Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Ein linker Paradiesvogel
Ohrwürmer und Quälgeister waren sie, die Lieder, die der Frankfurter
Diether Dehm der niederländischen Band Bots geschrieben hatte. In
Endlosschleife drehten sie sich in den 70er- und Anfang der 80er-Jahre auf
den Plattentellern der Wohngemeinschaften: „Was wollen wir trinken, sieben
Tage lang?“, „Das weiche Wasser bricht den Stein“ und „Aufstehn!“ sch…
frühen Morgen. Dehm war eine lokale Größe, spielte Gitarre und sang unter
dem Künstlernamen „Lerryn“ auf jedem Straßenfest sowohl eigene als auch
Lieder von Bertolt Brecht.
Er repräsentierte den sozialdemokratischen und gewerkschaftlichen
Kulturbegriff mit klarer, durchdringender Stimme. Regelmäßig fühlten sich
Gegner bemüßigt, hinter der Hand und anonym am Telefon zu raunen, „der
Dehm“ sei ein Stasi-Spitzel. Das löste mehr Heiterkeit aus als Entsetzen:
„Arme Stasi, selber schuld!“ Denn Dehm zelebrierte so unerschöpflich
wortgewaltig sich selbst, dass wohl kaum ein Geheimdienst der Welt aus
seinem Redefluss hätte wirkliche Informationen filtern können.
Dehm, 1950 in Frankfurt geboren, war schon als Schüler im Jungen-Gymnasium
Helmholtz ein unermüdlicher Macher, Spitzname „Larry“. Seinen Künstlernam…
Lerryn habe er aus einer Kombination mit „Lenin“ gebildet. 1966 trat er in
die SPD ein. Er studierte Sonder- und Heilpädagogik und promovierte zum Dr.
phil. Den Titel präsentierte er später gerne öffentlich. 1971 erfand er die
sommerliche Frankfurter Großveranstaltung „Lieder im Park“ und organisierte
„Rock gegen rechts“. Er schrieb Bücher, Songtexte und Musicals, sang,
veranstaltete, gründete den Verein Künstler in Aktion, in dem sich auch Udo
Lindenberg, BAP, Klaus Lage und Dietmar Schönherr organisierten. Er managte
andere Künstler, betreute die DDR-Eisläuferin Katarina Witt und den
Liedermacher Wolf Biermann. Als Stamokap-Juso immer am linken Rand der SPD,
wurde er 1993 in den Stadtrat gewählt, dann Bundestagsabgeordneter und
Bundesvorsitzender der sozialdemokratischen Unternehmer in der AGS. 1998
verließ er die SPD, der er zuvor das „Weiche Wasser“ zur neuen Hymne
umgeschrieben hatte, nach 33 Jahren. Er wechselte aus Protest gegen
Schröders Politik eine Woche vor der Bundestagswahl zur PDS und zog in den
Bundestag ein. Seit 2004 ist er niedersächsischer Landeschef der
Linkspartei und lehrt nebenbei an Unis das Unterhaltungsfach.
Die Stasi-Vorwürfe fanden ihre Neuauflage. Dehm sagte selbst dazu, die
Stasi habe ihn „unwissentlich abgeschöpft“, dies aber 1977 enttäuscht
aufgegeben. Als Politiker wolle er weniger durch „paradiesvögelnde Sprüche�…
als durch „solide Arbeit“ auffallen. HEIDE PLATEN
18 Feb 2008
## AUTOREN
HEIDE PLATEN
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.