Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- „Die ließen ihren Frust raus“
> Olaf Leitner trat mit seiner Band Team Beats Berlin 1965 als Vorgruppe
> der Rolling Stones in der Waldbühne auf. Weil das Konzert keine halbe
> Stunde dauerte, zerlegten die Fans die Einrichtung
Interview Gunnar Leue
taz: Herr Leitner, Sie haben am 15. September 1965 mit den „Team Beats
Berlin“ im Vorprogramm der Rolling Stones in der Waldbühne gespielt. Es
wurde aufgrund der anschließenden Faneskalation zu einem der legendärsten
Rockereignisse in Berlin überhaupt. Spürten Sie damals schon den
historischen Augenblick?
Olaf Leitner: Der Auftritt war schon etwas Besonderes, da die Rolling
Stones 1965 bereits einen legendären Ruf besaßen. Vor allem die Kulisse war
toll für uns, denn wir haben ja sonst überwiegend in Tanzbuden gespielt.
Eigentlich waren wir eine Jugendfreizeitheimband und übrigens nur eine von
drei Vorbands der Stones.
Welche Musik spielten die Team Beats?
Ich würde sagen Rhythm and Blues. Unserer Vorbilder waren Van Morrison,
damals noch bei Them, John Lee Hooker, und natürlich haben wir den besseren
Hitparadenkram gespielt wie The Who.
Wie kamen Sie ins Vorprogramm der Rolling Stones?
Wir besaßen immerhin einen Manager und der war einigermaßen professionell.
Er hat uns immer als die Allergrößten vermarktet, zumindest als die größte
Amateurband Deutschlands, was wir eigentlich eher peinlich fanden. Er
brachte uns auch dauernd mit kleinen Skandälchen in die Zeitung. Weil ein
Musiker von uns Finanzbeamter lernte, fragte einmal sogar die Bild-Zeitung
auf Seite eins: Beamtenbeatle, geht das überhaupt? Durch seine Cleverness
hatte uns unser Manager aber auch mal einen Gig im legendären Starclub
Hamburg beschafft und dafür gesorgt, dass wir sogar bezahlt wurden, während
andere Bands wochenlang auf ihre Gage warten mussten. Für den Auftritt beim
Stones-Konzert haben wir allerdings keinen Pfennig gesehen. Da lautete der
Deal: Okay, ihr könnt vorher spielen, kost’ ja nix. Wir waren natürlich
trotzdem heiß drauf.
War das Publikum auch heiß auf die Team Beats?
Na ja, die absolute Mehrheit der 22.000 Zuschauer wollte natürlich nur die
Stones sehen und nicht die Vorgruppen. Deshalb hatte ein Teil des Publikums
für uns im wahrsten Sinne des Wortes nur ’n Appel und ’n Ei übrig, die sie
während unseres Auftritts auf die Bühne warfen. Nach zwanzig Minuten traten
wir wieder ab.
Hatten Sie persönlichen Kontakt zu den Rolling Stones?
Wir hatten keinen direkten Kontakt zu den Musikern, bis auf einen kurzen
Moment, als sie nach ihrer Show von der Bühne stürzten und ich im Getümmel
von Mick Jagger einen Schubs in den Rücken bekam. Wir hatten im
Katakombengang gestanden und wollten die Stones abpassen, weil wir
ernsthaft daran dachten, sie noch auf ein Bier einzuladen. Aber die sind
nach ihrem Kurzauftritt sofort ins Auto und ab ins Hotel. Ihr Konzert hatte
gerade mal 20 bis 25 Minuten gedauert.
War das auch der Auslöser für die anschließende Randale, bei der die
Waldbühne komplett zerlegt wurde?
Sicherlich. Außerdem hatte der Veranstalter das Licht ausgeknipst, wie er
überhaupt alles falsch machte, was falsch zu machen war. Aber der Mann,
irgendein Kneipier vom Wittenbergplatz, hatte auch gar keine Erfahrung mit
so einem Großkonzert. Jedenfalls waren die Zuschauer stinksauer, als die
Zugaben ausblieben. Zwar zogen die meisten Fans friedlich ab, aber ein
harter Kern tickte völlig aus. Der zertrümmerte systematisch die Holzbänke
in den Sitzreihen.
Was haben Sie und Ihre Band gemacht?
Wir schauten uns das von oben an, wobei mir vor allem das Geräusch
unvergesslich ist. Es klang wie das Knistern bei einem Waldbrand in einem
Talkessel, als die Leute die Bänke zertraten. Die ließen ihren ganzen Frust
raus, zumal die Stimmung bereits vor dem provokant kurzen Auftritt der
Stones aufgeladen war. Dazu hatte die Presse ihren Teil beigetragen.
Weil Beatmusiker und speziell die Rolling Stones 1965 auch im Westen noch
als schlimme Vorbilder für die Jugend galten?
Aber natürlich. Selbst in der Zeit, die schon damals ein liberales
Kulturblatt war, stand nach einem Beatles-Konzert in Hamburg: Wir haben uns
mal einen Scherz erlaubt und statt eines Polizeireporters einen
Musikkritiker hingeschickt. Zwar war es nicht ganz so ein Haudrauf wie in
der DDR, weil die neue Jugendbewegung im Westen kein Politikum war, aber
spießige Reaktionen gab es auch hier zur Genüge. Bis hin zu Sprüchen der
braven Bürger, die Gammler müsste man alle vergasen.
War der Gewaltausbruch ein Schock für die Öffentlichkeit?
Ja. Danach gab es beispielsweise auch in der linksgerichteten Zeitschrift
Blickpunkt des Berliner Landesjugendrings eines der ersten soziologischen
Streitgespräche zum Thema Jugendkrawalle als neues Phänomen in Deutschland,
an dem ich teilnahm.
Das Konzert hatte weit größere Folgen in der DDR, wo das 11. Plenum des ZK
der SED ein paar Wochen später einen harten Kurs gegen die
Kulturschaffenden beschloss. Auch für die Ostmusiker war nun Schluss mit
dem „Yeah, yeah, yeah“, wie Staatschef Ulbricht verkündete.
Die DDR-Kulturadministration hatte schlicht panische Angst: Oh Gott, wenn
das bei uns passiert! Daraufhin wurden ja auch viele Bands in der DDR
gegängelt oder sogar mit Auftrittsverboten belegt.
1969 lief in der DDR das Gerücht um, die Rolling Stones würden auf dem
Springer-Hochhaus spielen, ausgerechnet am 7. Oktober, dem
DDR-Nationalfeiertag. Tausende Fans strömten dorthin, nur die Stones
spielten nicht, das Ganze endete mit Massenverhaftungen. Die Stasi
vermutete hinter dem Gerücht den Rias, war es so?
Ich habe absolut keine Ahnung, was diese Sache betrifft. Ich war damals
gerade erst ein Jahr beim Rias, der als Reaktion auf den Jugendsender DT64
in der DDR ein durchgehendes Programm aufbaute und Leute wie mich und Barry
Graves oder Gregor Rottschalk geholt hatte. Jedenfalls hatte ich die
Geschichte mit dem angeblichen Stones-Auftritt völlig verpennt.
Werden Sie zum Konzert ins Olympiastadion gehen?
Nein, ich habe sie oft genug gesehen und mir ist die „Guck mal, wie gut die
noch drauf sind“-Nummer eher peinlich.
21 Jul 2006
## AUTOREN
Gunnar Leue
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.