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# taz.de -- Die 10 größten Idiotien der Abwrackprämie: Politik abgewrackt!
> Die Abwrackprämie soll die deutsche Wirtschaft ankurbeln. Von wegen.
> Warum die Prämie den Falschen hilft, viele Kunden foppt und zum Betrügen
> geradezu einlädt.
Bild: Es ist ein langer Weg bis zum ordentlichen Verschrotten nach Abwrackpräm…
1. Beschließen Sie die Abwrackprämie - ohne zu wissen, ob sie wirkt.
Sie sind Politiker im Bundestag? Dann können Sie die Abwrackprämie für
Altautos (1,5 Milliarden Euro) beschließen, auch wenn Sie gar nicht wissen,
ob sie gegen die Wirtschaftskrise wirkt. Bisher jedenfalls sind in den
ersten vier Wochen nach dem Beschluss 42.000 Anträge auf eine Abwrackprämie
gestellt worden. 600.000 Prämien sind vorgesehen. CDU-Haushaltsexperte
Stefan Kampeter sagt: "Es wäre der Automobilindustrie zu wünschen, dass die
Abwrackprämie ein Erfolg wird." Da müssen die Verbraucher noch zulegen.
2. Erlassen Sie zwar Verordnungen zur Abwrackprämie - aber nehmen Sie die
nicht so ernst!
Tricksereien der Käufer und Verkäufer bei der Prämie? Was solls. Berufen
Sie sich als Experte in den zuständigen Ministerien und Ämtern auf die
Notwendigkeit, alles möglichst schnell wirken zu lassen und unbürokratisch
zu halten. Was kümmern Sie da schon, dass die Deutsche Umwelthilfe von
einer "Einladung zum Betrug" spricht. Und der Bund Deutscher
Kriminalbeamter "kriminellen Missbrauch in mehreren hunderttausend Fällen"
erwartet. Kampeter sagt: "Bei den Beratungen des Haushaltsausschusses ist
es gelungen, eine Regelung zu finden, um eventuellem Missbrauch bei der
Abwrackprämie vorzubeugen. Eine klare Regelung zur Entwertung des
Kraftfahrzeugscheins von Fahrzeugen, die zur Verwertung gebracht werden,
ist jetzt in Sicht."
3. Erwähnen Sie nur nebenbei, dass die meisten Autos aus Deutschland
sowieso ins Ausland exportiert werden - und dass da die deutsche
Abwrackprämie gar nicht hilft.
Schöne Autowerke hat Deutschland: Volkswagen, Porsche, Opel, Ford, Audi,
BMW und Daimler. Das Problem für Sie als Autobauer ist nur, dass Sie Ihre
hierzulande produzierten Wagen zu 80 Prozent ins Ausland exportieren - und
dieser Export nun massiv eingebrochen ist. Eine Abwrackprämie in
Deutschland stützt die Ausfuhr überhaupt nicht.
4. Loben Sie die Abwrackprämie - auch wenn die Beschäftigten in der
Autoindustrie kaum davon profitieren.
Machen Sie es wie der Vorstandsvorsitzende des Volkswagen-Konzerns, Martin
Winterkorn: Loben Sie die Abwrackprämie über den grünen Klee! Winterkorn
kündigte an, er wolle bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel
(CDU) in dieser Woche dafür werben, dass der Staat die Fördersumme der
Abwrackprämie aufstockt - und die Prämie noch länger als bis zum Ende des
Jahres ausgezahlt wird. Der Grund: Die Auftragseingänge bei VW hätten sich
wegen der Abwrackprämie verdreifacht, fast vervierfacht! Vom VW-Kleinwagen
Polo seien deshalb schon Zehntausende mehr gebaut worden, als ursprünglich
geplant. Davon hätten auch, Hurra!, die Arbeiterinnen und Arbeiter am
Fließband profitiert, die geplante Kurzarbeit sei abgesagt worden - im Werk
Pamplona in Spanien. Der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer von der
Universität Duisburg-Essen warnte schon vor einem Monat: "Die Abwrackprämie
ist ein Konjunkturprogramm für die Autowerke in Rumänien, Tschechien oder
Italien, finanziert aus deutschen Steuergeldern." Immerhin: Opel hat in
seinem Corsa-Werk die Kurzarbeit für März abgesagt. Aber was ist im April?
5. Erwähnen Sie nur am Rande, dass die Hersteller großer Autos kaum etwas
von der Prämie haben.
BMW-Vertriebschef Ian Robertson erklärte am Freitag, von der Abwrackprämie
werde BMW nur leicht profitieren. Logisch. Wer sein Auto wegen der Prämie
verschrotten lassen will, hat meist einen Kleinwagen, weil es in der Regel
mehr Geld bringt, das Altauto der Premiumklasse beim Gebrauchtwagenhändler
zu verkaufen, als es für 2.500 Euro verschrotten zu lassen. Nur wenige aber
steigen von einem schrottreifen Kleinwagen auf einen Mercedes, Porsche oder
BMW um. Übrigens: Fast 90 Prozent der Autos unter 10.000 Euro kommen von
Importeuren.
