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# taz.de -- Debattenbeitrag: Vergesst Landowsky!
> Die Finanzmarktkrise zeigt: Politik und Wirtschaft haben nichts aus dem
> Berliner Bankenskandal gelernt.
Bild: Klaus Landowsky mit seinem Anwalt Cord Henrich Heinichen vor Gericht
Ja, Klaus-Rüdiger Landowsky ist einer der Verantwortlichen für den Berliner
Bankenskandal. Ja, er ist ein verurteilter Straftäter. Ja, Landowsky hat
als Bankdirektor Parteispenden von CDU-Freunden angenommen, die
gleichzeitig Kreditkunden seiner Bank, der Berlin Hyp, waren und diese in
einem System aus schwarzen Kassen versickern lassen. Ja, er war ein
begnadeter Machtmissbraucher. Ja, Landowsky hat sich nicht nur mit seiner
"Ratten-Rede", in der er Menschen mit Ratten verglich, als
Menschenverächter erwiesen, der in jedem halbwegs aufgeklärten Menschen
Abneigung hervorrufen muss. Ja, Landowsky war der politische Arm der
Wilmersdorfer Witwen und ist damit ein miefiges Relikt längst vergangener
Westberliner Urzeiten. Und ja, es ist verständlich, dass viele es als
Genugtuung ansehen, wenn er erneut vor Gericht steht und ihm nun sogar eine
mehrjährige Haftstrafe droht.
Doch nein, Landowsky ist nicht der große Pate, der als menschliche
Verkörperung des Bankenskandals gelten könnte. So wichtig sollte man ihn
nicht nehmen. Denn er war nur ein Antriebsrad im Getriebe eines riesigen
Bankenkonzerns und konnte es eben nicht lassen, den größenwahnsinnigen
Politbanker zu geben. Dies kostete ihn während der Bankenkrise 2001 alle
Ämter in Bank und Politik.
Damit ging ein absoluter Reputationsverlust des einstigen selbst ernannten
Kleine-Leute-Politikers einher. Der mitregierenden SPD kam das gerade
recht, hatte sie doch in Landowsky den perfekten Schurken gefunden und
gleichzeitig das Glück, keinen großen Schurken in ihren Reihen zu haben.
Dafür tummelten sich bei der SPD einige kleine Landowskys: ob Dietmar
Staffelt (Exfraktionschef), Annette Fugmann-Heesing (Exfinanzsenatorin)
oder Norbert Meisner (Exwirtschaftssenator) - alle SPD, alle
mitverantwortlich, alle ungeschoren davongekommen und teilweise noch heute
in Amt und Würden.
Landowsky war Vorstandsvorsitzender der Berlin Hyp als Teilbank der
Bankgesellschaft und zuständig für die Steuerung des gesamten
Immobilienbereichs des Konzerns. Seit 1996 war er Mitglied im Aufsichtsrat
der Immobilien- und Baumanagement der Bankgesellschaft Berlin (IBG). Bei
dieser Gesellschaft handelte es sich um einen Konzern unter dem Dach der
Bankgesellschaft. Hier wurden die berüchtigten Garantiefonds aufgelegt. Den
Fondszeichnern wurden die vollen Mieteinnahmen garantiert, und zudem
konnten sie ihre Anteile nach Ablauf von 25 Jahren zu 100 Prozent des
Nominalwerts zurückgeben, nach 30 Jahren sogar zu 115 Prozent.
Gut für die Zeichner, schlecht für die Bank. Denn in die Immobilienfonds
wurden zu einem großen Teil Schrottimmobilien eingebracht, die nur
Mietmindereinnahmen erbrachten. Das bedeutet, die IBG musste aus eigener
Tasche für die garantierten Zahlungen aufkommen, und somit häuften sich bei
ihr Risiken in Milliardenhöhe. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass es
sich bei dem angeblich erfolgreichen Fondsgeschäft der IBG um ein
Schneeballgeschäft handelte, in dem immer neue und größere Immobilienfonds
aufgelegt wurden, um mit den kurzfristigen Einnahmen aus den neuen Fonds
die Garantien der zuvor aufgelegten Fonds zu bezahlen.
