# taz.de -- „Eine Frau kann alles tun“ | |
> MUSIK Als Marin Alsop Chefdirigentin des Baltimore Symphony Orchestra | |
> wurde, gab es Proteste. Heute ist sie ein Star. Ein Gespräch über Jeanne | |
> d’Arc, Macht und ernste Deutsche | |
INTERVIEW DOROTHEA HAHN | |
Marin Alsop ist Geigerin und Dirigentin – und eine begabte Kommunikatorin. | |
Nach Konzerten kommt sie oft auf die Bühne zurück und diskutiert mit dem | |
Publikum. Manchmal lädt sie dazu andere Musiker oder Philosophen ein. Mit | |
der sonntaz trifft sie sich in ihrem Büro im Souterrain der Meyerhoff | |
Symphony Hall in Baltimore. | |
sonntaz: Frau Alsop, Sie sind die Frau mit dem Stock. Die erste Frau, die | |
ein großes Orchester in den USA dirigiert. Ändert sich der Ton, wenn eine | |
Frau führt? | |
Marin Alsop: Wir als Frauen sind einfach nur wir selbst. Wir sehen uns | |
selbst nicht als geschlechtsspezifisch. Ich glaube nicht, dass es möglich | |
ist, Frauen zu verallgemeinern. | |
Gibt es gar keine weibliche Sprache in der Musik? | |
Als ich als Studentin das Studentenorchester in Tanglewood dirigiert habe, | |
saß Leonard Bernstein einmal sehr nachdenklich dabei. Und hat gesagt: Wenn | |
ich meine Augen schließe, könnte ich nicht sagen, dass du eine Frau bist. | |
Hatte er recht? | |
Ich glaube, das stimmt. Es geht um die Musik. Und nicht um den Dirigenten. | |
Ob es nun ein Mann ist oder eine Frau, schwarz oder weiß. | |
Gibt es irgendetwas beim Dirigieren, das eine Frau nicht tun kann? | |
Absolut nichts. | |
Können Sie dieselbe Körpersprache benutzen? | |
Dirigieren ist Körpersprache. Wir kommunizieren mit Gesten. Aber wenn ich, | |
als Frau, gewisse Gesten mache, wird das anders wahrgenommen, als wenn ein | |
Mann genau dieselbe Geste macht. | |
Ein Beispiel, bitte. | |
Wenn ein Mann sehr stark und intensiv ist, heißt es: wunderbar, stark, | |
Macho. Wenn eine Frau sehr intensiv ist, gilt das als bedrohlich. | |
Das ist aber nicht nur beim Dirigieren so. | |
Musik ist ein Mikrokosmos der größeren Welt. Und das hat auch mit Gestik zu | |
tun. Warum gibt es nur so wenige Frauen, die große Orchester in der Welt | |
dirigieren? Und nur wenige Frauen, die Länder Welt führen? Und nur so | |
wenige Frauen an der Spitze der größten Unternehmen? | |
Gibt es einen Stil, der Frauen an der Spitze auszeichnet? | |
Im Allgemeinen sind sie stark. Nehmen Sie Margaret Thatcher oder Angela | |
Merkel. Im Vergleich dazu wirkt Tony Blair geradezu sanft und empfindsam. | |
Frauen müssen sehr, sehr stark sein. | |
Sind Sie stärker als Ihr Mentor Leonard Bernstein und als Ihr Vorgänger in | |
Baltimore, Juri Temirkanow? | |
Es ist schwierig für mich, objektiv zu sein. Ich bin sehr belastbar. Und | |
ich habe einen Sinn für Humor, der mir hilft. Aber eine Dirigentin braucht | |
vor allem enormes Beharrungsvermögen. Sie darf nicht aufgeben. Denn die | |
Chancen, erfolgreich zu sein, sind nicht groß. Es gibt nur einen winzigen | |
Prozentsatz von Dirigenten, die es schaffen. | |
Das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. | |
Aber für Frauen ist es noch härter. Wir müssen mehr machen als nur unseren | |
Job. Wir müssen immer auch der Gesellschaft helfen, sich an Frauen in | |
unseren Rollen zu gewöhnen. | |
Ändert sich durch Ihre Arbeit in Baltimore die Situation für andere Frauen | |
mit Taktstock? | |
Ich hoffe es. Aber mehr kann ich Ihnen erst in zehn Jahren sagen. Dann | |
sehen wir, wer welches Orchester dirigiert. Heute ist es noch zu früh. | |
