# taz.de -- „Die Männer schlagen zurück“ | |
> „Backlash“ – eine Analyse der männlichen Angst vor der Autonomie der F… | |
> ■ Von Martina Burandt | |
Was wäre Bill Clinton ohne seine Hillary? Werden die Vereinigten Staaten | |
nicht in Wirklichkeit von der Ehefrau des Präsidenten geführt? Eine Frage, | |
die derzeit immer noch ganz Nordamerika bewegt. Und inmitten all dieser | |
Spekulationen bekam ein vor zwei Jahren in den USA erschienenes Buch neue | |
Aufmerksamkeit. Der Titel: „Backlash. The Undeclared War Against American | |
Women“. Die Autorin: Susan Faludi, Pulitzerpreisträgerin und Reporterin des | |
Wall Street Journal. Ein Jahr lang war „Backlash“ unangefochtener | |
Spitzenreiter der US-amerikanischen Bestsellerlisten. Mittlerweile liegt | |
das Buch, das in den Vereinigten Staaten schon beinah anachronistisch ist, | |
auch auf deutsch vor: „Die Männer schlagen zurück“ lautet hierzulande die | |
Übersetzung vom „Backlash“. | |
Der Krieg der Geschlechter steht im Mittelpunkt von Faludis systematischem | |
Rückblick auf die 80er Jahre. Auf mehr als 600 Seiten nimmt sie dem | |
backlash, dem „Gegenschlag“ den Wind aus den Segeln. Laut Faludi ist die | |
Teilhabe von Frauen an Macht, Geld und Einfluß – trotz formaler | |
Gleichberechtigung – zurückgegangen. Nach den Erfolgen der Frauenbewegung | |
in den 70er Jahren versucht die männliche Welt seit Anfang der 80er, Frauen | |
wieder in ihre traditionellen Rollen zurückzudrängen. Dieser backlash hat | |
Tradition. Er tritt immer dann in Erscheinung, wenn sich die Situation für | |
Frauen zum Positiven wendet. | |
Mit Hillary Clinton, so spekulieren US-Amerikanerinnen, kommt nun der | |
„Gegenschlag“ der Frauen. Folgt man jedoch Faludis Analyse und hört auf die | |
Stimmen kritischerer Zeitgenossinnen, so könnte die Publicity um Hillary | |
auch nur wieder eine besonders hinterlistige Form des männlichen backlash's | |
sein. Denn die Aufmerksamkeit, die die männlichen Machthaber beispielsweise | |
den Kindermädchen weiblicher Parlamentskandidatinnen schenkten, riecht | |
verdächtig nach „Gegenschlagsstrategie“. Wen interessierte je, wie | |
männliche Kandidaten ihre Kinder betreuen lassen? | |
Heutige Strategien des backlash's kommen subtil daher: „Man sagt uns, | |
Frauen hätten alles erreicht: die Gleichberechtigung sei gewonnen“, meint | |
Faludi. „Aber diese endlos wiederholte ,frohe Botschaft‘ wird durch eine | |
andere ausgehöhlt: Ihr seid zwar jetzt frei und gleichberechtigt, aber ihr | |
ward nie unglücklicher. Ihr fühlt euch ausgebrannt, ihr seid deprimiert, | |
verwirrt, hysterisch, ab 30 kriegt ihr keinen Mann mehr, und in all den | |
Jahren, die ihr nur eure Karriere im Kopf habt, versäumt ihr es, Kinder zu | |
bekommen, bis es zu spät ist.“ | |
Um Frauen gegeneinander aufzuwiegeln, agiert die neue Frauenfeindlichkeit | |
mit dem Slogan „Der Feminismus ist an allem schuld“. Er muß für | |
gesellschaftliche Entwicklungen herhalten wie die epidemische | |
Unfruchtbarkeit von berufstätigen Frauen, die das Kinderkriegen auf später | |
verschieben, oder die tiefen Depressionen und Burnout-Attacken, von denen | |
Single- und Karrierefrauen befallen werden. Eines haben all diese | |
backlash-Argumente gemeinsam: Sie sind nicht wahr. | |
Nicht der Feminismus hat die Frauen ins Unglück gestürzt, sondern die | |
männliche Wirklichkeit, die alles daran setzt, Macht zu behalten. Um dies | |
zu belegen, bemüht Faludi keine plumpen Feindbilder. Angefangen bei den | |
Medien über die Mode bis hin zu Arbeitsleben, Populärpsychologie, | |
