# taz.de -- Dossier Flughafen Istanbul: Ein Megaprojekt und seine Folgen | |
> Der Flughafen Istanbul soll der größte der Welt werden. Doch für ihn sind | |
> Bauarbeiter gestorben, und die Umwelt wurde zerstört. Ein Dossier. | |
Bild: Der neue Flughafen Istanbul nimmt nun seinen Regelbetrieb auf | |
Der Start der Turkish Airlines-Maschine, die am 6. April um 14.30 Uhr vom | |
neuen [1][Istanbuler Flughafen] in Richtung Ankara abhob, wurde im | |
türkischen Staatsfernsehen live übertragen. Nachdem die Aufnahme des | |
Regelbetriebs am Flughafen Istanbul mehrmals verschoben worden war, war es | |
nun soweit: Mit dem ersten Flug in die Hauptstadt ist das Megaprojekt | |
offiziell in Betrieb. | |
Der Flughafen Istanbul ist in jeder Hinsicht ein Projekt der Superlative. | |
Für das gigantische Areal von 76,5 Millionen Quadratmetern wurden Millionen | |
Bäume abgeholzt und Millionen Kubikmeter Beton gegossen. Bisher flossen | |
[2][10,3 Milliarden Euro] in das Megaprojekt. Beim Bau sind nach | |
offiziellen Zahlen [3][55 Arbeiter bei Arbeitsunfällen ums Leben gekommen]. | |
Nach nur 42 Monaten wurde der Flughafen von Staatspräsident Erdoğan am 29. | |
Oktober 2018, dem Tag der Republik, mit einer feierlichen Zeremonie | |
eröffnet. Doch erst mit dem großen Umzug vom Atatürk-Flughafen auf das neue | |
Gelände am 6. April ging der Flughafen Istanbul in den Regelbetrieb. | |
Anfangs sollen hier [4][90 Millionen Passagier*innen pro Jahr] fliegen. Mit | |
sechs Landebahnen und einer Kapazität von 200 Millionen Fluggästen pro Jahr | |
soll der Flughafen bis 2028 der größte der Welt werden. | |
Mit Megaprojekten wie dem Flughafen legitimiert Staatspräsident Erdoğan | |
seine Macht und setzt sich ein Denkmal. „Wundert euch nicht, wenn ihr in | |
Istanbul bald einen dritten Flughafen seht“, sagte er bereits im Oktober | |
2010, „zwei Flughäfen in Istanbul kommen der Nachfrage nicht nach.“ 2010 | |
hatte die Welt noch ein anderes Bild vom türkischen Präsidenten, | |
Politikwissenschaftler*innen sprachen vom „Türkischen Modell“, das liberale | |
Demokratie und Islam miteinander vereine. Die Türkei wurde als Beispiel für | |
andere Länder in der Region gehandelt. Eine der wichtigsten | |
Legitimationsgrundlagen für die AKP war der wirtschaftliche Aufschwung in | |
der Türkei. | |
Was internationale Beobachter*innen zu jenen Zeiten übersahen: Der | |
ökonomische Aufstieg war kein nachhaltiger, er basierte auf Auslands- und | |
Privatverschuldung, der Bausektor war dabei zentral, Megaprojekte wie die | |
dritte Brücke oder der dritte Flughafen waren hier nur die Spitze des | |
Eisbergs. | |
Wenn heute der neue Flughafen im Nordwesten von Istanbul seinen Betrieb | |
aufnimmt, sehen die Dinge anders aus als 2010: Die Wirtschaft rutschte Ende | |
2018 in die Rezession, die Lira verlor unaufhaltsam an Wert, die | |
Gesellschaft ist polarisiert und die AKP gerät zunehmend in eine politische | |
Legitimationskrise. Wenige Tage zuvor hatte Erdoğans AKP bei den | |
Kommunalwahlen die politischen und ökonomischen Zentren Ankara und Istanbul | |
verloren. | |
## Welche Folgen hat das Megaprojekt? | |
In der öffentlichen Debatte um den Flughafen scheint es nur zwei Meinungen | |
zu geben: Für die AKP und deren Anhänger*innen ist dieser Flughafen ein | |
Symbol für wirtschaftlichen Aufschwung und Stärke. Das Prestigeprojekt | |
repräsentiert die Erfolgsgeschichte der Regierungspartei und deren „neue | |
Türkei“. Oppositionelle Stimmen kritisieren derweil das [5][Wachstum um | |
jeden Preis], die [6][Folgen für die Umwelt], die [7][Arbeitsbedingungen] | |
und die [8][vielen tödlichen Unfälle] auf der Baustelle. | |
Dabei bleiben viele Fragen offen. Weshalb sind beim Bau so viele Menschen | |
gestorben? Wie wirkt sich das Projekt auf die Umwelt in der betroffenen | |
Region aus? Wie konnte es in nur 42 Monaten fertiggestellt werden? Ist der | |
Flughafen für seine potentiellen Nutzer praktikabel? Gab es für ein solches | |
Projekt tatsächlich Bedarf? | |
Der Bau des Megaprojekts wurde ermöglicht durch ein | |
[9][Subunternehmen-System], das außer Kontrolle geraten ist und unsichere | |
Arbeitsbedingungen nach sich zieht. Darunter leiden nicht nur Arbeiter aus | |
der Türkei, sondern auch [10][Leiharbeiter aus dem globalen Süden]. Selbst | |
manche Leiharbeitsfirma ist daran zugrunde gegangen. Bauarbeiter, die gegen | |
die Verhältnisse auf der Baustelle protestierten, wurden festgenommen, | |
[11][61 von ihnen wird der Prozess gemacht]. Zeitdruck und Konkurrenz unter | |
den Auftragnehmern führen dazu, dass in der türkischen Baubranche die | |
[12][meisten tödlichen Unfälle] geschehen. Auch deutsche Unternehmen | |
erhielten [13][lukrative Aufträge] und werden in Zukunft am | |
Flughafenbetrieb verdienen. | |
Mit jedem großen Infrastrukturprojekt wächst Istanbul weiter. Um den neuen | |
Flughafen herum steigen die Immobilienpreise und [14][die Stadt schluckt | |
die umliegenden Dörfer]. Für den neuen Flughafen wurden Millionen Bäume | |
geschlagen und Hunderttausende Tiere verloren ihren Lebensraum. Er liegt | |
[15][auf der Route der Zugvögel], die im Frühling über den Bosporus ziehen. | |
Das gefährdet nicht nur die Störche, sondern stellt ein Risiko für die | |
Flugsicherheit dar: Zusammenstöße von Vögeln und Flugzeugen können die | |
Triebwerke beschädigen und zu Flugzeugunfällen führen. | |
Nicht nur vor den ökologischen, auch vor den wirtschaftlichen Folgen warnen | |
Expert*innen: Bei dem [16][öffentlich-privaten Betreibermodell], mit dem | |
der Flughafen finanziert wird, trägt die öffentliche Hand das Risiko. Falls | |
die kalkulierten Passagierzahlen nicht erreicht werden, müssen die | |
Steuerzahler*innen dafür aufkommen. Passagier*innen, die vom Flughafen | |
Istanbul abfliegen, müssen sich derweil auf [17][lange Wege] gefasst | |
machen: Bisher gibt es keine Bahnverbindung zum dezentralen Flughafen. | |
Mit Grafiken, Videos, Reportagen und Interviews beleuchtet taz.gazete die | |
Folgen des Megaprojekts für Menschen, Umwelt und Wirtschaft. | |
Lesen Sie das ganze Dossier unter [18][taz.de/flughafen-istanbul] | |
7 Apr 2019 | |
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