# taz.de -- Debatte um "Kill Switch": Knopf gedrückt, Internet aus | |
> In Ägypten wurde einfach mal das ganze Internet abgeschaltet. Eine kurze | |
> und hektische Debatte gab es auch in Österreich und in Deutschland. | |
Bild: Große Anbieter könnten bei einem "Kill Switch" binnen weniger Minuten a… | |
WIEN/BERLIN taz/dpa | Im österreichischen Bundeskanzleramt wurde heftig | |
dementiert, an Plänen für einen "Kill Switch" zu arbeiten. Und auch das | |
deutsche Bundesinnenministerium ließ erklären, dass es keine Bestrebungen | |
nach einem "Not-Aus-Schalter" für das Internet gebe. Auch nicht in der EU. | |
Mit einem "Kill Switch" könnte das landesweite Internet- und Handynetz mit | |
einem Knopf abgeschaltet werden. Bisher gibt es dafür aber in beiden | |
Ländern keine gesetzliche Grundlage. | |
Die Diskussion um den "Kill Switch" war durch eine Entscheidung des | |
ägyptischen Präsidenten Mubarak stark angeheizt worden. Er ließ seine | |
Behörden die Mobilfunk- und sonstigen Internetzugangs-Provider anweisen, | |
die Internet-Router abzuschalten. Daraufhin [1][brach die | |
Internet-Kommunikation weitgehend zusammen]. | |
Das Newsportal Futurezone berief sich auf Timo Mischitz, einen | |
Verantwortlichen des GovCERT (Government Computer Emergency Response Team) | |
im österreichischen Bundeskanzleramt, als es meldete, dass EU-weit [2][an | |
einem Kill-Switch gearbeitet werde] und daher auch Österreichs Regierung | |
bald über einen derartigen "Not-Aus-Schalter" verfügen könne. "Wir treiben | |
diesen Punkt schon seit geraumer Zeit voran", so Mischitz. Man werde sich | |
im Rahmen internationaler Abkommen bewegen, wenn man festschreibt, wo und | |
wann das Internet im Falle von Attacken gekappt wird und wo es aufrecht | |
erhalten bleibt. Diese Abschaltung werde dann aber nicht national, sondern | |
auf EU-Ebene getätigt. | |
"Wenn man das Kriegsrecht ausruft, geht es wahrscheinlich schon", meint | |
Hans Zeger, Chef und Gründer der ARGE Daten, die über den Datenschutz in | |
Österreich wacht. Technisch sei das allerdings schwierig, so Zeger zur taz. | |
Knapp 95 Prozent des digitalen Datenverkehrs laufen über einen einzigen | |
Knoten, den Vienna Internet eXchange (VIX), einen im Prinzip neutralen, | |
Hochleistungs-Internet-Exchange-Point (IXP) mit nationalen und | |
internationalen Teilnehmern aus Mittel- und Osteuropa. | |
Doch die großen Anbieter könnten binnen weniger Minuten ausweichen und | |
wieder online gehen, gibt sich Zeger optimistisch. Wenn die großen Handy- | |
und Internetanbieter aber mitspielen, dann würden nur Leute, die sich gut | |
auskennen, alternative Wege finden. "Twitter und Facebook kann man relativ | |
leicht blockieren, das bekommt man in den Griff", so der | |
Datenschutzexperte. | |
Das in Wien registrierte Internet-Portal Gulli zitiert Roland Ledinger, | |
Leiter der Informations- und Kommunikationstechnologien-Strategie des | |
Bundes im österreichischen Bundeskanzleramt (IKT), der in Zusammenhang mit | |
dem "Kill Switch" von einem Missverständnis spricht. Ziel der neuen Pläne | |
zum Schutz kritischer Infrastrukturen sei nicht die Abschaltung der | |
Kommunikations-Infrastruktur, sondern vielmehr das Sicherstellen einer | |
maximalen Verfügbarkeit auch im Krisenfall. | |
Er nannte den Conficker-Ausbruch in Kärnten, als die Landesregierung sich | |
selbst offline genommen habe um eine Weiterverbreitung des Schädlings zu | |
verhindern. Das aggressive Virus hatte vor zwei Jahren die Krankenhäuser in | |
Kärnten befallen und drohte, sich weiter auszubreiten. | |
Auch die EU-weite Abschaltung der Emissionszertifikate-Börsen sei ein | |
solcher Anlassfall, meinte Ledinger gegenüber Gulli. Ob und welche | |
Sanktionen einem Provider drohen, der in einem solchen Fall nicht | |
kooperiert, konnte Ledinger nicht sagen. Dass es Sanktionen geben wird, sei | |
aber wahrscheinlich. | |
Obwohl das deutsche Bundesinnenministerium jegliche Entwicklung eines "Kill | |
Switch" abstreitet, sieht Andreas Bogk vom CCC "mit Sorge Bestrebungen in | |
Deutschland, einen ,Internet-Kill-Switch' einzuführen. | |
Bogk verwies in einem Interview mit dem Fernsehsender 3sat auf die kürzlich | |
verabschiedete Novelle des Polizei- und Ordnungsbehördengesetzes in | |
Rheinland-Pfalz. Demnach können nach richterlicher Anordnung künftig in | |
besonderen Gefahrenlagen Mobilfunkverbindungen unterbrochen werden, etwa um | |
das Fernzünden von Bomben durch Handys zu verhindern. | |
Allerdings, so Bogk gegenüber taz.de, wäre ein "Kill Switch" bisher noch | |
nicht möglich. "Technisch wäre der Bau einer entsprechenden Vorrichtung | |
aber denkbar. In der Praxis ist der einfachste Weg jedoch der ägyptische | |
Weg: die Provider per Gesetz einfach zur Abschaltung zwingen." | |
In den USA gibt es bereits seit Sommer 2010 eine Diskussion über eine | |
Gesetzesinitiative, die dem Präsidenten die Möglichkeit geben soll, im Fall | |
eines akuten Notstands wesentliche Teile des Netzes stillzulegen. Der | |
Gesetzentwurf mit der Bezeichnung "Protecting Cyberspace as a National | |
Asset Act" (Gesetz zum Schutz des Cyberspace als Nationalvermögen) wurde | |
unter anderem von dem konservativen, parteilosen Abgeordneten Joe | |
Liebermann eingebracht. | |
3 Feb 2011 | |
## LINKS | |
[1] /1/politik/nahost/artikel/1/viele-festnahmen-internet-gekappt/ | |
[2] http://www.futurezone.at/stories/1665581/ | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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