# taz.de -- Der Gitarrengroßmeister Jimi Hendrix: Fleischesprozesse | |
> Klaus Theweleit und Rainer Höltschl diskutieren in Berlin über ihren Jimi | |
> Hendrix, inklusive Schulklasse und Musik. | |
Bild: Kultfigur und Ausnahmemusiker Jimi Hendrix. | |
BERLIN taz Das Verblüffendste an diesem Donnerstagabend im Berliner | |
Brecht-Haus war, dass sich eine komplette Schulklasse mit in den Saal | |
zwängte, obwohl der Mann, um den es ging, seine Hits vor geraumer Zeit | |
hatte. Immerhin 40 Jahre ist das nun her. Jimi Hendrix aber bleibt eben ein | |
Thema. Dieser Tage wurde sein Meisterwerk "Electric Ladyland" samt | |
Making-of-DVD neu veröffentlicht, und im Brecht-Haus ging es um das neue, | |
bei Rowohlt erschienene Buch von Klaus Theweleit und Rainer Höltschl: "Jimi | |
Hendrix. Eine Biographie". | |
Hendrix. Der Gitarrengroßmeister. Dass er mehr als nur ein | |
außerordentlicher Musiker war, darüber sind sich alle einig. Dieses "mehr" | |
wollen Theweleit und Höltschl in ihrem Buch klären. Und so stelle man sich | |
Jimi Hendrix vielleicht wie eine aus dem Außerirdischen kommende | |
Starkstromleitung vor, die einen dank Musik gliederzerrüttelnd, | |
körperverrückend als anderen Menschen dastehen lässt. Und das ist doch mal | |
eine These mit Schmackes, die weiter im Text durch ein allemal launig zu | |
lesendes Assoziationsstakkato geschleppt wird. | |
Dass Theweleit dabei Transformationsprozesse am Fleisch, dem Körper also, | |
interessieren, weiß man seit seinen "Männerphantasien". Der dort | |
beschriebene Umbau des Leibes zum Körperpanzer des soldatischen Mannes | |
erfährt durch Hendrix - und das ist doch wohl Zielpunkt des Buches - | |
sozusagen einen Rückbau, hin zum "dynamischen Tötungsunwillen", was in den | |
mitschwingenden Erlösungsfantasien ein dickes Scheit Holz ist, an das man | |
sich im Brecht-Haus nicht recht herantraute. Man blieb lieber bei den | |
Spieltechniken Hendrix, die der moderierende Popjournalist Thomas Groß zu | |
Teilen als "Showmanship" sah, was Theweleit nicht bestritt. Richtig ran an | |
den Körper und damit an die Thesen des Buches zur Köperverwandlung, zur | |
Körpererweiterung durch Musik ging man jedoch nicht. Dafür hörte man noch | |
einen Song von Hendrix. Die Schulklasse hatte sich da längst still | |
verdrückt. Natürlich wurde auch an den Club der mit 27 verstorbenen Musiker | |
erinnert: Jim Morrison, Janis Joplin, Brian Jones. Jimi Hendrix. Womit ja | |
gleichfalls das Buch zu seinem Ende hin, auf den Tod Hendrix zuarbeitend, | |
rasant an Fahrt aufnimmt. Fast wie ein Jesus liegt der Gitarrist am Schluss | |
da, nur dass er ans Kreuz musste, weil man so viel in Musik konzentrierte | |
Erlösung (besser: Auflösung vertrauter Formen) nicht ertragen konnte. | |
Hendrix, das Opfer. Das selbst seine Liebe opferte, in einem Ritual am | |
Schluss seiner Shows, wenn er eine Gitarre in Brand setzte. Was das nun | |
sein soll? Klamme Ratlosigkeit bei diesem Punkt auf dem Podium. | |
Jimi Hendrix bleibt ein Geheimnis. Jeff Beck, ein außerordentlicher | |
Gitarrist auch er, hat es knapp zusammengefasst: "Hendrix tat genau, was | |
ich wollte. Ich konnte es bloß nicht." | |
20 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Thomas Mauch | |
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