| # taz.de -- Der gute Horst | |
| > In Oldenburg ist er aufgewachsen, dort liegt Horst Janssen auch begraben, | |
| > jetzt eröffnet die Stadt ihrem berühmtesten Sohn ein Museum: eine | |
| > drückende Geschichte, erzählt von ■ Marijke Gerwin (Text) und Michael | |
| > Jungblut (Fotos) | |
| Er war ein Exzentriker, ein Egomane. Angeblich. Denn in den siebziger | |
| Jahren wurde Horst Janssen von einer auserwählten Kunstgemeinde sehr gerne | |
| als ihr Enfant terrible etikettiert, dieser Mensch, der immer betrunken und | |
| in Gummistiefeln jede Vernissage seiner Werke zum Happening machte. Das war | |
| Kult. So jemanden kannte man gerne, irgendwie. In seiner Geburtsstadt | |
| Oldenburg hätte man ihm damals wohl nicht mal die Hand geschüttelt. | |
| Heute widmet man dem 1929 Geborenen ein ganzes Museum und erzählt sich auch | |
| hier gern solche Anekdoten über den Oldenburger Ehrenbürger, der 1995 | |
| verstarb und feierlich auf dem Oldenburger Gertrudenfriedhof beigesetzt | |
| wurde. Neben seiner Mutter Martha. Die nämlich musste Ende der Zwanziger | |
| Jahre als unehelich Schwangere die erstickende Enge der Residenzstadt | |
| verlassen und ihren Balg in Hamburg zur Welt bringen. Da fiel „so was“ ja | |
| nicht auf. Horst Janssen wuchs dann in Oldenburg bei seinen Großeltern auf, | |
| schnappte aber schnell wieder nach Großstadtluft. In Hamburg hat er gelebt, | |
| gearbeitet, wurde er bekannt, dort ist er gestorben. Und das wurmte die | |
| Oldenburger irgendwie. | |
| Sie wollten ihn jetzt zurückhaben, ihren begabten Querkopf – posthum, | |
| natürlich –, und wenn das bitte schön nicht in die Köpfe der | |
| Kunstöffentlichkeit will, wird es halt mit teurem Marketing dort | |
| eingehämmert. Horst Janssen – Oldenburg. Das ist Corporate Identity. Ziel: | |
| Man wolle „in den Köpfen festlegen, dass Oldenburg und Horst Janssen eine | |
| Reise wert sind“, und der gute Horst sei einer „breiten Öffentlichkeit | |
| leichter zu vermitteln als andere Kunst“, heißt es in den Zielen der aus | |
| München eingekauften Agentur Pantos. Das kann für jeden Künstler nur eine | |
| Beleidigung sein. Denn Kunst war noch nie auf Breitenwirkung aus – Janssen | |
| goes Popstar – und entweder spricht die Kunst für sich oder sie wird zum | |
| Vehikel für andere Ziele – und braucht Marketing. Denn was der Werbeexperte | |
| etwas salopp formuliert, ist der Fachwelt im Kern eigentlich schon länger | |
| klar; sie geht mit dem Wort Künstler etwas vorsichtiger um und sieht | |
| Janssen auf jeden Fall als hervorragenden Zeichner und Druckgraphiker. | |
| Das neue Oldenburger Museum stützt sich auch weitest gehend auf das | |
| Frühwerk Janssens. Denn für 1.800 Blätter suchte das Hamburger | |
| Sammlerehepaar Vogel eine dauerhafte Bleibe. In Hamburg lehnte man dankend | |
| ab, denn da hat man schon die Frielinghaus-Sammlung des ausgereiften | |
| Spätwerkes, und ein Museum wollte man für Janssen nicht bauen. Der | |
| Oldenburger Kulturdezernent Eckehard Seeber vermittelte zwischen | |
| Kunstsinnigen und Politikern. Die Stiftung des Unternehmers Claus Hüppe | |
| kaufte die Sammlung für 1,5 Millionen Mark, es wurde ein Förderverein | |
| gegründet, mehr Geld gesammelt, Fakten geschaffen. Nun konnte sich die | |
| Stadtverwaltung nicht mehr entziehen: Es gab Kunst, es gab Geld, es gab | |
| Öffentlichkeit. Und es gibt einen scheidenden Kulturdezernenten, der sich | |
| so noch mal geschickt in der Stadtgeschichte und der Leitbildplanung der | |
| Stadt verewigt hat. | |
| Deshalb musste auch alles ganz schnell gehen: Es gab keinen | |
| Architektenwettbewerb – vordergründig, weil man die Expo noch mitnehmen | |
| wollte. Tatsächlich endet die Amtszeit von Dr. Seeber im Februar 2001. Und | |
| so ist auch das architektonische Ergebnis – im Hochbauamt kostensparend | |
| erstellt – ziemlich zwischen den Bestand gequetscht, es fehlte tatsächlich | |
| der Mut zur Größe. Formal hatte man die Vorgabe, die Lücke zwischen dem | |
| Stadtmuseum und der Balinischen Villa – Archiv und Teil des Heimatmuseums – | |
| zu schließen und das Ensemble zu einer Museumsinsel aufzuwerten. Dabei | |
| musste das laut Marketing „Erste Horst-Janssen-Museum der Welt“ aber die | |
| Geschosshöhen des angrenzenden Altbaus einhalten. Ergebnis: Die Decken | |
| hängen sehr niedrig, der Bau drückt. | |
| Überhaupt fühlt sich der Besucher in dem viergeschossigen, fast | |
