# taz.de -- Ehrenbürger: „Kein lupenreiner Demokrat“ | |
> Die Bürgerschaft streitet darüber, ob man Verbrechen der Nazis | |
> relativiert, wenn man Ex-Reichspräsident Paul von Hindenburg ablehnt. | |
Es war der Satz, der den demokratischen Grundkonsens infrage stellte: „Wer | |
heute den Namen Hindenburgs aus der Ehrenbürgerliste tilgen will, trägt | |
dazu bei, das Ausmaß der NS-Verbrechen zu relativieren“, sagte die | |
SPD-Abgeordnete Loretana de Libero am Donnerstagabend in der Bürgerschaft. | |
Damit spaltete die Geschichtsprofessorin an der Führungsakademie der | |
Bundeswehr in Blankenese nach fast einstündiger ernster und seriöser | |
Debatte über die Ehrenbürgerschaft des Generalfeldmarschalls und | |
Reichspräsidenten Paul von Hindenburg das Bündnis aus SPD, Grünen, FDP und | |
Linken. | |
Grüne und Linke sahen sich als „Verharmloser von NS-Verbrechen diffamiert“, | |
so die FraktionschefInnen Dora Heyenn (Linke) und Jens Kerstan (Grüne). | |
Beide Fraktionen wollten Hindenburg die 1917 verliehene Ehrenbürgerschaft | |
aberkennen, weil er als „Steigbügelhalter Hitlers den Weg in die | |
NS-Diktatur geebnet“ habe. Adolf Hitler und Hermann Göring war die während | |
der NS-Zeit verliehene Ehrenbürgerwürde im Juni 1945 umgehend wieder | |
entzogen worden. Würde dies jetzt auch bei Hindenburg gemacht, würde das, | |
so beharrte de Libero, „der Einzigartigkeit der Verbrechen der Nazi-Zeit“ | |
nicht gerecht. | |
In einem gemeinsamen Antrag hatten die vier Fraktionen links von der CDU | |
einen Kompromiss formuliert. Hindenburg sollte Ehrenbürger bleiben, aber | |
die Öffentlichkeit sollte „über die betreffenden Persönlichkeiten, die | |
historischen Zusammenhänge und die Gründe, die jeweils zur Verleihung | |
geführt haben, angemessen informiert werden“. Deshalb müssten in | |
offiziellen Darstellungen alle Hamburger Ehrenbürger, „insbesondere derer | |
vor 1945“, auch anhand neuer Forschungserkenntnisse „kritisch hinterfragt | |
werden“. Dieser kleinste gemeinsame Nenner zerbröselte in der Debatte. | |
Grüne und Linke drohten, vom eigenen Antrag zurückzutreten, weil dessen | |
Interpretation durch die SPD, so Kerstan, „der schlimmste Vorwurf ist, der | |
einem demokratischen Politiker gemacht werden kann“, auch die FDP ging auf | |
Distanz zur SPD. Nach internen Beratungen hinter verschlossenen Türen | |
sprach SPD-Fraktionschef Andreas Dressel die geforderte Entschuldigung an | |
Grüne und Linke aus: „Es war nicht unsere Absicht, Ihnen zu unterstellen, | |
Sie würden die Verbrechen der Nazizeit relativieren.“ Jetzt soll bis zum | |
Herbst im Kulturausschuss unter Vorsitz des Linken Norbert Hackbusch ein | |
belastbarer Konsens gefunden werden. | |
Die CDU hatte sich weitgehend aus der Diskussion herausgehalten. Zwar sei | |
Hindenburg „kein lupenreiner Demokrat“ gewesen, die Debatte aber | |
überflüssig. Und offen ist, ob Historikerin de Libero sich noch mal zu | |
Themen der deutschen Geschichte wird äußern dürfen. | |
24 May 2013 | |
## AUTOREN | |
Sven-Michael Veit | |
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