Manchmal fürchte ich, dass die Leute sagen: Wir haben doch schon eine Frau, | |
die ein großes Orchester dirigiert. | |
Eine Alibi-Frau. | |
So etwas wie eine Quote. Aber ich habe vor neun Jahren ein Stipendium für | |
Frauen geschaffen, die Dirigentinnen werden wollen. Wir haben gerade die | |
siebte Stipendiatin ausgewählt. Alle vorausgegangenen sechs haben Jobs | |
gefunden. Drei dirigieren amerikanische Orchester, drei andere sind | |
Kodirektorinnen von Orchestern. Sie machen es klasse. | |
Was muss eine junge Frau tun, wenn sie Dirigentin werden will? | |
Extrem engagiert sein. Leidenschaftlich sein. Und die Bereitschaft haben, | |
ein paar Opfer zu bringen. Für eine Frau kommt ein Moment im Leben, in dem | |
sie vielleicht eine Familie gründen will – und die Entscheidungen über | |
Familie und Karriere fallen muss. | |
Sie selbst haben doch auch Familie und Karriere hingekriegt. | |
Aber ich bin erst zu einer Familie gekommen, als meine Karriere schon | |
stand. Mein Sohn ist erst acht. Ich bin alt für die Elternschaft. | |
Wollen Sie sagen, dass eine Frau, die Dirigentin werden will, sich zwischen | |
Karriere und Mutterschaft entscheiden muss? | |
Um beides zu schaffen, ist es wichtig, ein privates Unterstützungssystem zu | |
haben. Ohne Partner ist es schwierig. Dirigieren bedeutet, viel zu reisen | |
und viel abwesend zu sein. | |
Sie arbeiten in vielen verschiedenen Ländern. Wie wichtig ist Sprache – | |
sind Wörter – für eine Dirigentin? | |
Wenn sie wenigstens ein paar Sätze in der Sprache ihrer Musiker lernen und | |
einige Zahlen, dann verbindet das ein wenig mehr. Aber wenn ich in Finnland | |
bin, dann spreche ich kein Finnisch, weil die Leute dort so gut Englisch | |
sprechen. | |
Können Sie Musiker auch dirigieren, ohne mit ihnen sprechen zu können? | |
Oft ist es sogar besser, die Sprache nicht zu sprechen. Dann müssen Sie im | |
Gesicht und mit Gesten zeigen, was Sie wollen. Es zwingt, besser zu sein. | |
Als 2005 Ihre Berufung nach Baltimore bekannt wurde, probte das Orchester | |
einen Aufstand. Die Musiker bezweifelten Ihre Qualifikation und verlangten, | |
dass die Suche nach einem Dirigenten fortgesetzt werde. Die Washington Post | |
schrieb damals, neunzig Prozent der Musiker seien gegen Sie. Was war der | |
Grund? | |
Es gab nie eine Abstimmung. Es hat nie eine Zählung gegeben. Die Zahl hat | |
einfach irgendwer erfunden. | |
Aber der Unmut war real. | |
Dafür gab es eine Kombination verschiedener Gründe. Ich glaube, die | |
Reaktion der Musiker richtete sich nicht gegen mich. Sondern gegen die | |
Institution. Und meine Nominierung war eine Möglichkeit, ihre | |
Unzufriedenheit auszudrücken. | |
Wollen Sie sagen, es ging nicht darum, dass Sie eine Frau sind? | |
Ich weiß es nicht. | |
Hat Ihre Sexualität – Sie haben eine Beziehung mit einer Frau – eine Rolle | |
gespielt? | |
Ich glaube nicht. | |
Hätten die Musiker genauso reagiert, wenn ihnen ein Mann vorgesetzt worden | |
wäre? | |
Ich weiß es nicht. | |
Wurden diese Dinge je diskutiert? | |
Nein. | |
Wie ist es, Leute zu dirigieren, die Sie nicht haben wollten? | |
Wenn man in einen Job geht, um populär zu sein, ist das der falsche Grund. | |
Ich möchte eher respektiert statt gemocht werden. | |
Nicht beides? | |
Natürlich habe ich gern beides. Und ich glaube, dass ich es inzwischen | |
habe. Aber die Art, wie ich in diesen Job gekommen bin, war sehr schwierig. | |
