# taz.de -- Ein Makler, der seine Möglichkeiten nutzte | |
> Rolf J., dank „Bild“ bekannt als Florida-Rolf, wird vermutlich bald ins | |
> deprimierende Deutschland zurückkehren müssen | |
So schnell hat noch kein Sozialhilfeempfänger eine Gesetzesänderung | |
bewirkt: Vor gut zwei Wochen war Rolf J., 64, erstmals unter dem Namen | |
„Florida-Rolf“ auf Seite eins der Bild. Die Schlagzeile: „Er lacht uns al… | |
aus! – Deutsches Sozialamt zahlt ihm Wohnung in Florida!“ Gestern stellte | |
Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) ein Gesetz gegen „Sozialhilfe unter | |
Palmen“ vor. | |
Der Fall: Rolf J. aus Osnabrück zog 1983 nach Florida, nachdem seine Ehe in | |
Deutschland gescheitert war. Er lebte in den Vereinigten Staaten als | |
selbstständiger Immobilienmakler, bis er nach einem Defekt an der | |
Bauchspeicheldrüse nicht mehr arbeiten konnte. Vom Landessozialamt | |
Niedersachsen bekommt er jetzt im Monat 783 Euro Miete für sein | |
60-Quadratmeter-Appartment in der Collins Avenue, Miami, zwei Minuten bis | |
zum Strand. Mitte August urteilte das niedersächsische | |
Oberverwaltungsgericht, dass sich Rolf J. eine günstigere Wohnung suchen | |
muss – aber sechs Monate Zeit dafür bekommt. Rolf J. hält das laut Bild für | |
unzumutbar: „Dann brauche ich ein Auto. Das muss mir das deutsche Sozialamt | |
bezahlen. Hier in Amerika gehört ein Auto zu den lebensnotwendigen Dingen.“ | |
Zusätzlich zur Miete bekommt Rolf J. 646 Euro Lebensunterhalt, 78.60 Euro | |
Hygienebedarf, 124,60 Euro für Krankenkost, 129 Euro Mehrbedarfszuschläge | |
und 146 Euro für eine Putzfrau. Zu Bild sagte er: „Ich hatte schon mit 35 | |
Jahren drei eigene Bankfilialen, ein Millionenvermögen. Ich habe immer | |
meine Steuern bezahlt. Außerdem habe ich meinen Vater im Krieg verloren. | |
Ich habe genug für Deutschland getan.“ | |
Sein Frankfurter Anwalt sagte dem Spiegel: „Mehrmals hat Rolf J. versucht, | |
sich wieder in Deutschland zurechtzufinden. Doch nach wenigen Tagen schon | |
hat sich sein psychischer Zustand enorm verschlechtert.“ | |
Bild brachte „Florida-Rolf“ in den vergangenenWochen mehrmals auf der | |
ersten Seite, indem das Blatt seine Geschichte häppchenweise | |
veröffentlichte. Eines der dort abgedruckten Zitate von Rolf J.: „Die | |
Deutschen sollen sich nicht so aufregen über die paar Dollar, die ich | |
bekomme. Da gibt es ganz andere Probleme. Ich nutze eine gesetzliche | |
Möglichkeit.“ Darum wurde sein Fall zum Aufreger: Rolf J. war kein | |
Betrüger. Er löste Wut aus, weil er das Sozialhilfesystem nicht verletzte, | |
sondern es bis zum Ende ausreizte. | |
Für ein Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Lüneburg begutachtete der | |
forensische Psychiater Dr. Jürgen Lotze vor drei Jahren Rolf J., der nach | |
seinem Ergebnis „ein tief depressiver Mensch“ sei. In Miami habe er ein | |
soziales Umfeld aufgebaut, das er in Deutschland nicht mehr habe, sagte | |
Lotze dem Spiegel. „Eine Rückkehr hier nach Deutschland hätte Rolf J. aus | |
seinem gewohnten Umfeld herausgerissen und eine schwerwiegende psychische | |
Beeinträchtigung für ihn bedeutet.“ Der Gutachter hatte allerdings nicht zu | |
beurteilen, ob Rolf J. eine Rückkehr trotzdem zuzumuten gewesen wäre, | |
sondern nur, ob es seinen Zustand verschlechtert hätte: „Das konnte ich aus | |
guten Gründen bejahen.“ | |
Wenn das von Sozialministerin Ulla Schmidt geplante Gesetz in Kraft tritt, | |
wird Rolf J. nichts anderes übrig bleiben, als in das Land zurückzukehren, | |
das er 1983 verließ: In den USA wird er keinerlei Unterstützung aus | |
Deutschland mehr bekommen. | |
SEBASTIAN HEISER | |
3 Sep 2003 | |
## AUTOREN | |
SEBASTIAN HEISER | |
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