# taz.de -- Die Erklärung: Neue Windräder braucht das Land | |
> Das Wirtschaftsministerium will die Energiewende beschleunigen – und will | |
> die Solar- und Windkraftbranche stärker bezuschussen. Ein Überblick. | |
Bild: Robert Habeck besichtigt eine Fertigungsstelle für Offshore-Windradkompo… | |
1. Wie ist die Ausgangslage? | |
Im Jahr 2030 sollen in Deutschland mindestens 80 Prozent des | |
Bruttostromverbrauchs durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Aktuell | |
tragen die Erneuerbaren in etwa zur Hälfte zum deutschen Strommix bei. | |
Um das gesetzte Ziel zu erreichen, müssten neue Wind- und Solarkraftwerke | |
in den kommenden Jahren im großen Stil die Erzeugung aus fossilen | |
Kraftwerken ersetzen. Und sie müssten zudem auch den steigenden | |
Stromverbrauch decken, denn große Teile der Volkswirtschaft – von der | |
Elektromobilität im Verkehrssektor bis zum Heizen mit Wärmepumpen – sollen | |
elektrifiziert werden. | |
Wirtschaftsminister Robert Habeck rechnet bereits für das Jahr 2030 mit | |
einem Anstieg des Stromverbrauchs um etwa ein Drittel. | |
Entsprechend [1][den Zielen des Bundeswirtschaftsministeriums müssen | |
Windkraft und Photovoltaik deshalb deutlich schneller ausgebaut werden], | |
als es bislang der Fall war. Das bedeutet in Zahlen: Bis 2030 sollen 57 | |
Gigawatt Windkraft an Land zusätzlich installiert werden. Damit würde in | |
den kommenden 7 Jahren mehr Windkraftleistung aufgebaut als in den | |
vergangenen 20 Jahren zusammen. | |
In der Offshore-Windbranche müsste an Kapazitäten fast das Dreifache dessen | |
zusätzlich entstehen, was bisher in deutschen Seegebieten überhaupt | |
errichtet wurde. | |
Und auch bei der Photovoltaik wäre bis 2030 ein enormer Zubau nötig: 150 | |
Gigawatt binnen 7 Jahren, das wäre mehr als das Doppelte der letzten 20 | |
Jahre. | |
Bei den genannten Technologien müssten die bisherigen Spitzenjahre des | |
Zubaus also weit übertroffen werden. Das zeigt, wie groß die Aufgaben sind, | |
um das Ziel zu erreichen, das sich die Politik gesetzt hat. | |
2. Wie soll der rasant beschleunigte Ausbau gelingen? | |
Zum einen geht es im Papier des Wirtschaftsministeriums, das sich auf eine | |
Untersuchung der Deutschen Energieagentur (Dena) stützt, um eine noch | |
bessere Förderung von Windkraft- und Solarenergie. Die Bundesnetzagentur | |
hatte bereits im Dezember bei den EEG-Ausschreibungen für Windkraft an Land | |
und Photovoltaik auf Dächern die Einspeisevergütungen deutlich erhöht, | |
indem sie die zulässigen Gebotshöchstwerte um 25 Prozent angehoben hat. | |
Weil aber angesichts deutlich gestiegener Rohstoff- und Anlagenpreise die | |
garantierten Sätze für viele Investoren offenbar immer noch nicht attraktiv | |
genug sind, will das Ministerium nun prüfen, ob „wettbewerbskonforme | |
Maßnahmen getroffen werden können“, um zusätzlich „Realisierungsrisiken … | |
reduzieren“. | |
Dabei wird insbesondere an Garantien für Investoren gedacht, zum Beispiel, | |
wenn sich die [2][Genehmigung für einen Windpark verzögert.] Die | |
Projektentwickler sollen dann trotzdem die benötigten Windturbinen schon | |
vorab bestellen können, indem der Bund die damit verbundenen Risiken | |
abdeckt. | |
3. Was will der Staat noch fördern? | |
Solarzellen und Photovoltaikmodule werden vor allem in China hergestellt. | |
Um solche internationalen Abhängigkeiten zu reduzieren, [3][soll der | |
(Wieder-)Aufbau einer Solar- und Windkraftindustrie in Deutschland und | |
Europa gefördert werden.] Die Bundesregierung möchte „geeignete | |
Förderinstrumente schaffen, um den Zugang zu Investitionskapital für den | |