Dieses Geschäft war ein Hauptgrund für die Schieflage der Bankgesellschaft.
Der allseits von Politik und Vorständen gelobte Konstrukteur dieses
Schneeballgeschäfts war der zusammen mit Landowsky angeklagte Manfred
Schoeps. Und um so ein Geschäft über Jahre zu betreiben, brauchte es mehr
als einen Landowsky. Da waren Projektentwickler am Werk, die nicht in der
Lage waren, angekaufte Objekte sachgerecht zu bewerten. Da gab es
Konzernausschüsse, die die Ankäufe durchwinkten, und Aufsichtsräte, die
trotz einzelner warnender Stimmen am eingeschlagenen Weg festhielten. Da
gab es Wirtschaftsprüfer, die jahrelang nichts beanstandeten und jeden
Abschluss von IBG und Bankgesellschaft positiv testierten. Und da gab es
eine staatliche Bankenaufsicht, die schon Ende der 90er-Jahre über
gefährliche Risiken informiert war, aber erst mit aufgeblasenen Backen
einschritt, als die Bankgesellschaft 2001 schon am Boden lag.
Versagen der Prüfer
Spätestens hier sind wir an einem Punkt angelangt, der vor dem Hintergrund
der aktuellen Finanzmarktkrise von höchster Brisanz ist. Denn das am Montag
begonnene Gerichtsverfahren konzentriert sich notwendigerweise auf die
Vorstände der Bankgesellschaft. Doch es bleibt die Frage offen, wie mit dem
offensichtlichen Versagen der Wirtschaftsprüfer und der staatlichen
Bankenaufsicht umzugehen ist.
Denn diese Akteure spielen auch bei der heutigen Krise eine tragende Rolle.
Die Wirtschaftsprüfer hatten bei der SachsenLB kurz vor ihrem Zusammenbruch
nichts zu beanstanden. Im August 2008 bestätigten die Wirtschaftsprüfer der
Hypo Real Estate eine solide Geschäftsführung, im September war die Bank
pleite. Die Mittelstandsbank IKB kollabierte im Sommer 2007, den
Wirtschaftsprüfern war zuvor nichts Verdächtiges aufgefallen. Wo bleiben
die Gerichtsprozesse gegen diese Versager? Und warum wird die Arbeitsweise
einer staatlichen Bankenaufsicht nicht offensiv infrage gestellt, die sich
in ihrem Alltagsgeschäft und in ihren viel zu seltenen "Sonderprüfungen"
auf die Aussagen von Wirtschaftsprüfungsgesellschaften verlässt?
Offensichtlich haben sich die Verantwortlichen seit dem Berliner
Bankenskandal, der einst als die größte Bankenpleite der Republik galt,
einem Lernprozess konsequent verweigert. Ob nun riskante Immobilienfonds
oder hochspekulative Wertpapiergeschäfte, das System lief weiter wie
geschmiert.
Wer war verantwortlich?
Der Prozess gegen Landowsky und Co. kann also vielleicht die Frage
beantworten, ob es überhaupt juristisch verfolgbar ist, mit stark
risikobehafteten Finanzprodukten zu arbeiten. Doch die systemische Frage
nach einer Verantwortung der Kontrolleure und Aufseher bleibt unbeantwortet
- und soll es wohl auch bleiben. Hier eine wirkliche Veränderung
vorzunehmen würde eine wirkliche Reform der Finanzmärkte darstellen. Doch
das wollen die Herrschenden mit all ihren Bankenrettungspaketen verhindern,
koste es, was es wolle.
Wenn die Zivilgesellschaft - darunter hoffentlich irgendwann einmal Attac -
nicht selbst ein Protestpotenzial entwickelt, wie es die Bankenbesetzungen
während des Bildungsstreiks in den vergangenen Tagen andeuteten, wird sich
am eingeschlagenen Weg nichts ändern und dasselbe Rad mit neuen
Zierbeschlägen weitergedreht.
23 Jun 2009
## AUTOREN
Peter Grottian
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