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# taz.de -- Der Diener ohne Unterleib
> MINIDRAMEN „Mensch, Puppe!“ bringt drei Einakter von Tschechow auf die
> Bühne – zwischen Schauspiel und Figurentheater. Und mit Buteninszenierung
> der Freien Szene
VON ANDREAS SCHNELL
Die „kleinsten Dramen der Welt“, das ist ein Superlativ, der, träfe er nun
zu oder nicht, eigentlich nicht nötig wäre. Allerdings stammt er von
Tschechow selbst, der an einen Freund schrieb: „Ich habe ein Stück auf 4
Viertelchen geschrieben. Zu spielen in 15–20 Minuten. Das kleinste Drama
der Welt. Überhaupt ist es besser, kleine Sachen zu schreiben als große:
Der Anspruch ist klein, und der Erfolg doch da ... Was braucht man mehr?“
Was gewiss ein wenig kokett sein mag. Aber nicht nur vom Standpunkt des
Dramatikers aus sinnig ist, ökonomisch zumindest. Der Anspruch, diese
Mini-Dramen als Crossover aus Figurentheater und Schauspiel auf die Bühne
zu bringen, ist dabei schon weniger klein. Figurentheater gilt schließlich
immer noch weithin als Kindervergnügen, am besten mit dem Hohensteiner
Kasper.
Die Bremer Truppe „Mensch, Puppe!“ (Binnenreim nicht beabsichtigt) hat dies
nun unternommen und im September auf die kleine Bühne des Theaterkontors
gebracht. Und die Problematik der freien Szene gleichsam hinein-, oder
besser: heruminszeniert, als Theater ums Theater. Das dreiköpfige Ensemble
stellt sich nämlich zunächst als russisches Reisetheater vor, die Bühne ist
noch nicht ganz fertig, ist ja alles zu viel Arbeit, dünne Personaldecke
und so und „schwääärrr“ für ein Tourneetheater, als das Publikum seine
Plätze bereits eingenommen hat, und weil der Spaß ja nun beginnen soll,
geraten die beiden Bühnenarbeiter (Leo Mosler und Markus Seuss) aneinander
und beginnen, sich zu verprügeln. Bis die Chefin Natascha (Claudia Spörri)
einschreitet und die Streithähne trennt.
Der Abend fährt dann eher melancholisch fort, mit dem „Schwanengesang“,
einem Stück über einen alten Schauspieler und einen Souffleur, die sich
lange nach der Vorstellung zufällig begegnen, der eine trüben Sinnes über
die Vergeblichkeit seiner Kunst sinnierend, der andere mit weit
handfesteren Sorgen. Denn er hat sich einen stillen Platz unter der Bühne
als Nachtlager auserkoren, weil er nicht weiß wohin. Jenes Stück ist es
übrigens, über das Tschechow schrieb, es sei das kleinste Drama der Welt.
Und darin doch Großes über das Theater erzählt und damit natürlich über die
Welt, in der es stattfindet, von der es erzählt. Von der Vergänglichkeit
nicht nur der Kunst, sondern auch menschlichen Strebens, von Eitelkeiten
und Projektionen, aber auch von der Kraft der großen Stoffe.
Henrike Vahrmeyers Inszenierung lässt der Geschichte ihre elegische
Stimmung, zu der die hinreißende Schauspielerfigur (Entwürfe: Hagen Tilp,
Puppenbau: Robert Rudat, Mia Stolle und Katja Weinhold) ihr Übriges
beiträgt. Auch in den anderen beiden Stücken erwachen diese fragilen Puppen
in Schauspielerhand zum Leben, wobei vor allem der unterleibslose Diener
aus „Der Bär“ bleibenderen Eindruck hinterlässt als Claudia Spörri und
Markus Seuss, die das unter undenkbar ungünstigen Umständen einander
begegnende Menschenpaar spielen.
Besser gelingt das in der „Tragödie wider Willen“, die das Elend eines
Schreibstubentäters ausführt, der unter der Doppelbelastung von
sommerlichem Datschenleben und Berufstätigkeit leidet. Seuss spielt diesen
hier halb als Mensch, halb als Puppe und schlägt sich mehr als beachtlich
in dem für ihn ja noch recht neuen Fach, während Mosler andersherum ganz
figurenlos zeigt, was für ein feinfühliger und vielseitiger Schauspieler in
ihm steckt.
Das Potenzial des Figurentheaters zu erforschen gibt es übrigens nicht nur
in den „Einaktern“, sondern auch in einem Monat beim Geburtstagsfestival
von „Mensch, Puppe!“, wenn von Donnerstag, den 6. bis Sonntag, den 9.
November Inszenierungen aus Bremerhaven, München und Stuttgart in Bremen
gastieren, für Kinder wie für Erwachsene. Nähere Informationen demnächst
auf der Internetseite [1][menschpuppe.de].
■ die nächsten Aufführungen: Freitag, 10. 10. & Samstag, 18.1 0., 20 Uhr,
Mensch, Puppe!, Theaterkontor, Schildstr. 21
4 Oct 2014
## LINKS
[1] http://menschpuppe.de
## AUTOREN
ANDREAS SCHNELL
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