichten
sich, „jede feindliche militärische Aktion gegeneinander einzustellen und
jede andere Aktion, die die Friedensgespräche untergraben könnte“. Sollten
die Gespräche in Juba scheitern, „wird die LRA die Sammelgebiete friedlich
verlassen können“, so die Vereinbarung.
Diese entspricht weitgehend den Forderungen der ugandischen Regierung. Die
LRA wiederum setzte sich mit der Forderung durch, ihre Kämpfer noch vor dem
Abschluss eines endgültigen Abkommens versammeln zu können. Auch die fünf
vom Internationalen Strafgerichtshof gesuchten LRA-Führer – ein sechster
war am 12. August von Ugandas Armee in Norduganda getötet worden – werden
sich daran beteiligen dürfen. Ihre Verhaftung und Auslieferung an den
Strafgerichtshof in Den Haag ist damit vorerst vom Tisch. Ein
Friedensabkommen dürfte der LRA-Führung zudem eine Amnestie anbieten.
Dem Frieden in einem der ältesten Kriege Afrikas fällt somit das einzige
konkrete Verfahren des neuen Gerichtshofs in Den Haag zum Opfer. Dies
entspricht den Wünschen der nordugandischen Zivilgesellschaft, die seit
Jahren dafür wirbt, der LRA trotz ihrer Verbrechen politisch
entgegenzukommen, um die Gewalt in Norduganda zu beenden. In einem Brief an
den UN-Sicherheitsrat drängten Vertreter zahlreicher Menschenrechtsgruppen
in Norduganda darauf, einen von Großbritannien eingebrachten
Resolutionsentwurf zur zwangsweisen Entwaffnung der LRA nicht zu
verabschieden und sich stattdessen auf die Seite des Friedens zu stellen.
Bleibt die Frage, ob die neuen Friedensperspektiven halten. Da sich die LRA
bei den Gesprächen von Juba erfolgreich weigerte, ihre Bestände an Truppen
und Waffen offenzulegen, wird niemand feststellen können, ob sie nicht doch
Teile ihrer Armee in Reserve außerhalb der Sammelzentren hält.
Lokalpolitiker in den designierten Sammelgebieten im Südsudan protestieren
bereits, dass sie nicht konsultiert worden seien und keine LRA bei sich
haben wollen. Eine internationale militärische Überwachung des Prozesses
ist nicht vorgesehen. In Norduganda selbst warten rund 1,6 Millionen
Kriegsvertriebene immer noch darauf, in ihre Heimat zurückkehren zu können,
während viele von ihnen ihren Grundbesitz bereits an Spekulanten im Umfeld
der ugandischen Militärelite verloren haben. All diese Probleme dürften die
Friedensgespräche in Juba erheblich belasten.
30 Aug 2006
## AUTOREN
DOMINIC JOHNSON
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