# taz.de -- Debatte "Islamophobie": Das reine Ressentiment | |
> Von "Islamophobie" ist oft die Rede, wenn es um Vorurteile gegen Muslime | |
> geht. Besser wäre es aber, von Muslimenfeindlichkeit zu sprechen, denn | |
> "Islamophobie" ist eher ein Kampfbegriff. | |
Bild: Prägte das Wort "Islamophobie" als politischen Kampfbegriff: Ayatollah C… | |
Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 lässt sich in vielen | |
westlichen Ländern eine Zunahme von Ressentiments und Vorurteilen gegen den | |
Islam und die Muslime fest stellen. Um dieses gesellschaftliche Phänomen zu | |
fassen, hat sich der Begriff "Islamophobie" eingebürgert. | |
Aber ist dieser Begriff brauchbar, um im Sinne der Vorurteilsforschung ein | |
spezifisches Ressentiment gegen Muslime zu fassen? Schließlich gibt es | |
einen klaren Unterschied zwischen fremdenfeindlich motivierter Hetze und | |
einer - oft menschenrechtlich begründeten - Kritik am Islam und den | |
Muslimen. | |
Wenn man sich die Entstehungsgeschichte des Wortes anschaut, muss man an | |
dessen Tauglichkeit und begrifflicher Trennschärfe zweifeln. Glaubt man den | |
Publizistinnen Caroline Fourest und Fiammetta Venner, dann kam das Wort | |
erstmals im Iran nach der Islamischen Revolution von 1979 auf: Den Mullahs | |
diente er als politischer Kampfbegriff, um ihre Gegner zu diffamieren. | |
Bis in die Gegenwart wird der Begriff in diesem Sinne durch islamische und | |
islamistische Organisationen wie die Islamic Human Rights Commission in | |
Großbritannien instrumentalisiert, die fast jede kritische Stimme mit | |
diesem Schlagwort belegt. Zum anderen steht "Phobie" von der Wortbedeutung | |
her für ein besonders ausgeprägtes Gefühl der Angst, das über ein | |
vertretbares Maß hinausweist. Es soll hier aber nicht um individuelle | |
Emotionen, sondern um reale Diskriminierung gehen und um eine | |
Feindseligkeit, die sich gegen Muslime als Muslime richtet. | |
Ein politischer Kampfbegriff? | |
Diese Feindseligkeit lässt sich nicht auf Einwände gegen bestimmte | |
Glaubensmaximen des Islam oder bestimmte religiöse Praktiken von Muslimen | |
oder auf eine Kritik an mangelnder Integrationsbereitschaft oder | |
problematischen Geschlechterbildern reduzieren, sondern geht weit darüber | |
hinaus. | |
Es handelt sich vielmehr um Vorurteile gegen Individuen, die - ganz | |
unabhängig von deren Einstellungen und Handlungen - allein auf der | |
Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe beruht. Es geht dabei also nicht um | |
die Haltung gegenüber einer spezifischen Religion, sondern um die | |
Einstellung gegenüber einer bestimmten Menschengruppe. | |
Die Art und Weise, in der häufig von "Islamophobie" gesprochen wird, lässt | |
solche Differenzierungen leider vermissen. So nahm der britische Runnymede | |
Trust in den Kriterienkatalog seines Berichts über "Islamophobie" 1997 auch | |
"die monolithische Deutung des Islam" und das Empfinden von dessen "Anders- | |
und Fremdsein" auf. Solche Auffassungen können aber auch auf schlichtem | |
Unwissen oder der Verallgemeinerung von persönlichen Erfahrungen beruhen. | |
Auch der "Islamophobie"-Definition des Bielefelder Instituts für Konflikt- | |
und Gewaltforschung fehlt es an Trennschärfe. In seinem Projekt über | |
"Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" (GMF) sah man 2003 und 2005 sogar | |
in der Aussage, der Islam habe "keine bewundernswerte Kultur | |
