| # taz.de -- Der Meister der großkotzigen Geste | |
| > Lüpertz ist 65. Der Akademiedirektor von Düsseldorf gibt gern den | |
| > Malerfürsten. Seine Kunst muss es ausbaden | |
| Eigentlich müsste der Mann mindestens seinen 165. Geburtstag feiern. Er | |
| hätte nämlich, so sagt er, viel lieber im 19. Jahrhundert gelebt und etwa | |
| mit dem Malerfürsten Franz von Lenbach (1836-1904) und Kollegen verkehrt. | |
| Damals hätte er mit seinem edlen Spazierstock und den noblen Maßanzügen | |
| kaum Aufsehen erregt, allenfalls mit den vielen Silberringen an seinen | |
| Fingern, dem Totenkopfknauf am Gehstock oder mit seinen weißen | |
| Tennissocken. Er, der Dandy, genießt ganz offensichtlich die | |
| Aufmerksamkeit, die ihm gezollt wird, und sei sie noch so negativ. Sein | |
| elitäres Auftreten und die oft peinlichen Ausfälle gegen all diejenigen, | |
| die ein anderes Verständnis von Kunst artikulieren, haben Lüpertz bislang | |
| nicht nur Freunde beschert. Zumal seine Kunst nicht immer aufwiegen und | |
| glatt bügeln kann, was er verbal anrichtet. Ob es ihm vornehmlich um | |
| Polarisierung geht oder um das Ausagieren der eigenen künstlerischen | |
| Zerrissenheit, wird indes nie ganz klar. | |
| Seit 1988 ist Markus Lüpertz Rektor der Düsseldorfer Kunstakademie, ans | |
| Aufhören aber denkt er auch mit 65 nicht. 1941 im böhmischen Liberec | |
| geboren, kam Lüpertz 1948 mit seiner Familie in den Westen. Zunächst | |
| studierte er an der Werkkunstschule in Krefeld, dann kurz an der | |
| Düsseldorfer Akademie. In Berlin begann er 1962 mit der so genannten | |
| dithyrambischen Malerei, eröffnete eine Galerie und veröffentlichte mehrere | |
| Manifeste, in denen er seine Auffassung von Kunst und Künstlertum kundtat. | |
| Mitte der 70er Jahre entstehen neue Serien wie etwa die | |
| „Babylon-Architekturen“ oder die „Stil-Malerei“. Als einer der „Neuen | |
| Wilden“ wird Lüpertz seit den frühen 1980er Jahren zusammen mit seinen | |
| Kollegen Jörg Immendorf, Georg Baselitz, Anselm Kiefer und vielen anderen | |
| mit Motiven, die sich mit der deutschen Geschichte auseinander setzen, | |
| international gefeiert. | |
| Inzwischen ist dieser Ruhm etwas verblasst, wirklich Neues, so scheint es, | |
| in seiner Kunst nur noch selten zu finden. Dennoch gibt es immer noch diese | |
| geradezu besessene Lebendigkeit. Im Blick auf die expressiven, zumeist | |
| starkfarbigen figurativen Bilder aber stellt sich die Frage, ob diese | |
| Ausbrüche prallen Lebens oftmals nicht doch bloß Posen sind. Seit 1981 | |
| arbeitet Markus Lüpertz auch als Bildhauer. Hierbei entstehen Serien wie | |
| etwa die kleinen Merkur-Statuetten, die gerade in einer Ausstellung in der | |
| Duisburger Küppersmühle gemeinsam mit Werken der Kölner Künstlerin | |
| Rosemarie Trockel zu sehen sind. Mit Skulpturen wie etwa der riesenhaften | |
| Mozart-Statue in Salzburg gelingt es ihm immer noch zu provozieren. Der | |
| Gestus des gepflegten Bürgerschrecks, den er auch heute noch zelebriert, | |
| ist freilich schon reichlich abgenutzt. | |
| In Lüpertz leben so die alten Stereotype vom verkannten Künstlergenie fort, | |
| lebt das Klischee des von der Kunst Getriebenen aufs Schönste weiter. Und | |
| damit kündet sein Leben als „Gegenentwurf zur bürgerlichen Existenz“ | |
| letztendlich doch nur von kleinbürgerlichen Identitätsproblemen. Die virile | |
| Selbstgefälligkeit seines Auftretens als Künstler und Mann, die Eloquenz | |
| seiner wilden Kunst und die maskuline Kraft, die seine Bilder unentwegt | |
| behaupten, machen es mitunter schwer, die Kunst unabhängig vom Kontext der | |
| eitlen Selbststilisierung zu sehen. Die Feier des Dandytums hat dieser | |
| Meister der großkotzigen Geste bis zur Vollendung getrieben. Lüpertz Kunst | |
| ist wohl auch deshalb noch so lebendig, weil sie diesen Ansprüchen | |
| hinterher hecheln muss. | |
| KATJA BEHRENS | |
| 26 Apr 2006 | |
| ## AUTOREN | |
| KATJA BEHRENS | |
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