Und zugleich war es befreiend. Denn ich musste bloß für Erfolg sorgen. Für | |
die Musiker. | |
War das wirklich einfach? In einer Zeit, wo klassische Orchester ums | |
Überleben kämpfen oder geschlossen werden, weil sie nicht genug Geld haben? | |
Es war nicht einfach. Ich versuche bloß, den Konflikt aus der Perspektive | |
der Musiker heraus zu betrachten. Um zu verstehen, warum sie so aufgebracht | |
und verärgert waren. Es gab eine Menge nicht eingehaltener Versprechen und | |
unehrliche Kommunikation. Ich versuche das zu vermeiden. Ich spreche mit | |
meinen Musikern. Ich sage, wenn es Probleme gibt. Und ich habe eine klare | |
Vision. Aber das Wichtigste ist: Wir haben Erfolge erzielt – mit Aufnahmen, | |
mit Konzerten, Initiativen und bei Kritikern. Darum ging es. Die eine | |
Sache, damit die Leute sich besser fühlen, ist Erfolg. Das wusste ich. | |
Wie kommt es, dass ausgerechnet das kleine Baltimore als erstes | |
Symphonieorchester in den USA eine Frau als Dirigentin engagiert hat? | |
Baltimore ist aufgeschlossen und tolerant – auch wenn es bei mir am Anfang | |
kompliziert war. Die Stadt ist avantgardistischer und nervöser als andere | |
Orte. | |
Aufgeschlossener als New York? | |
Auf jeden Fall. Baltimore ist bereit, größere Risiken einzugehen. Es | |
schleppt kein großes Museum mit sich herum. New York hatte Gustav Mahler | |
und Leonard Bernstein als Dirigenten, ein riesiges Vermächtnis. Das ist | |
sehr beschwerlich. In Baltimore sind die Beziehungen eins zu eins. Es fühlt | |
sich an wie zu Hause. | |
Ist das auch wieder eine Parallele zwischen Musik und dem großen Ganzen? | |
Ist es für kleinere Länder – wie Deutschland und Großbritannien – leicht… | |
eine Frau an die Spitze zu setzen, als für große Länder, wie die | |
Vereinigten Staaten, Russland oder China? | |
Nicht unbedingt. Nehmen Sie Brasilien. Das Land hat eine Frau als Chefin. | |
Und es ist ein großes Land. Aber eines, das bereit ist, ein paar Dinge zu | |
ändern. In den Vereinigten Staaten werden die Menschen auf eine gewisse Art | |
konditioniert. Das macht es schwer, sich wohlzufühlen, wenn man nicht exakt | |
so aussieht wie gewohnt. Die Leute müssen einfach mehr Frauen sehen. Ich | |
glaube, dass Länder wie Deutschland oder Großbritannien oder Brasilien | |
helfen, damit Frauen auch anderswo in Führungsrollen kommen. Auch hier in | |
den USA. | |
Wie ist das Gefühl für Sie, wenn Sie am Pult stehen und das Konzert | |
beginnt? | |
Ich bin selber keine Surferin. Aber ich sehe die Surfer, wie sie auf die | |
perfekte Welle warten. Das ist eine Menge Arbeit, aber wenn die Welle | |
kommt, beginnt der wunderbare und leichte Teil. Eine Darbietung ist ein | |
fantastischer Ritt. Jeder ist konzentriert und jeder hat dasselbe Ziel. | |
Meine Rolle als Dirigentin ist es, den Musikern zu helfen, dass jeder so | |
gut sein kann wie möglich. Sein Bestes zu geben und einem größeren Ziel zu | |
dienen. Das macht demütig und ist sehr befriedigend. | |
Das klingt nach Anpassung und Einfühlung. Hat der Taktstock also nichts mit | |
Macht und Kontrolle zu tun? | |
Das ist eine Frage des individuellen Stils. Ich führe nicht mit Druck. Ich | |
führe – hoffentlich – durch Inspiration. Sie können mit Kraft führen, ab… | |
Sie können es nicht mit Macht tun. | |
Was ist der Unterschied zwischen Kraft und Macht? | |
Macht und Respekt lassen sich nicht einfordern. Das sind Dinge, die Sie | |