| fensterlosen Bau ein wenig wie Jonas im Bauch des Wales. Die Beleuchtung | |
| darf wegen der Exponate auch nicht mehr als fünfzig Lux betragen. Da hätte | |
| man es gerne, auch mal von einem Raum in den anderen treten zu können, | |
| durch einen nach außen verglasten Flur die Blicke mal wieder schweifen | |
| lassen zu können. Aber man hat auf große Räume gesetzt, die durch | |
| Stellwände in kleinere Einheiten gegliedert werden, statt diesem Bedürfnis | |
| durch architektonische Lösungen gerecht zu werden. Es wirkt alles etwas | |
| übers Knie gebrochen, unausgereift. | |
| Das gilt auch für das Ausstellungskonzept. Denn das Oldenburger | |
| Horst-Janssen-Museum versteht sich als Graphikmuseum im weiteren Sinne. | |
| Neben wechselnden Dauerausstellungen des graphischen Werkes von Horst | |
| Janssen und einer Reliquiensammlung – Janssens Arbeitszimmer wird fest | |
| installiert – sollen in der ersten Etage des viergeschossigen Neubaus | |
| Arbeiten gezeigt werden, die sich irgendwie auf Janssen beziehen, im | |
| weiteren Sinne, oder auch Malerei, irgendwann – so genau legt man sich da | |
| nicht fest. | |
| Doch architektonisch ist man festgelegt: Die niedrige Geschosshöhe im | |
| Neubau bietet größeren Formaten keinen Platz. Auf jeden Fall aber hat man | |
| Großes vor: Die ursprüngliche Ausstellungsfläche des Stadtmuseums, zu dem | |
| das Janssen-Museum ein Quasi-Ergänzungsbau ist, wächst von 500 auf dann | |
| 1.500 Quadratmeter an. Da könne man sich große Themen vorstellen, man wolle | |
| auch Ausstellungen aus anderen Städten herholen und endlich mal die 250 | |
| Oldenburger Radziwills zeigen. | |
| Und natürlich Goya: Endlich hat Dr. Ewald Gässler, Leiter des Stadtmuseums | |
| und des neuen Hauses, die Chance, seine Schätze auszugraben. An ihm wird es | |
| aber wohl letztlich hängen bleiben, das Denkmal seines Noch-Chefs | |
| künstlerisch mit Leben zu füllen. Dafür treibt man großen Aufwand: | |
| Anderthalb wissenschaftliche Stellen wurden geschaffen, um das Werk | |
| Janssens doch noch auf weitere Tiefgründigkeiten hin zu erforschen und aus | |
| dem Druckgraphiker doch noch einen bedeutenden Künstler zu machen. | |
| Vermittelt werden diese Erkenntnisse dann über eine eigens geschaffene | |
| Kulturmarketingstelle, die von der ehemaligen Presseamtschefin Anja M. | |
| Gieselmann bekleidet wird. Derzeit steht marketingtechnisch an, dass das | |
| „Café Lamme“ im Museum für die arbeitende Bevölkerung Restauration bieten | |
| soll, ja, es sei auch an Mittagspausenkarten fürs Museum gedacht, und | |
| Kindergeburtstage könne man auch Auge in Auge mit Janssens „Metamorphosen“ | |
| feiern. | |
| Was das alles kostet? Gar nichts, natürlich. Läppische | |
| hundertzwanzigtausend Mark braucht man vom Kulturetat der Stadt für den | |
| laufenden Betrieb des Museums, inklusive der Personalkosten. Sehr billig. | |
| Zu billig, wenn man nachrechnet. Vorausgesetzt natürlich auch, man | |
| erwirtschaftet tatsächlich 300.000 Mark an Eintrittseinnahmen. Und wenn | |
| nicht? Und wenn die eine Million Mark Deckungslücke in den Baukosten trotz | |
| Marketing keine „public-private-partnership“ (Seeber), sprich Sponsoren | |
| findet? | |
| Dann hat der neue Museumsdirektor ein Problem am Hals – und der möchte doch | |
| einfach nur gerne Goya zeigen. Dann dürfen aber außerdem all diejenigen | |
| bluten, die in Oldenburg Kultur machen und nicht vertraglich gesichert | |
| sind. Denn der verordnete sechsprozentige Kürzungssatz auf die 20 Millionen | |
| Mark im Kulturhaushalt kann nur über Streichungen in diesen wild wachsenden | |
| Gefilden, den Nachwuchswiesen für begabte Querköpfe erwirtschaftet werden: | |
| in der freien Szene. Der politisch Verantwortliche macht es sich dann aber | |
| schon im Ruhestand gemütlich – und prostet dem Horst augenzwinkernd zu. | |
| Horst, nun kommst Du ... | |
| Am 13. Novenber wird das Horst-Janssen-Museum Oldenburg im Beisein von | |
| Bundeskanzler Gerhard Schröder feierlich eröffnet. Horst Janssen wäre am | |
| 14. November 71 Jahre geworden. Ab dem 15. November beginnt der normale | |
| Museumsbetrieb im Horst-Janssen-Museum, Am Stadtmuseum 4-8. Internet: | |
| [1][www.horst-janssen-museum.de] | |
| 11 Nov 2000 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.horst-janssen-museum.de | |
| ## AUTOREN | |
| Marijke Gerwin | |
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