hervorgebracht", ein Indiz diffuser Feindschaft gegen Muslime. | |
Als "Islamophobie" galt dem Bielefelder Institut für Konflikt- und | |
Gewaltforschung bereits eine generell ablehnende Einstellung gegenüber | |
muslimischen Personen und allen Glaubensrichtungen, Symbolen und religiösen | |
Praktiken des Islam. Bereits in dieser Definition aber geraten die Ebenen | |
durcheinander. | |
Denn warum muss die Ablehnung aller Praktiken und Symbole des Islam bereits | |
für eine Feindseligkeit gegenüber allen Muslimen sprechen? Auch Atheisten | |
und andere können zu so einer Einstellung kommen, wenn sie sich einem | |
anderen Glauben oder einer säkularen Weltanschauung zugehörig fühlen. | |
Nein zum Islam, Ja zum Muslim | |
Mit einer Ablehnung des Islam muss sich nicht automatisch eine Ablehnung | |
von Muslimen verbinden. Dies zeigen sogar die Daten der GMF-Studie selbst: | |
Während zwar eine Mehrheit von 65,9 Prozent im Jahre 2003 der Aussage | |
widersprachen: "Die muslimische Kultur passt durchaus in unsere westliche | |
Welt", wiesen 65,6 Prozent zugleich die Aussage: "Bei Personen muslimischen | |
Glaubens bin ich misstrauischer", weit von sich. | |
Auch andere empirische Studien zeigen, dass es zwar eine deutliche Zunahme | |
von Kritik und Ressentiments gegen den Islam gibt. Das geht aber nicht | |
automatisch mit einer wachsenden Feindseligkeit gegen Muslime einher. | |
Sowohl empirische wie theoretische Argumente sprechen daher dagegen, | |
pauschal von "Islamophobie" zu reden. | |
Mehr als ein Streit um Worte | |
Besser sollte man vielleicht von "Antimuslimismus" oder | |
"Muslimenfeindschaft" sprechen. Diese beiden synonymen Begriffe zielen auf | |
die Feindseligkeit gegenüber Muslimen als Muslime ab. Es handelt sich hier | |
nicht um einen bloßen Streit um Worte, die Bezeichnungen stehen vielmehr | |
für unterschiedliche Inhalte. Wenn von "Antimuslimismus" die Rede ist, dann | |
ist jedenfalls klar, dass es dabei nicht um die Kritik an der muslimischen | |
Religion geht, wie immer rational und begründet diese auch sein mag. | |
Woran aber lässt sich Muslimenfeindlichkeit beziehungsweise | |
"Antimuslimismus" erkennen? Zum Beispiel daran, dass man der Forderung | |
zustimmt: "Muslimen sollte jede Form der Religionsausübung in Deutschland | |
untersagt werden." Auch die Haltung, dass der Bau von Moscheen verboten | |
werden sollte, kann als Ausdruck von Antimuslimismus gesehen werden. Man | |
mag diese Auffassung damit begründen, dass man in neuen Moscheebauten eine | |
Gefahr für die Integration sieht. Sie schränkt aber die Grundrechte einer | |
ganzen Minderheit - allein aufgrund deren religiöser Zugehörigkeit - ein. | |
Wer dagegen der Meinung ist, dass sich der Islam "auf freiheitsfeindliche | |
und überkommene Regeln und Werte" stütze, oder findet, dass sich "besonders | |
gläubige Muslime bewusst von der Mehrheitsgesellschaft abgrenzen", sollte | |
sich nicht dem Vorwurf der Muslimenfeindlichkeit ausgesetzt sehen. Eine | |
solche Kritik bezieht sich auf bestimmte Aspekte der Religion oder ein | |
bestimmtes Sozialverhalten. Sie diffamiert aber nicht pauschal alle Muslime | |
als Individuen und Angehörige einer Minderheit. Auf genau diesen | |
Unterschied kommt es aber an. | |
19 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Armin Pfahl-Traughber | |
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