verdienen. Wenn Leute Ihnen trauen und Sie verstehen. Natürlich ist die | |
Leitung eines Orchesters eine Machtposition. Genau wie die Spitze eines | |
Landes. Aber für mich ist der interessanteste Teil, wie ich diese Macht | |
nutze. | |
Sie haben erzählt, dass Sie als Jugendliche über Ihrem Bett ein Poster von | |
den Beatles hängen hatten. Heute gibt es bei Ihren Auftritten manchmal eine | |
Atmosphäre wie bei Popkonzerten. Wieso sind Sie nicht in die Popmusik | |
gegangen? | |
Ich liebe Popmusik. Aber meine Ausbildung war komplett klassisch. Für mich | |
ist klassische Musik unwiderstehlich. Und die intellektuelle und emotionale | |
Tiefe ist unvergleichlich. | |
In diesem Winter haben Sie das Oratorium „Jeanne d’Arc au bûcher“ von | |
Arthur Honegger aufgeführt. Darin blickt das 19-jährige Bauernmädchen, das | |
in einer Zelle auf die Hinrichtung auf dem Scheiterhaufen wartet, auf sein | |
kurzes Leben zurück. Was interessiert Sie an der Frau, die vor 600 Jahren | |
in einem französischen Dorf zur Welt kam? | |
Sie repräsentiert alle möglichen Dinge. Es fasziniert mich, dass jemand so | |
dehnbar sein kann. Eine Frau aus der Geschichte ist Aushängeschild für so | |
viele verschiedene Anliegen. Und wird von extremen Rechten wie auch von der | |
Linken vereinnahmt. | |
Welche Jeanne d’Arc hat denn Ihre Sympathie? Die Heilige? Die Kriegerin? | |
Die Patriotin? Die Feministin? | |
Sie widersetzt sich der Kategorisierung. Ich finde es sehr einengend, dass | |
Leute sagen, weil du eine Frau bist, ist dieses oder jenes nicht möglich. | |
Eine Frau kann alles tun. Es ist sehr wichtig, eine Welt zu schaffen, in | |
der Gleichheit das Endergebnis für jeden ist. Deswegen mag ich Jeanne | |
d’Arc. Jedes Mal, wenn jemand versucht, sie in eine kleinen Box zu sperren, | |
springt sie heraus. War sie Analphabetin? Es gibt Forscher, die sagen: Sie | |
war es nicht. War sie militärisch begabt? Vielleicht. Vielleicht hatte sie | |
auch einfach nur Glück. | |
Sie interessieren sich für Jeanne d’Arc wegen ihrer Widersprüchlichkeit? | |
Widersprüchlichkeit ist für mich nicht negativ belegt. Es ist positiv, | |
nicht auf ein Etikett beschränkt zu sein. Für viele verschiedene Leute | |
vieles sein zu können. | |
Ist Honeggers Jeanne d’Arc auch ein Vorbild für Sie? | |
Sie hatte eine persönliche Integrität und Ziele, von denen sie sich nicht | |
ablenken ließ. Ich hoffe, dass ich dasselbe tue. Für Dinge aufstehen, an | |
die ich glaube. Natürlich sehe ich das Stück als politisches Statement. | |
Paul Claudels Text für das Oratorium ist extrem sarkastisch. Er hat eine | |
Welt von Tieren geschaffen. Wenn die Tiere zu Jeanne d’Arc sprechen, hebt | |
das den Horror auf ein komisches Niveau und macht ihn noch ergreifender. | |
Ist das Oratorium auch eine musikalische Antwort auf die Widerstände gegen | |
Ihre Berufung nach Baltimore? | |
Ich war an dem Honegger-Stück schon sehr lange interessiert. Und natürlich | |
mache ich oft Frauenthemen. Dann habe ich erfahren, dass in diesem Januar | |
Jeanne d’Arcs 600. Geburtstag war. Das Timing passte also. Wenn ich das in | |
meinem ersten Jahr in Baltimore gemacht hätte, wäre es sehr kontrovers und | |
störend gewesen. Eben wegen der Art, in der meine Berufung abgelaufen ist. | |
Aber jetzt ist es eine große Gelegenheit. | |
Außer Jeanne d’Arc haben Sie noch andere revolutionäre Frauen in Ihrem | |
Konzertprogramm. | |
Wir haben in dieser Saison ein Stück über Harriet Tubman. Sie war als | |