6. Sprechen Sie immer nur von der "Umweltprämie"!
Die Abwrackprämie hat zwar mit Umweltschutz nichts zu tun. Sprechen Sie
dennoch von "Umweltprämie". Wie das Bundesamt für Wirtschaft und
Ausfuhrkontrolle (BAFA), das für die Abwicklung der Prämie zuständig ist.
Und wie der ADAC. Zwar müssen Neu- oder Jahreswagen, die man nach Erhalt
der Abwrackprämie zu kaufen hat, die Schadstoffnorm Euro 4 erfüllen. Die
gilt aber sowieso seit drei Jahren. Und: Den CO2-Ausstoß begrenzt diese
Norm nicht. Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) kritisierte deshalb, die
Prämie sei eine "ökologisch fatale und beschäftigungspolitisch wirkungslose
Pseudo-Konjunkturpolitik".
7. Machen Sie als Autohändler Ihren Wagen schnell um 2.500 Euro billiger!
Sie haben als Autohändler in den vergangenen Jahren beim Verkauf ihrer Pkws
Rabatte bis zu 30 Prozent vergeben? Das ist nun unnötig! Verringern Sie
einfach mit Verweis auf die Abwrackprämie ihre Rabatte. Wie das
funktioniert, hat der Sprecher des Kfz-Verbandes ZDK, Helmut Blümer,
erklärt: "Die Nachlässe sind jetzt wieder in den einstelligen Bereich
gesunken und liegen zwischen 6 und 8 Prozent." Der VCD hat ausgerechnet:
Wer sein altes Auto mit einem Restwert von 1.000 Euro verschrotten lässt,
um die Abwrackprämie zu kassieren, zahlt schon dann drauf, wenn er beim
anschließenden Kauf eines durchschnittlichen Neuwagens auf 10 Prozent
Rabbat verzichten müsse. Selbst ADAC-Sprecher Andreas Hölzel spricht davon,
viele Autopreise seien mittlerweile "geschönt". Der Auto Club Europa
beklagt, es gebe eine "Vermischung zwischen Abwrackprämie und anderen
Rabatten".
8. Genießen Sie als Schrotthändler die Möglichkeiten des Betrugs!
Wenn Ihr Auto verschrottet wird, muss nicht zugleich der Fahrzeugbrief
zerstört werden - angeblich weil dafür zu viele Landesgesetze hätten
geändert werden müssen, was zu lange gedauert hätte. Diese Laxheit
kritisiert etwa der Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung in Bonn.
Denn diese Großzügigkeit des Gesetzgebers eröffnet Ihnen als korrupter
Schrotthändler vielfältige Chancen für den Betrug! Wenn Sie die nötigen
Überführungskennzeichen haben, können Sie die angeblich schrottreifen
Altautos innerhalb der EU legal über die Grenze schaffen und dort verkaufen
- statt sie in die Schrottpresse zu schmeißen. Der Bund Deutscher
Kriminalbeamter sagt: "Wenn Serienfälscher einen Schrotthändler schmieren,
können sie mit einem Abwracknachweis die Prämie kassieren und den
Gebrauchtwagen für 5.000 oder 6.000 Euro nach Osteuropa verkaufen."
9. Verschweigen Sie als Entsorger dem Altauto-Besitzer, dass auch der
Schrott für Sie ja noch einen Gewinn abwirft.
Noch bis vor kurzem gab es für den Besitzer eines Schrottwagens vom
Entsorger mit der großen Schredderanlage gern noch mal 100 oder 300 Euro
cash. Auch wenn der Preis seit 2008 gefallen sein mag, ist der Schrott noch
etwas wert. Diese Information lassen einige Schrotthändler heute gern unter
den Tisch fallen - wegen der Abwrackprämie, die die Altwagen-Besitzer so
glücklich und blind macht. Merke: Wer die Abwrackprämie nutzt, hat nur dann
tatsächlich 2.500 Euro vom Staat geschenkt bekommen, wenn sein Auto
wirklich gar nichts mehr wert war. Das aber trifft auf nur wenige Altautos
zu.
10. Halten Sie als Schrottauto-Besitzer einen engen Kontakt zu Freunden,
die einen Neuwagen brauchen!
"Ich brauche einen Neuwagen. Du willst deine Rostbeule loswerden und hast
nicht genug Geld für einen neuen? Lass uns ins Geschäft kommen! Ich gebe
dir 1.000 Euro für deinen alten. Den lasse ich verschrotten, kassiere 2.500
Euro und kaufe mir einen neuen, den ich mir sowieso leisten wollte. Wir
beide profitieren." Das wäre der eine Trick. Der andere: Sie lassen sein
altes Auto verschrotten, kaufen ein neues - und verkauft es gleich wieder.
Das ist ganz legal.
15 Feb 2009
## AUTOREN
Philipp Gessler
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