# taz.de -- Die Maus wird 40: Bis es auch der letzte Hirni kapiert hat | |
> Sie hat Millionen Kindern die Welt erklärt. Am Montag feiert die "Sendung | |
> mit der Maus" 40. Geburtstag. Der Vater der Maus, Armin Maiwald, erklärt, | |
> wie das bis heute funktioniert. | |
Bild: Der Fernsehstar und seiner Macher (v.l.n.r): Regisseur Christoph Biemann,… | |
Wenn ihre Heimatstadt auf dem Höhepunkt des Karnevalstaumels kocht, hat sie | |
Geburtstag: am Sonntag, den 7. März 1971 um halb zwölf trippelte die Maus | |
zum allerersten Mal über die deutschen Bildschirme. Auf den Tag genau | |
vierzig Jahre später ist zufällig Rosenmontag, und weil es ihr Geburtstag | |
ist, hat die Maus einen eigenen Wagen, auf dem sie im Rosenmontagszug durch | |
Köln fährt. | |
Das ist nur gerecht: Schließlich widmete sie dem Karneval einst eine ganze | |
Sendung, die Karnevalsmaus, um den Kindern zu erklären, was das bedeutet, | |
wenn die fünfte Jahreszeit beginnt, obwohl es doch eigentlich nur vier | |
gibt. | |
Seit vierzig Jahren also erklärt die "Sendung mit der Maus" in ihren | |
Sachgeschichten den Kindern die Welt. Zum Beispiel, warum Löcher im Käse | |
sind (O-Ton: "Die Bakterien im Käse lassen ab und zu nen Furz"). Oder | |
woraus Legosteine gemacht sind (aus Erdöl). Und was der Unterschied | |
zwischen "dasselbe" und "das Gleiche" ist (der Selbstversuch zeigt: Zwei | |
verschiedene Menschen können zwar den gleichen Pulli anziehen, aber nicht | |
denselben - oder nur sehr umständlich). | |
In vierzig Jahren konnte die Sendung mit der Maus vielen Kindern erklären, | |
wie die Dinge so laufen in der Welt. Deswegen schauen heute nicht nur | |
Kinder zu, sondern auch viele Erwachsene, die sich an ihre Kindheit | |
erinnern und dabei immer wieder feststellen: So viel hat sich in der | |
Zwischenzeit bei der Maus ja gar nicht verändert. | |
"Doch", sagt Armin Maiwald. Der Armin ist von Anfang an dabei, er hat die | |
Sendung mit der Maus quasi mit erfunden. "Die Maus hat sich permanent | |
verändert. Nur eben in kleinen Schritten. Die Kunst besteht darin, eine | |
Balance zu finden zwischen dem Vertrauten und irgendetwas Neuem. | |
Mit solchen Sachen muss man ganz vorsichtig sein." Denn die Kinder | |
reagieren schnell, sie schreiben dem Armin, dem Christoph Biemann und dem | |
Ralph Caspers, wie sie die Sendung so fanden, und dabei sind sie knallhart | |
ehrlich. | |
So kamen im Laufe der Zeit Käptn Blaubär und Shaun das Schaf zu den | |
Lachgeschichten hinzu und wurden berühmt, wie der Maulwurf, der schon | |
länger da war. Weil auch die Maus irgendwann einen Freund brauchte, wurde | |
der Elefant erfunden, und weil die beiden von Hause aus weder schwimmen | |
noch fliegen konnten, erschuf man die Ente, die kann nämlich beides. | |
Das Erfolgsgeheimnis der Maus ist unter anderem natürlich sie selbst. Die | |
Künstlerin Isolde Schmitt-Menzel hat sie erfunden, der Zeichentrickfilmer | |
Friedrich Streich zeichnet sie. Diese große orange Maus, die mit den Augen | |
klackert und mit den Füßen tackert, die stets freundlich zu sein scheint, | |
die immer neugierig ist, der ständig etwas einfällt, die sich ohne Weiteres | |
ihren Schwanz ausrupfen kann, um ihn zu irgendetwas umzufunktionieren - | |
fast unmöglich, sie nicht zu mögen. | |
Ein weiterer Grund für den großen Erfolg ist die Ernsthaftigkeit, mit der | |
sich die Macher mit den Kindern auseinandersetzen, sowohl innerhalb der | |
Sendung als auch bei zufälligen Treffen im wahren Leben auf der Straße. | |
"Die Kinder merken schnell, ob man in echt so ist wie im Fernsehen", sagt | |
der Ralph, "und wenn man ganz anders ist, hinterlässt das ein komisches | |
Gefühl. Das ist bei uns, glaube ich, nicht so." | |
"Zu mir sagen die Leute oft: du redest ja genauso wie im Fernsehen", sagt | |
der Armin, der in echt genauso redet wie im Fernsehen. "Und ich sag immer: | |
ja, klar." (Der Christoph, das ist der mit dem grünen Pullover, kommt im | |
Fernsehen immer ein bisschen trottelig rüber. In echt sieht er zwar genauso | |
aus, aber trottelig wirkt er nicht. Mehr bleibt unbekannt, denn der | |
Christoph wird parallel von jemand anderem interviewt.) | |
