| # taz.de -- Denn sie können nicht wie sie wollen | |
| > DFB-Pokal-Endspiele in Berlin: Bei den Frauen gewinnt der FSV Frankfurt | |
| > mit 1:0 gegen den TSV Siegen/ Borussia Mönchengladbach gibt sich erst | |
| > nach Elfmeterschießen Hannover 96 geschlagen ■ Aus Berlin Nikolaus | |
| > Hillmann | |
| Die Ehre des Erstgenannten sei hier dem zuteil, dem sie auch wirklich | |
| gebührt. Der Mensch des Tages war am Sonnabend ohne jeden Zweifel Gabi | |
| König; und zwar ganz einfach deswegen, weil sie ein Tor geschossen hat. Das | |
| Tor nämlich, das einzige, das achtundachtzig Beine in zweihundert Minuten | |
| finaler Bolzerei zustande brachten. | |
| Doch geschwätzt haben sie hinterher nur über andere, die 77.000 Pilgerer | |
| zum fast schon heiligen Ort der Pokalfinals, die das betonbröckelige | |
| Berliner Olympiastadion füllten. Namen wie Schönberg, Wojcicki, Sievers | |
| oder gar Lorkowski wurden hemmungslos zum Abendhimmel gebrüllt; unter | |
| Tränen dagegen Kamps, Fach, Pflipsen oder einfach Scheiße gemurmelt. | |
| Die Gründe hierzu lassen sich einfach zusammenfassen. Zweimal hat nämlich | |
| in den diesjährigen Endspielen der hohe Außenseiter dem krassen Favoriten | |
| den so heiß begehrten wie furchtbar häßlichen Pott weggeschnappt, nur hat | |
| der Ausgang des Frauenendspieles mal wieder keine Sau interessiert, und um | |
| 18Uhr war Gabi König schon vergessen. | |
| Dabei hätten alle vier beteiligten Mannschaften verdient, daß die | |
| Erinnerung an ihre Leistungen nicht allzu lange währt. Und hierbei müssen | |
| sich die Frauen wohl ein wenig mehr Kritik gefallen lassen. Mit dem FSV | |
| Frankfurt und TSV Siegen standen die beiden besten Bundesligisten auf dem | |
| Rasen, doch mehr als ein wenig verschnarchter Freizeitkick mochten sie eine | |
| Stunde lang nicht zeigen; wofür sie ein wenig zu entschuldigen sind, denn | |
| der DFB setzt ihr Spiel gemeinerweise als Vorprogramm zum Männerfinale an, | |
| zu einem Zeitpunkt, wo im Olympiastadion die größte Hitze herrscht. | |
| Dennoch fiel jenes berühmte und einzige Tor. Anschließend ging es bis zum | |
| Schlußpfiff rasant meist in Richtung Frankfurter Tor, doch selbst so | |
| torgefährliche Nationalspielerinnen wie Silvia Neid oder Martina Voss | |
| konnten die geschickte Frankfurter Verteidigung nicht mehr überlisten. | |
| Ergebnis: schon um 17Uhr erste Tränen, Freudentänze und doch noch ein | |
| Titel, der ins Hessische geht. | |
| Für die Hauptveranstaltung des Tages hatten sich die Fans in Bescheidenheit | |
| geübt. „Wer nicht kann, aber will, spielt vielleicht besser, als wer kann, | |
| aber nicht will“, so Mönchengladbacher Fan-Logik in der U-Bahn, während die | |
| Hools aus der Stadt der grinsenden Kekse in heftiger Atonalität drohten: | |
| „Jedes Jahr ein Kind, bis wir 96 sind.“ | |
| Was blieb ihnen auch anderes übrig, schließlich gilt ihr hannoverscher SV | |
| als eine der gefürchtetsten Mauermannschaften der zweiten Liga, die | |
| ebensowenig Tore schießt, wie sie kassiert. Zu allem Überfluß hatte Trainer | |
| Michael Lorkowski auch noch eine besonders raffinierte Taktik versprochen: | |
| „Wir wollen so lange wie möglich das 0:0 halten.“ | |
| Das mag den Borussen aus Mönchengladbach heftiges Bauchweh verursacht | |
| haben, denn schließlich haben sie die Tradition ihrer Urahnen, der Erfinder | |
