# taz.de -- Lech Walesa als Filmheld: Ein Mann der Hoffnung | |
Polen und die USA haben vieles gemeinsam – so wie den Lebenstraum der | |
unbegrenzten Möglichkeiten und des gesellschaftlichen Aufstiegs. „Walesa. | |
Mann der Hoffnung“ heißt der neueste Film des Altmeisters Andrzej Wajda. | |
Wie kein Zweiter verkörpert der Arbeiterheld, Friedensnobelpreisträger und | |
spätere polnische Präsident Lech Walesa den Traum „vom Tellerwäscher zum | |
Millionär“ oder das stolze und zugleich selbstironische „Polak potrafi“ … | |
Der Pole schafft das! | |
Die ganze Welt bewundert den schnauzbärtigen Elektriker von der früheren | |
Lenin-Werft in Danzig und die von ihm geführte Freiheits- und | |
Gewerkschaftsbewegung Solidarność. Es waren die Polen, dieses kleine | |
aufmüpfige Volk zwischen Russland und Deutschland, die 1989 den Kommunismus | |
in die Knie zwangen. Die Berliner Mauer fiel, der Ostblock und die | |
Sowjetunion lösten sich auf. Was für eine Bedeutung hat es da noch, dass | |
Walesa später Anfälle von Größenwahn hatte und als Präsident keine ganz so | |
glorreiche Figur abgab? | |
In Polen, wo Walesa seit Langem hoch umstritten ist, schlugen die Wellen | |
schon vor Beginn der Dreharbeiten hoch. Rechte Publizisten warfen dem | |
vielfach preisgekrönten Regisseur vor, Walesa vom Vorwurf des | |
„Spitzeldienstes für die polnische Stasi“ reinwaschen zu wollen. Der | |
Filmemacher würde eine Hagiografie drehen, die Freiheitsbewegung | |
Solidarność zur reinen Gefolgsmasse Walesas degradieren. Der 87-jährige | |
Regisseur zeigt sich davon unbeeindruckt. Die meisten Polen würden „eine | |
empathisch-ehrliche Darstellung“ erwarten. Viele erinnerten sich noch an | |
die Zeiten leerer Regale, der Solidarność-Euphorie und des Kriegsrechts, | |
als Tausende interniert wurden. | |
Das Drehbuch des Schriftstellers Janusz Glowacki knüpft an zwei | |
Vorgängerfilme Wajdas an: „Der Mann aus Marmor“ (1977) und „Der Mann aus | |
Eisen“ (1981). Im letzten Film des Triptychons übernimmt Walesa, | |
meisterhaft gespielt von Robert Wieckiewicz, die Führungsrolle, die sein | |
Filmvorgänger sich noch nicht zutraute. Berühmt bis heute ist Walesas | |
Bonmot „Ich will nicht, aber ich muss!“ | |
Ein Interview, das Walesa 1980 der italienischen Starreporterin Oriana | |
Fallaci gab (gespielt von Maria Rosaria Ommagio), bildet das Gerüst für die | |
geradlinig erzählte Geschichte von den ersten Streiks 1970, der Entstehung | |
der Gewerkschaft Solidarność, der Ausrufung des Kriegsrechts durch General | |
Jaruzelski 1981 bis zur berühmten Rede Walesas vor dem amerikanischen | |
Kongress 1989, die er mit den Worten aus der US-Verfassung begann „We, the | |
people.“ Es ist die einzige Szene, in der Wajda Originalbilder mit Walesa | |
als Redner zeigt. | |
„Polen braucht diesen Film“, erklärt Andrzej Wajda. „Das Land ist so | |
zerstritten. Dabei gibt es eine Geschichte, auf die alle Polen stolz sein | |
können.“ Seit Anfang Oktober waren schon zehntausende Polen in dem neuen | |
Kultfilm. Manche Kinos spielen ihn zehnmal am Tag hintereinander. | |
Die Reporterin Fallaci und Walesa mochten sich nicht. Die weltgewandte | |
Intellektuelle fand Walesa primitiv und überheblich. Walesa wiederum ging | |
ihr aggressive Fragestil auf den Geist. Im Film spürt man das kaum, da | |
stimmt die Chemie. Doch besonders gut kommt Walesa in den Interviewszenen | |
nicht weg. Von Hagiografie keine Spur. Und was meint der Filmprotagonist? | |
Verärgert sagte Walesa nach der Premiere: „So ein aufgeblasener Wichtigtuer | |
war ich aber wirklich nicht.“ Doch auch er hofft, wie viele Polen, auf | |
einen Oscar für „Walesa. Mann der Hoffnung“. | |
12 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
GABRIELE LESSER | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |