# taz.de -- Debatte Postkapitalismus (IV): Die neuen Trümmerfrauen | |
> Die Krise ist eine Kampfansage an rein männlich besetzte Führungsetagen. | |
> Künftig wird man ihre Inkompetenz nicht mehr einfach akzeptieren | |
Er ist in aller Munde, der Ruf nach den Trümmerfrauen der Nation. Nachdem | |
die überwiegend männliche Führungselite der Weltwirtschaft ganz | |
offensichtlich in der Breite versagt hat, gewinnt die alte Forderung nach | |
mehr Frauen in Führungspositionen ein neues Gewicht und eine ganz andere | |
Bedeutung. Bisher kamen diese Forderungen aus der Frauenrechtsbewegung und | |
immer wieder auch aus den Kreisen der Bündnisgrünen. Auf Initiative von | |
Irmingard Schewe-Gerigk brachten sie entsprechende Gesetzesvorschläge im | |
Bundestag ein und scheiterten damit. Seit der Krise ist das anders. | |
Jetzt gehts um das nackte Überleben, um den Kampf raus aus der Krise. Da | |
sind auch ungewöhnliche Methoden recht. Niemand lächelt mehr über Ansgar | |
Gabrielsen, Norwegens früheren konservativen Wirtschaftsminister und | |
Urheber des weltweit ersten Gesetzes, das Quoten für Aufsichtsräte | |
börsennotierter Unternehmen vorschreibt. Seine Begründung: Norwegens | |
Wirtschaft kann sich so viel Inkompetenz in den Führungsetagen nicht mehr | |
länger leisten. Bei einer Anhörung im Deutschen Bundestag fügt er hinzu, er | |
glaube nicht, dass Deutschland sich das leisten könne. Um die | |
Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu stärken, will Siemens-Chef Löscher | |
jetzt unter Verweis auf die "weiße, männliche Lehmschicht im mittleren | |
Management" Stellen abbauen sowie mehr Frauen befördern und holt auch | |
gleich die nunmehr zweite Frau in einem DAX-30-Vorstand in seine | |
Führungsriege. | |
Seit dem 17. März sind Frauen in Führung auch ein Wahlkampfthema - Franz | |
Müntefering verkündete öffentlich seine Unterstützung für die Forderungen | |
der Nürnberger Resolution. Um genau zu sein, er fordert wie diese ein | |
Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft, eine 40-Prozent-Quote für | |
Frauen in Aufsichtsräten bis 2013, eine Datenbank mit Kandidatinnen und | |
Qualitätskriterien für die Besetzung von Aufsichtsratsposten. Auch bei ihm | |
spielen nicht nur die über 50 Prozent weiblichen Wähler eine Rolle, sondern | |
vor allem ökonomische Aspekte. | |
Was ist dran an der These, dass Frauen die besseren Manager sind? Um es | |
kurz zu sagen: Frauen sind nicht besser, sie sind anders. Dass gemischte | |
Teams bessere Ergebnisse erbringen, ist kein Novum. Dass man dies getrost | |
auch auf die Top-Führungs-Etagen übertragen kann, ist auch nicht neu - aber | |
weniger bekannt. Seit Jahren gibt es seriöse Studien, etwa von McKinsey, | |
die sauber nachweisen, dass in Unternehmen mit einem überdurchschnittlichen | |
Frauenanteil im Topmanagement operative und finanzielle Betriebsergebnisse | |
deutlich über denen des jeweiligen Branchendurchschnitts liegen. Bisher war | |
man dafür in der Wirtschaft blind. Da führte auch der erhebliche "Discount" | |
für Managerinnen - der Gehaltsunterschied beträgt in Deutschland 23 Prozent | |
- nicht zu einem rationalen wirtschaftlichen Verhalten, demzufolge man bei | |
diesem Preisvorteil vermehrt Frauen in Führungspositionen hätte befördern | |
müssen. Stattdessen zeigt die Hoppenstedt Datenbank für 2008 erstmals einen | |
Rückgang von Frauen in Top-Führungs-Positionen. | |
Untersuchungen im von der Finanzkrise europaweit am stärksten gebeutelten | |
Island zeigen, dass in den letzten Jahren der Frauenanteil in den Banken | |
sank und ein Ersatz vor allem durch junge und unerfahrene Männer erfolgte. | |
Nach Professorin und Wirtschaftsberaterin Gertrud Höhler aber verfügen | |
Frauen über besondere Sensoren für Risiken, man könnte auch sagen, sie sind | |
risikoscheuer und legen daher großen Wert darauf, Sachverhalte zu | |