| des modernen Offensivspieles, nachhaltig vergessen; oberstes Ziel war, sich | |
| gegen die unterklassigen 96er bloß nicht zu blamieren, was vorher ja schon | |
| Vizemeister Dortmund und Europacupsieger Bremen widerfahren war. | |
| So war die Stimmung im Stadion im Vergleich zu den Vorjahren recht | |
| zurückhaltend, nicht eine popelige La-Ola-Welle wurde zustande gebracht, | |
| und selbst über den köstlichen Scherz des Regierenden Bürgermeisters E. | |
| Diepgen lachte niemand, als der dem DFB vor dem Spiel die alte | |
| Meistertrophäe „Victoria“ zurückgab („Vielleicht gewinnt mal eine heimi… | |
| Mannschaft einen solchen Pokal“). | |
| Wie das genau zu bewerkstelligen ist, führte Hannover 96 gnadenlos vor. | |
| Dazu bedurfte es lediglich einiger ganz schelmischer Schlitzohren. Den | |
| schon erwähnten Trainer zum Beispiel, der die angedrohte Riegeltaktik | |
| zumindest für die erste Halbzeit verwarf und seine Jungs zwar | |
| dilettantisch, aber munter stürmen ließ. | |
| Und tatsächlich mußte der Gladbacher Pokalheldtorwart Kamps mehr schwitzen | |
| als ein Pendant Jörg Sievers. Gut ein halbes Dutzend hervorragender Chancen | |
| erspielten sich die Hannoveraner, meist eingeleitet von ihrem zweiten | |
| Schelm, Milos Djelmas, der meist nicht nur seine Gegner, sondern auch sich | |
| selbst austrickste. Gemeinsam mit Bernd Heemsoth brachte er es gar fertig, | |
| dreimal hintereinander direkt vor dem Tor an Kamps zu scheitern. | |
| Die Mönchengladbacher brachten da noch weniger zustande. Ein paar Kopfbälle | |
| in Richtung Tor, zwei kläglich von Dahlin und Pflipsen vergebene Soli in | |
| der Verlängerung, und schon war der langweilige Teil dieses Finales | |
| überstanden. | |
| Es konnte bei diesen Mannschaften gar kein anderes Ende geben als durch | |
| Elfmeterschießen. Die entscheidende Wende gab ihm Hannovers Libero Roman | |
| Wojcicki, als er in geradezu boshafter Lässigkeit sich den Ball erst | |
| dreimal auf dem Punkt zurechtlegte, um ihn anschließend mit Hilfe des | |
| Innenpfostens ins Tor zu schlappen. Hernach hielt Sievers zwei und Kamps | |
| einen Elfer, der allerletzte Strafstoß mußte entscheiden. Dies erledigte | |
| der dänische Fischer Michael Schönberg so ruhig, wie er zu Hause einst die | |
| Netze knüpfte, was ihm nach eigener Aussage „so viel Spaß machte, wie | |
| Elfmeterschießen“. | |
| TSV Siegen: Marion Isbert - Birgit Wiese - Andrea Euteneuer, Karin Sänger - | |
| Marijan Veldhuizen, Loes Camper, Martina Voss, Silvia Neid, Heike | |
| Czyganowski (58. Christina Schmidt) - Monika Meyer (55. Csilla Pal), Gaby | |
| Mink | |
| Tore: 1:0 Gaby König (58.) | |
| Zuschauer: 30.000 | |
| Borussia Mönchengladbach: Kamps - Fach - Klinkert, Huschbeck (46. Stadler) | |
| - Kastenmaier, Pflipsen, Hochstätter, Schneider, Neun - Max (77. Dahlin), | |
| Criens | |
| Hannover 96: Sievers - Wojcicki - Klütz, Sundermann - Heemsoth (120. | |
| Kuhlmey), Kretzschmar, Surmann, Freund, Schönberg - Djelmas, Koch (71. | |
| Jursch) | |
| Elfmeterschießen: 1:0 Kastenmaier, 1:1 Djelmas, 2:1 Criens, 2:2 Wojcicki, | |
| Sievers hält Pflipsens Schuß, Kamps hält Freunds Schuß, Sievers hält Fachs | |
| Schuß, 2:3 Kretzschmar, 3:3 Neun, 3:4 Schönberg; Zuschauer: 76.200 | |
| 25 May 1992 | |
| ## AUTOREN | |
| nikolaus hillmann | |
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