Die Art und Weise, wie die Sachgeschichten oft sehr komplexe Zusammenhänge | |
unkompliziert darstellen, ist auch von dieser Ernsthaftigkeit im Umgang mit | |
den jungen Zuschauern geprägt. "Die Fragen kommen zu 99 % von den | |
Zuschauern, Erwachsenen und Kleinen", erklärt der Armin. "Wir müssen uns | |
damit auseinandersetzen und zusehen, dass wir eine Lösung finden. Meistens | |
hab ich am Anfang auch keine Ahnung." | |
Sachen, die schwierig zu verstehen sind, einfach ungenau zu erklären, ist | |
nicht drin. "Ich hab keine Probleme, zu sagen: hab ich immer noch nicht | |
verstanden", sagt der Ralph. "Die Experten, die wir fragen, beißen sich | |
dann die Zähne an uns aus und müssen das so erklären, dass es auch Hirnis | |
wie wir kapieren. Dann können wir eine Geschichte daraus machen, die die | |
Kinder verstehen." | |
Als die Sendung mit der Maus vor vierzig Jahren startete, sah die | |
Fernsehlandschaft in Deutschland noch ganz anders aus. Das Kinoverbot, das | |
Kindern bis zum sechsten Lebensjahr untersagte, ins Kino zu gehen, galt | |
auch fürs Fernsehen - die Kinder schauten aber trotzdem. Also erfand man | |
Programme für Kinder. | |
"Die sollten möglichst ganz langsam sein, mit irgend so einer Tante, die | |
bastelt, oder einem Onkel, der was vorliest", erzählt der Armin. "So sah | |
das auch aus. Die Kinderchen saßen in Sonntagskleidern im Studio und | |
fühlten sich sichtlich unwohl." | |
Mit dem damaligen Redakteur beim WDR, Gerhard Müntefering, entstand die | |
Idee, es anders zu versuchen, rauszugehen, den Kindern Geschichten aus der | |
Welt zu erzählen. "Weil damals schon viele Kinder in der Stadt wohnten und | |
kein Verhältnis mehr zu Nahrungsmitteln hatten, haben wir damit angefangen. | |
Die ersten Filme hießen ,Brötchen', ,Milch' und ,Ei'. Weil wir den | |
Bestandteil Sehen unterstreichen wollten, hatten sie keinen Kommentar, nur | |
Musik." Es war ein großer Flop. "Es gab nichts, was wir nicht auf die Ohren | |
bekommen hätten: Ihr macht unsere Kinder sprachlos. Es geht viel zu | |
schnell. Ihr seid Handlanger des Kapitals, ihr zeigt nicht die | |
ausgebeuteten Massen. Ihr übergießt die Wirklichkeit mit einer himbeerigen | |
Soße aus Musik. Wir waren ganz geknickt. | |
Dann dachten wir: vielleicht muss man hier und da doch ein Stichwort | |
geben." | |
Zwei Jahre später erhielt die Maus einen Bambi. Es folgten eine Menge | |
weitere Preise, unter ihnen der Grimme-Preis, die Goldene Kamera, der | |
Deutsche Fernsehpreis, das Bundesverdienstkreuz für Armin und Christoph - | |
und der Preis der beleidigten Zuschauer, wegen häufiger Verdrängung durch | |
Programme für Erwachsene. | |
Wenn am Sonntag nach dem Rosenmontag die Geburtstags-Maus ausgestrahlt | |
wird, beginnt die große Türöffner-Aktion. Die Zuschauer waren aufgerufen, | |
der Maus zu schreiben, hinter welche normalerweise verschlossenen Türen sie | |
gerne einmal blicken würden. | |
"Wir verraten nix", sagt der Armin, "Wir wollten die Küchentür von Angela | |
Merkel, aber sie hat abgesagt. Wär lustig gewesen, aber ich kann sie | |
verstehen. Wenn da so Nasen wie wir in die Küche wollen …" Der Rest bleibt | |
geheim, aber der Armin und der Ralph sehen so aus, als wären dabei tolle | |
Geschichten rausgekommen. | |
Wer aufgepasst hat, der wird sich fragen: Wenn die Maus vierzig wird und | |
der Armin ist von Anfang an dabei, wie alt ist der denn dann? Die Antwort | |
ist: einunddreißig Jahre älter, also 71. Der Armin sagt deshalb: "Ich bin | |
der älteste Sack in der Truppe." Normalerweise ist man mit 71 Jahren schon | |
in Rente, doch der Armin denkt gar nicht an so was. | |
"Soll ich zu Hause sitzen und meiner Frau auf die Nerven gehen? Solange | |
mein Gehirn funktioniert und die Kinder mich noch mögen, mach ich weiter. | |
Es macht mir ja auch Spaß." Der Ralph muss grinsen und sagt: "Wir denken | |
sowieso alle schon an den 80. Geburtstag." Bevor es so weit ist: erst mal | |
herzlichen Glückwunsch zum Vierzigsten! | |
Die Geburtstagsendung mit der Maus wird Sonntag, den 13. März 2011, 11.00 | |
Uhr auf ARD gezeigt. | |
4 Mar 2011 | |
## AUTOREN | |
Benjamin Weber | |
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