# taz.de -- Der Warschauer Ghettoaufstand | |
Bis zum Zweiten Weltkrieg lebten in Warschau 350.000 Jüdinnen und Juden; | |
seit 1940 befand sich dort der größte „jüdische Wohnbezirk“, von den | |
Deutschen durch Zwangsumsiedlung und Abriegelung geschaffen. Die | |
Einwohnerzahl des Ghettos betrug im April 1941 mehr als 450.000 Menschen; | |
allein bis August desselben Jahres kamen fast 25.000 der Eingeschlossenen | |
durch Seuchen und Hunger um. | |
Ein Jahr später begannen die Deportationen: Am 22. Juli 1942 gab es | |
willkürliche Erschießungen, und von diesem Zeitpunkt an mußte der von den | |
Deutschen eingesetzte Judenrat täglich 6.000 Menschen zur „Umsiedlung nach | |
Osten“ abliefern. Aus mehr als 20 Widerstandsgruppen zionistischer, | |
kommunistischer und sozialdemokratischer Ausrichtung entstand die „Zydowska | |
Organizacja Bojowa“ (ZOB) – zu einem Zeitpunkt, als der sichere Tod der | |
„Umgesiedelten“ in Treblinka und Belzec bekannt geworden und Auschwitz kein | |
Gerücht mehr war. | |
Der Aufstand begann am 19. April 1943, als die Deutschen das Ghetto | |
auflösen und die Überlebenden deportieren wollten: „Wir sahen die Deutschen | |
ins Ghetto einmarschieren“, berichtet die Widerstandskämpferin Masza | |
Glajtman Putermilch (in ‘Im Kreis', Verlag Neue Kritik). „Ich weiß es noch | |
so genau, weil ich in der Nacht Wache stand. Interessanterweise starteten | |
die Deutschen ihre Aktionen immer an jüdischen Feiertagen. An diesem Tag | |
war Pessach. ... Wir eröffneten das Feuer. Das Zimmer war bald rot vom | |
Feuer ringsum, und Schutt rieselte von der Decke auf uns herab.“ | |
Die Untergrundorganisationen, in denen – nach der Deportation von Kindern, | |
Alten und Schwachen – hauptsächlich junge Menschen kämpften, wehrten sich | |
mit Hilfe eingeschmuggelter (weniger) Waffen aus dem „arischen“ Teil der | |
Stadt. Trotz ihrer Ausrüstung mit Tanks, Flammenwerfern und Sprengkommandos | |
und der Beihilfe der Wehrmacht brauchte die SS nahezu vier Wochen, bis der | |
Aufstand niedergeschlagen und das Ghetto niedergebrannt war. | |
Am 16. Mai gab der SS- Brigadeführer Jürgen Stroop bekannt: „Das ehemalige | |
jüdische Wohnviertel Warschau besteht nicht mehr. Mit der Sprengung der | |
Warschauer Synagoge wurde die Großaktion um 20.15 Uhr beendet... Gesamtzahl | |
der erfaßten und nachweislich vernichteten Juden beträgt insgesamt 56.065. | |
Dieser Zahl hinzuzusetzen sind noch die Juden, die durch Sprengungen, | |
Brände usw. ums Leben gekommen sind, aber zahlenmäßig nicht erfaßt werden | |
konnten.“ | |
Nur wenigen Aufständischen gelang es, durch ein Kanalsystem zu flüchten; | |
die gefangenen Überlebenden wurden in die SS-Arbeitslager Poniatowa und | |
Trwaniki deportiert, bis sie im Herbst 1943 Opfer der geplanten Vernichtung | |
wurden. taz | |
17 Apr 1993 | |
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