durchschauen. Dies sind alles Kompetenzen, die ganz offensichtlich in den | |
Steuerungs- und Kontrollgremien der Weltwirtschaft unzureichend vorhanden | |
waren - erst dadurch wurde eine Krise derartigen Ausmaßes möglich. | |
Studien von Catalyst haben schon vor Jahren gezeigt, dass die | |
Führungsqualitäten gemischtgeschlechtlicher Kontrollgremien besser ist. | |
Trotzdem gibt es keinerlei Anzeichen aus der Regierungskommission Deutscher | |
Corporate Governance Codex, Gender Diversity als Qualitätskriterium in die | |
Empfehlungen des Kodexes aufzunehmen. Es ist auch hinlänglich bekannt, dass | |
Postenhäufung ein verbreitetes Phänomen ist, nicht nur in Deutschland. | |
Gleich und gleich gesellt sich gern - das Old Boys Network funktioniert | |
zuverlässig, wenn mal wieder ein Pöstchen zu besetzen ist. Die Abwesenheit | |
von Frauen führt dazu, dass die Männer unter sich bleiben; verbunden mit | |
der Ämterhäufung führt das dazu, dass sie in großem Maßstab miteinander | |
verflochten und verwoben sind - in einem gigantischen Netzwerk, in dem | |
Risikokontrolle ersetzt wird durch den Grundsatz: "Eine Krähe hackt der | |
anderen kein Auge aus". | |
Aufsichtsrätinnen großer Unternehmen berichten, wie sie immer wieder die | |
Einzigen sind, die unbequeme Fragen stellen und Gutachten und Nachweise | |
fordern, bevor sie einem Vorschlag zustimmen, der ohne sie einfach | |
durchgewunken worden wäre. Es ist wohl auch kein Zufall, dass Skandale wie | |
die von Enron oder Worldcom von Frauen aufgedeckt wurden. Aber so, wie eine | |
Schwalbe noch keinen Frühling macht, so kann eine einzelne Frau nicht das | |
Abstimmungsverhalten in Aufsichtsgremien verändern. Auch die Studie von | |
McKinsey zeigt, dass eine Mindestanzahl von drei Frauen notwendig ist, um | |
die dramatisch positiven Effekte in den wirtschaftlichen Ergebnissen zu | |
erreichen. Hier kommt die Quote ins Spiel. Macht wird nicht freiwillig | |
geteilt. Die auf Freiwilligkeit basierende Vereinbarung zwischen den | |
Spitzenverbänden der Wirtschaft und der Bundesregierung bilanziert | |
folgerichtig Jahr für Jahr die ausbleibende Veränderung in Deutschlands | |
Führungsetagen. Microsoft - mit vier Müttern in der deutschen | |
Geschäftsleitung - bleibt eine einsame Ausnahme. | |
Jede Krise birgt eine Chance auf systemische Veränderungen. Die | |
Wirtschaftskrise schafft ein Zeitfenster, das wir nutzen können, um die | |
Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft auf ein neues Niveau zu heben. | |
Wir brauchen ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft und eine | |
Geschlechterquote für Aufsichtsräte. Da Aufsichtsräte wiederum Vorstände | |
berufen, bringen mehr weibliche Aufsichtsräte mittelfristig auch mehr | |
Frauen in die Vorstände - auch hier hält Deutschland einen traurigen | |
Negativrekord. Es ist anzunehmen, dass außerdem ein weiterer Schandfleck | |
blasser werden wird - der Gehaltsunterschied von 23 Prozent zwischen | |
Männern und Frauen. | |
Um die Quote bis 2013 umsetzen zu können, brauchen wir jedoch auch mehr | |
Transparenz, in erster Linie Qualitätsstandards für die Besetzung | |
derartiger Positionen. Weiterhin braucht es eine nationale Datenbank mit | |
geeigneten Kandidatinnen, die diesen Qualitätsstandards entsprechen - damit | |
sich kein Vorstand mehr herausreden kann, es hätte ja keine qualifizierte | |
Frau gegeben. Last but not least können deutschlandweite | |
Qualifikationsprogramme nach norwegischem Vorbild dazu beitragen, dass wir | |
dieses Ziel genauso problemlos erreichen wie Norwegen - dort gibt es | |
aktuell 44 Prozent Frauen in Aufsichtsräten, eine freiwillige Übererfüllung | |
der Quote. | |
23 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
Anke Domscheit | |
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