# taz.de -- Ein Biobauer ist witzig geworden | |
> Handys, Fernsehauftritte und verliebte Treckerfahrten: ein Biobauer und | |
> die Härten des ganz normalen Landlebens | |
Der Biobauer Matthias Stührwoldt aus Schleswig Holstein, 60 Hektar, 40 | |
Kühe, verheiratet, fünf Kinder, eine Schwiegermutter, die tippen kann, hat | |
29 Geschichten aus seinem Leben bei der „Edition Bauernstimme“ | |
veröffentlicht – unter dem Titel „Verliebt Trecker fahren“. Die erste | |
handelt von seiner Liebe zu der jungen Buchhändlerin Frida. Einmal gelang | |
es ihm, sie zu sich aufs Land einzuladen, wo in der Nachbarschaft eine | |
Party stattfand. Frida und er fuhren mit einem nagelneuen Fendt-Trecker und | |
einem Strohanhänger dort hin. Auf diesem übernachteten sie anschließend | |
auch: „Frida sank in meine Arme und seufzte: ‚Ach, dein Fendt ist soo | |
stark!‘ “ | |
Aus Versehen begann der Autor seine Landwirtschaftslehre bei einem üblen | |
Leuteschinder. Irgendwann langte es ihm: „Schäper, du bist ein Arschloch!“, | |
sagte er zu seinem Lehrherrn und kündigte. Er kaufte sich eine Flasche Sekt | |
und holte die mit ihm befreundete Azubi Christine ab: „Wir setzten uns – | |
zur Feier des Tages – in die nächste Bushaltestelle und tranken einen. Was | |
auch immer folgen würde – es würde besser sein als die Zeit bei Schäper in | |
Hechthude.“ | |
Dass er dann seine Lehre auf einem Biohof fortsetzen wollte, traf seinen | |
Vater tief, er sagte: „Die kommen vor Hunger nicht in den Schlaf.“ Als eine | |
Hofbesichtigung anstand, überredet er ihn dennoch, dort hin zu kommen: „Und | |
was ist, wenn mich jemand erkennt?“, wich der aus, sein Sohn entgegnete: | |
„Vater, du gehst nur auf einen Biohof, nicht in einen Sexshop!“ | |
Nun ist der Vater Altenteiler, der Sohn bewirtschaftet den Hof ökologisch, | |
aber schon beschleicht den ein schrecklicher Verdacht: „Was geschieht, wenn | |
meine Tochter oder mein Sohn als Hofnachfolger sich von ihrem ökologisch | |
wirtschaftenden alten Sack dadurch absetzen wollen, dass sie auf | |
Hightech-Landwirtschaft setzen, auf Gentechnik und diesen ganzen | |
Satellitenmist? Ich werde es nicht zulassen, dass sie Monsanto-T-Shirts | |
tragen oder dämliche Pestizidwerbung auf Baseballcaps!“ | |
Neben Jugendlieben, Traktoren und Buswartehäuschen thematisiert Bauer auch | |
immer wieder gern seine Tiere: Besonders wenn die weiblichen Rinder | |
(Starken) mal wieder ausgebrochen sind – dann ist die Kacke am Dampfen. | |
Einmal gelang das einer ganzen Gruppe, die schnell raus hatte, dass auch | |
Elektrozäune sie nicht aufhalten konnten – wenn sie einfach durchstürmten: | |
„Zing!“ In Rathlau „war inzwischen das ganze Dorf auf den Beinen“, um d… | |
Viecher wieder einzufangen. „Zeitungsreporter bevölkerten die Straßen, | |
Kamerateams der privaten Idiotensender flogen in Hubschraubern übers Feld.“ | |
Endlich hatte er die Starken alle wieder auf dem Hänger – bis auf eine. | |
Über eines der Idiotensendermikrofone konnte er sich direkt an sie wenden: | |
„Oh, Starki, ich liebe dich und vermisse dich so! Wo immer du steckst, | |
bitte melde dich!“ Am nächsten Tag kam ein Anruf: Ein Bauer hatte sie | |
eingefangen. „Ich hatte eine solche Wut auf das Vieh, dass ich ihm den Rest | |
des Betäubungsmittelkanisters in den Schinken knallte …“ Wenig später wur… | |
es als „Anstifterin allen Übels“ verkauft. Aber der nächste Aufrührer li… | |
nicht lange auf sich warten: „Es war ein schwarzbuntes Kälbchen, süß | |
anzusehen. Noch heute bin ich überzeugt, dass es von irgendeinem fiesen | |
Geheimdienst darauf angesetzt wurde, mich gezielt in den Wahnsinn zu | |
treiben“: Schon gleich nach der Geburt sprang es aus dem Kälberstall und | |
lief wieder auf die Weide zurück. Als er es einfangen wollte, sprang es | |
durch zwei Zäune und verschwand. Kurz vor der Autobahn blieb es im Gestrüpp | |
stehen. Er holte es ein, warf sich auf das Kalb und drückte es nieder: „Ich | |
hatte es geschafft, hatte es bezwungen. Ich blieb noch eine Viertelstunde | |
auf ihm liegen. Das reichte. Heute sind wir beste Freunde, und Briefmarke – | |
so heißt das platte Tier – ist die liebste Kuh im Stall.“ | |
Die Erlebnisberichte werden abgerundet mit kleinen Alltagsforschungen – | |
über „bäuerliche Badezimmer“, Handys in Bauernhänden, Bauernauftritte im | |
Fernsehen und die „Benamung von Bullen“ – vor allem durch seine älteste | |
Tochter Marie: „zeitweise selbst ernannte Gleichstellungsbeauftragte“ auf | |
dem Hof. | |
HELMUT HÖGE | |
29 Nov 2004 | |
## AUTOREN | |
HELMUT HÖGE | |
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