Geburtenregelung und Politik – sie widerlegt ganz einfach jegliche | |
Unterstellung, indem sie sie an der Wirklichkeit mißt. | |
So löst sich schnell der Mythos von den berufstätigen Frauen, die die | |
Männerdomänen stürmen, auf. „Immer mehr Frauen werden Sekretärinnen“, h… | |
es bei Faludi sarkastisch. Denn in Wahrheit ist der Anteil von Frauen in | |
US-Spitzenpositionen gesunken, die Arbeitslosigkeit von Frauen erhöhte sich | |
drastisch, und die einzigen Jobs, in denen der Frauenanteil zunahm, waren | |
untergeordnete Bürotätigkeiten. Die Hauptursache für seelische Probleme | |
alleinstehender Frauen sind demnach nicht schlechte Heirats-, sondern | |
schlechte Beschäftigungschancen. | |
Die einflußreichste amerikanische Psychologiekommission nahm hingegen | |
gesellschaftlich bedingte Krisen von Frauen wie das „Prämenstruelle | |
Syndrom“ und „Paraphile Vergewaltigungsstörungen“ als krankhafte | |
Persönlichkeitsstörungen in ihr Standardwerk auf. | |
Manchmal sind die Gründe für Gegenschlagshandlungen auch einfach | |
finanzieller Natur: Die emanzipierte Frau eignet sich nicht für unsere | |
Wirtschaft. Mode, Kosmetik und plastische Chirurgie müßten Konkurs | |
anmelden. | |
In Zeiten des backlash's verdoppelt die Gesellschaft den Widerstand gegen | |
die Gleichberechtigung. Und dazu scheint ihr jedes Mittel recht. „Frauen, | |
geht nach Hause!“ heißt die allgegenwärtige Botschaft, die sich | |
ausgesprochen gut mit den Interessen der „Neuen Rechten“ deckt. Wenn sich | |
Frauen jedoch nicht an den Herd zurückschicken lassen, dann wird ihnen | |
einfach die Zeit außerhalb der Küche so unerträglich wie möglich gemacht: | |
„Eine solche Gesellschaft“, so Faludi, „schiebt die Frauen in die | |
schlechtesten Jobs ab, zahlt ihnen die niedrigsten Löhne, entläßt sie als | |
erste... bietet ihnen weder Kinderbetreuung noch Familienurlaub und setzt | |
sie ständigen Belästigungen aus“. Das Bestreben der „Gegenschläger“ gi… | |
darin, Frauen die Selbstbestimmung über ihre eigene Fruchtbarkeit zu | |
nehmen. | |
Noch zu Anfang der Lektüre denkt man, die beschriebenen Verhältnisse paßten | |
ausschließlich ins verdrehte Land auf der anderen Seite des Atlantiks. Doch | |
spätestens im Kapitel über Abtreibungen werden die Parallelen zu unserer | |
Gesellschaft deutlich. Die Entscheidung darüber, ob und wann eine Frau | |
Kinder bekommen will, gehört zu ihren grundlegenden Möglichkeiten, über | |
Lebens- und Berufsziele frei und selbstbestimmt zu entscheiden. Kein | |
Wunder, daß der Kreuzzug gegen Abtreibung in „Gegenschlagszeiten“ | |
Hochkonjunktur hat – in Deutschland wie in den USA. Schlechte Zeiten für | |
Hillary. Noch im März dieses Jahres berichteten Meldungen davon, daß ein | |
Abtreibungsgegner in den Staaten einen Frauenarzt erschoß, weil dieser | |
Schwangerschaftsabbrüche durchführte. | |
Susan Faludis „Backlash“ läßt LeserInnen erneut über das | |
Geschlechterverhältnis nachdenken. Es wäre zu wünschen, daß ihre Thesen und | |
Entdeckungen die Basis für eine neue Frauenbewegung schaffen. Eine | |
Bewegung, die die Männer zwingt, ihre Rollen endlich zu hinterfragen und zu | |
ändern. Eine Bewegung, die Frauen Mut macht, sich nicht mit der völlig | |
unzeitgemäßen Opferrolle abzufinden oder sich von subtilen backlashs | |
täuschen zu lassen. | |
Susan Faludi: „Die Männer schlagen zurück“. Deutsch von Sabine Hübner, | |
Rowohlt Verlag, Reinbek 1993, 720 Seiten, 42 DM | |
10 Apr 1993 | |
## AUTOREN | |
martina burandt | |
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