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# taz.de -- Der Derby-Sieger und Hitlers Schwager
> Das Spring-Derby in Klein Flottbek – ein deutsches Geschichtsbuch  ■ …
> Karl Morgenstern
Gestern begann es zum 70sten Mal: Das Deutsche Spring-Derby in Klein
Flottbek, das bis zum Sonntag andauert, ist nicht nur ein Höhepunkt im
internationalen Reitsport und Treffpunkt zumindest der hanseatischen feinen
Gesellschaft. Es geriet, seit es 1920 zum ersten Mal ausgetragen wurde,
auch zu einem Spiegel der unschönen Seiten deutscher Geschichte.
69mal wurde bisher um das Blaue Sieger-Band geritten; achtmal – von 1940
bis 1948 – mußte das traditionsreichste deutsche Reitturnier ausfallen,
außerdem wurde es im Olympiajahr 1972 ausgesetzt. International wurde es
erst Anfang der 50er Jahre. Das alles ist – vor dem 70. Deutschen
Spring-Derby am kommenden Sonntag – pure Statistik.
Tauchten in den Gründerjahren vornehmlich die Namen vieler bekannter
deutscher Adelsgeschlechter in den Ergebnislisten auf – Prinz Sigismund von
Preußen war 1925 Siebter – so traten später Kavallerieoffiziere in den
Vordergrund. Und dann auch schon bald SS-Reiter. Carl Friedrich Freiherr
von Langen, der als Dressurreiter 1928 in Amsterdam doppeltes Gold und als
Springreiter dreimal (1924, 1927 und 1928) das Derby gewann, wurde zur
reiterlichen Legende. Als SA-Reiterführer aber spielte er später eine
unrühmliche Rolle.
Der zweimalige Derby-Sieger Marten von Barnekow holte zusammen mit Heinz
Brandt bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin Team-Gold. Der ehrgeizige
Offizier Heinz Brandt wurde später stellvertretender Chef der
Operationsabteilung des Generalstabes des Heeres. Er erlag am 22. Juli 1944
den schweren Verletzungen, die er sich zwei Tage zuvor beim Attentat auf
Adolf Hitler zugezogen hatte. Brandt hatte im Führerhauptquartier die ihn
störende Aktentasche Graf von Stauffenbergs mit der Bombe an den Rand des
Kartentisches gestellt; so wurde er selbst zum Opfer und rettete den Mann,
dem die Widerstandskämpfer des 20. Juli diese Bombe zugedacht hatten.
Ins Buch der Geschichte trug sich auch Hermann Fegelein ein. Der
Derbysieger von 1937 gehörte zu den prominentesten „schwarzen Reitern“,
leitete die SS-Hauptreitschule in München und führte später eine
SS-Kavallerie-Brigade in der Sowjetunion. Der mit Margarete Braun, der
Schwester Eva Brauns, verheiratete SS-General wurde das letzte unmittelbare
Opfer seines Schwagers: Fegelein, dem später bescheinigt wurde, wiederholt
Juden vor den Gaskammern bewahrt und sich für den inhaftierten Kölner
Bankier Pferdmenges eingesetzt zu haben, wurde kurz vor Kriegsende am 28.
April 1945 im Garten der Reichskanzlei auf Hitlers Anordnung ohne Verfahren
wegen „Feigheit vor dem Feind“ erschossen.
Opfer der braunen Machthaber wurde auch der Schöpfer des Derbys, der
begeisterte Turnierreiter Eduard F. Pulvermann, der 1920 zum Auftakt
Sechster geworden war. Die Nazis quälten den angesehenen Hamburger Kaufmann
im KZ Neuengamme zu Tode. Der Vorwurf des Landesverrats war absurd gewesen.
Eduard F. Pulvermann, der England liebte, war den Nazis einfach mißliebig
gewesen.
Erst 1949, als alles wieder anfing, wurde es in Klein Flottbek so richtig
bürgerlich – vor allem großbürgerlich.
14 May 1999
## AUTOREN
Karl Morgenstern
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