Auf- und Ausbau von Fertigungskapazitäten“ zu erleichtern. Zugleich werde | |
man „die Förderung im Bereich Betriebskosten stärken“, damit | |
„Energiewendetechnologien auf wettbewerbsfähigem Niveau produziert werden | |
können“. | |
Dabei wird allerdings die EU noch ein Wörtchen mitreden. Das | |
Wirtschaftsministerium gibt sich aber zuversichtlich, schließlich habe die | |
EU-Kommission bereits angekündigt, sie beabsichtige, den Mitgliedstaaten | |
„zeitlich befristet mehr Flexibilität zur Gewährung von Beihilfen | |
zuzugestehen“. Unter anderem, wenn es Beihilfen für erneuerbare Energien, | |
für Dekarbonisierungsmaßnahmen und für Investitionen in Sektoren, die | |
strategisch wichtig für die Klimaneutralität sind, sind. Teil der Förderung | |
sollen „Superabschreibungen“ für Transformationstechnologien sein. | |
Darüber hinaus soll bis zum Sommer gemeinsam mit der KfW-Bank ein | |
„Vorschlag für einen Transformationsfonds“ erarbeitet werden.Damit Firmen, | |
die „Transformationstechnologien“ entwickeln, wettbewerbsfähige Produkte | |
anbieten können, arbeite man zudem an einem „Konzept für einen nationalen | |
beziehungsweise europäischen Industriestrompreis“, auch | |
„Dekarbonisierungsstrompreis“ genannt.Denn ein großes Hemmnis für die | |
Wiederansiedlung einer deutschen und europäischen Photovoltaik-Industrie | |
seien „die im internationalen Vergleich hohen Strompreise“. | |
Man brauche daher „speziell für die stromintensiven Wertschöpfungsschritte | |
der Modulherstellung“ günstige Strompreise. Wie die Dena in ihrem „Entwurf | |
einer industriepolitischen Strategie für erneuerbare Energien und | |
Stromnetze“ beschreibt, sähen „Stakeholder“ ein Preisniveau in Höhe von… | |
bis 6 Cent pro Kilowattstunde als geeignet an. | |
4. Hat man für die Energiewende überhaupt die nötigen Fachkräfte? | |
Natürlich nicht, denn die fehlen überall. Im schönsten Amtsduktus | |
beschreibt das Wirtschaftsministerium Fachkräfte als eine „kritische | |
Inputvariable“ der Energiewende. Die Dena sucht zwar nach grundsätzlichen | |
Lösungen, doch die kommen meist erst langfristig zum Tragen. | |
So wie der Vorschlag, dass „am besten bereits in Kita und Grundschule | |
Interesse für handwerkliche und naturwissenschaftliche Berufe geweckt | |
werden“ müsse. Insbesondere Frauen sollten für „grüne“ Berufe gewonnen | |
werden, denn sie seien „in vielen technischen Energiewende-Berufen | |
unterrepräsentiert“. | |
Dazu, wie eine solche Verschiebung von Schwerpunkten in der Ausbildung | |
umgesetzt werden soll, bleiben die Aussagen dünn – abgesehen von | |
allgemeinen Formeln, wie der Stärkung der dualen Ausbildung, die gemeinhin | |
als guter Garant für bedarfsgerechte Qualifizierung gilt. | |
5. Wie geht es nun weiter? | |
Die Debatte um konkrete politische Schritte steht mit den skizzierten | |
Maßnahmen erst ganz am Anfang. Bislang sind die genannten Punkte lediglich | |
vage Absichtserklärungen. | |
Woher das viele Geld kommen soll, das für all die Förderprogramme und | |
staatlichen Absicherungen nötig wäre, ist noch nicht definiert. Und zu | |
berücksichtigen ist auch, dass das Wirtschaftsministerium diese Pläne erst | |
einmal alleine in die Welt gesetzt hat. Spannend wird, was | |
FDP-Finanzminister Christian Lindner davon hält. | |
Und was daraus im parlamentarischen Verfahren wird, wenn die Ideen in | |
konkrete Gesetze gegossen werden sollen, ist dann noch mal ein ganz eigenes | |
Thema. | |
25 Feb 2023 | |
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## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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