Sklavin in der „Underground Railroad“ aktiv, auf den Fluchtrouten, auf | |
denen Sklaven aus dem Süden in die Freiheit gebracht wurden. Eine sehr | |
mutige Frau. Wir haben ein weiteres Stück über Isobel Gowdi. Es erzählt die | |
Geschichte einer schottischen Frau, die als Hexe zum Tode verurteilt wird. | |
Und Anfang März organisieren wir in Baltimore das Festival WOW, Women of | |
the World. Das geht weit über die Kunst hinaus. Da kommen Frauen aus der | |
Politik, der Wissenschaft, der Kultur zusammen. | |
Drei Jahre nachdem Sie gegen großen Widerstand nach Baltimore berufen | |
worden sind, ist Ihr Vertrag verlängert worden. Heute zweifelt niemand mehr | |
daran, dass Sie die richtige Person sind. Nicht nur musikalisch, sondern | |
auch finanziell – Sie haben das Orchester aus den roten Zahlen | |
herausgeholt. Wie messen Sie selbst Erfolg? | |
Es fühlt sich erfolgreich an. Aber es ist auf halbem Weg. Ich bin nicht | |
fertig. Es gibt eine Menge von Dingen, die ich erreichen will. Als Erstes | |
versuche ich nicht zu messen. In Amerika messen wir viel zu viel. In | |
Baltimore gibt es Enthusiasmus im Orchester. Und ein Gefühl von | |
Besitzdenken bei der Bevölkerung. Unser Orchester gehört der Community. Wir | |
haben Kinderprogramme. Und wir haben das Programm „Rusty Musicians“, bei | |
dem 600 Amateurmusiker mitmachen. Das bringt Nähe zwischen Musikern und | |
Community. Das bricht mit der Regel, dass klassische Musik ein Privileg | |
wohlhabender Leute ist. Und das erzeugt ein Gefühl von Relevanz und | |
Begeisterung. | |
Wenn Sie auf die Bühne kommen, gibt es im Publikum manchmal | |
Begeisterungsschreie. | |
Ich mag das. Es ist nicht so steif. | |
Neben dem Orchester im kleinen Baltimore dirigieren Sie neuerdings auch das | |
Symphonieorchester von São Paulo. Haben Sie das so geplant? | |
Dass ich jetzt das größte Orchester in Südamerika dirigiere, ist eine | |
unerwartete Wende. Ich habe mir nicht einmal in meinen wildesten Träumen | |
ausgemalt, dass ich eines Tages einen Job in Brasilien bekommen würde. Ich | |
hatte gedacht, dass ich als Nächstes nach Europa gehe. | |
Da waren Sie doch schon. | |
Nur in England. Ich hatte mir ein anderes Land vorgestellt, Deutschland | |
etwa. Aber die Welt ändert sich. Ein Land wie Brasilien hat jetzt enorme | |
Möglichkeiten. Ich habe in São Paulo ein Orchester mit 150 | |
Vollzeitmusikern, eine wunderbare Konzerthalle und einen unglaublichen | |
Enthusiasmus. | |
Ist das Interesse an klassischer Musik in Brasilien größer als in den USA? | |
Jedes Konzert ist ausgebucht. Es ist umwerfend. Ich bin sehr neugierig, was | |
sich da entwickelt und wohin das führt. | |
Zu Ihrem Markenzeichen gehört es, dass Sie nach Konzerten oft mit dem | |
Publikum diskutieren. Über Musik. Über Philosophie. Und das Leben. Tun Sie | |
das auch in São Paulo? | |
Manchmal. In Brasilien lieben die Konzertbesucher das. Und wir haben eine | |
Menge Spaß. Ich bin nicht sicher, ob die Leute es auch in Deutschland mögen | |
würden. | |
Warum nicht? | |
Ach, in Europa sind die Leute so ernst im Umgang mit klassischer Musik. | |
Vielleicht zu ernst. | |
■ Dorothea Hahn, USA-Korrespondentin der taz, fand Alsops „Joan of Arc at | |
the Stakes“ mit Orchester, drei Chören und einem halben Dutzend SolistInnen | |
ergreifend | |
3 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
DOROTHEA HAHN | |
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