| # taz.de -- Der Horror und das Mädchen | |
| > KULTURINDUSTRIE Monster ist nicht gleich Monster, wenn die bürgerliche | |
| > Gesellschaft auch monsterhaft ist | |
| VON ZOÉ SONA | |
| I’m sixteen years old. I don’t wanna die“, beklagt sich Buffy, das blonde | |
| All-American-Girl mit dem Schmollmund und den großen Augen. Die adoleszente | |
| Protagonistin der amerikanischen Fernsehserie „Buffy, the Vampire Slayer“ | |
| (dt. „Buffy im Bann der Dämonen“) steht täglich gefühlte drei Mal dem To… | |
| nahe, ist sie doch auserwählt, die Welt vor Monstern, Vampiren und ähnlich | |
| charmanten Nachtgestalten zu retten. | |
| Mit der Serie, 1996 bis 2003 in sieben Staffeln ausgestrahlt, beschäftigt | |
| sich das Buch „Horror als Alltag“. So viel bisher schon über „Buffy“ | |
| geschrieben wurde, stellt das Buch doch eine entscheidende Neuerung in der | |
| wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Thema dar: Es arbeitet das | |
| gesellschaftskritische Potenzial der Sendung wesentlich deutlicher heraus | |
| als alle bisherigen Publikationen. Das zentrale Moment der Aufsatzsammlung | |
| ist der ideologiekritische Gehalt der Serie: Die AutorInnen beschreiben ihn | |
| beispielhaft bezogen auf die Repressalien der bürgerlichen Gesellschaft, | |
| Sexismus oder auch die Ästhetik der Kulturindustrie. | |
| Die unzähligen Vampire und Dämonen der Serie verkörpern laut Annika | |
| Beckmann und Heide Lutosch die Zwänge der bürgerlichen Gesellschaft. Sie | |
| treten nicht als subjektive Einbildungen der Handelnden oder realistisch | |
| inszenierte Horroreffekte auf. Ihr Erscheinungsbild ist so flach und banal, | |
| dass kein echter Grusel aufkommen kann. Im Gegenteil: Häufig kippt die | |
| Situation ins Komische, die tödliche Bedrohung wird sarkastisch gebrochen. | |
| Und doch sind die Monster objektiver Teil der Serienwelt. Sie bilden | |
| schemenhaft die Zumutungen des bürgerlichen Alltags wie Zwang zur | |
| Lohnarbeit, scheinheilige Moral und berechnende Freundlichkeit ab. So | |
| treten die Big Bads der Serie in Gestalt eines willkürlichen Chefs, eines | |
| bigotten Priesters und eines korrupten Bürgermeisters auf. | |
| ## Rohrbrüche und Monster | |
| Dieses Verhältnis von Monstern und realer Welt in Buffy versteht Birgit | |
| Ziener als Darstellung bürgerlicher Ideologie. Horror und Realität | |
| bedingten sich gegenseitig, der Horror sei, so brutal und grotesk er | |
| daherkommt, die „unhinterfragbare Natur“ der Serie. Nur Buffy und ihre | |
| FreundInnen (die Scoobie-Gang) stellen die Unabwendbarkeit dieses Zustands | |
| in Frage: Sie bekämpfen gleichermaßen Monster wie die oft nicht weniger | |
| monströsen Widrigkeiten des Alltags. Denn Schulprüfungen, Lohnarbeit oder | |
| Wasserrohrbrüche lassen sich weder durch Silberkugeln noch durch | |
| Einmal-kräftig-Draufhauen bekämpfen. Doch auch der Versuch, ganz normal in | |
| einer Burgerbude zu arbeiten, muss für Buffy scheitern, weil sie sich | |
| selbst hier nicht der Monsterjagd entziehen kann. Ihr bleibt nichts anderes | |
| übrig, als den Kampf gegen das Böse fortzusetzen. Ziener beschreibt die | |
| Professionalisierung dieses Kampfes als emanzipatorischen Lernprozess, der | |
| sich im Lauf der Serie zu einer solidarischen, arbeitsteiligen Kooperation | |
| der Scoobies entwickelt. Ihnen gelingt es, das magische Prinzip gegen sich | |
| selbst zu richten, seine Regeln zu ändern und dadurch eine ganze Armee von | |
| VampirjägerInnen zu erschaffen. | |
| Während seine VorgängerInnen sich der inhaltlichen Gesamtdarstellung der | |
| Serie widmen, beschäftigt sich Lars Quadfasel mit den kulturindustriellen | |
| Aspekten des Fernsehens. Er stellt fest, dass das Fernsehen die | |
| ZuschauerInnen von sich selbst entfremdet, weil es sich einer konkreten | |
| Erfahrbarkeit entzieht. Es präsentiert in einer Unmittelbarkeit beliebige | |
| Inhalte, die alle Sinne der Zuschauenden in Beschlag nehmen und ihnen doch | |
| nichts Substanzielles vermitteln. Dagegen gelinge es „Buffy“, durch die | |
| Verwendung von Ironie, Allegorien, Übertreibungen und Pointen erstarrte | |
| Klischees zu brechen und ihren originären Gehalt der Erfahrung der | |
| ZuschauerInnen zugänglich zu machen. So ist Buffys erste große Liebe kein | |
| anderer als der Vampir Angel, der im Verlauf der Serie zu einem ihrer | |
| größten Feinde mutiert. Die Funktion von Ironie und Übertreibung zeigt sich | |
| am deutlichsten in der Figur Anya, der Rachedämonin, die ihrer Macht | |
| beraubt im Körper einer Highschoolschülerin gefangen ist. Ihr verzweifeltes | |
| Bemühen, als All-American-Girl durchzugehen, kulminiert in der Festlegung | |
| ihres Geburtstags auf den 4. Juli, den amerikanischen Nationalfeiertag. Wie | |
| viel authentischer als jeder Mensch sie sich in kapitalistische Strukturen | |
| einpasst, beweist sie mit ihrer völligen Hingabe an ihren Job als | |
| Verkäuferin: Nach erfolgreich abgeschlossenem Verkauf einer Ware lehnt sie | |
| es als überflüssige Heuchelei ab, den KäuferInnen auch noch einen guten Tag | |
| zu wünschen. | |
| Dass die Wirklichkeit mitunter so gruselig ist, dass selbst Monster kaum | |
| noch als Gefahr erscheinen, beschreiben weitere Aufsätze, die der | |
| widersprüchlichen Darstellung lesbischer Liebe, freudschen | |
| Männlichkeitskonstruktionen, der Fortsetzung der Serie in Comicform und | |
| ihrem Spin-off „Angel“ gewidmet sind. In seiner Breite wirft der Sammelband | |
| einen analytisch scharfen Blick auf die Serie, der es ermöglicht, sie nicht | |
| nur als amüsante Feierabendunterhaltung, sondern als avancierte | |
| Gesellschaftskritik zu verstehen. | |
| ■ Annika Beckmann, Ruth Hatlapa, Oliver Jelinski, Birgit Ziener (Hg.): | |
| „Horror als Alltag. Texte zu ‚Buffy the Vampire Slayer‘“. Verbrecher | |
| Verlag, Berlin 2010, 248 Seiten, 14 Euro | |
| 15 Jan 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| ZOÉ SONA | |
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