# taz.de -- Debatte Iran: Religiöse Minderheit unter Druck | |
> Seit der "islamischen Revolution" vor 30 Jahren war die Lage der Bahai im | |
> Iran nie gut. Doch seit Präsident Ahmadinedschad das Land regiert, hat | |
> sie sich spürbar verschlechtert | |
Antiamerikanismus, die Feindschaft gegen Israel, ein Rechtssystem, das Mann | |
und Frau nicht als gleichberechtigt anerkennt, und eine Herrschaftsdoktrin, | |
die sich die "Herrschaft des Obersten Rechtsgelehrten" nennt, bestimmen das | |
Denken und Handeln der Islamischen Republik Iran seit der Revolution von | |
1979. Daneben gibt es noch eine weitere, weniger bekannte Konstante: die | |
Feindschaft gegen die religiöse Minderheit der Bahai. In Iran, dem | |
Ursprungsland dieser Religion, leben heute noch schätzungsweise 350.000 | |
Bahai; sie stellen damit die mit Abstand größte religiöse Minderheit des | |
Landes. Anders als Juden und Christen gelten sie laut Verfassung jedoch | |
nicht als sogenannte schutzbefohlene religiöse Minderheit. | |
Der Bahai-Glaube wurzelt im schiitischen Islam, hat sich aber von ihm | |
gelöst. Die Bahai erkennen Mohammed zwar als Propheten an, betrachten ihn | |
jedoch nicht, wie andere Muslime, als Siegel des Prophetentums. Stattdessen | |
meinen sie, mit dem 1892 verstorbenen Bahaullah, der ihnen als | |
Manifestation Gottes gilt, sei die göttliche Offenbarung in eine weitere | |
Phase getreten. Zentrales Glaubensdogma des schiitischen Islam ist der | |
Glaube an die Wiederkehr des Mahdi, der eschatologisch dem jüdischen | |
Messias vergleichbar ist. Für die Bahai jedoch ist der Mahdi bereits in | |
Gestalt ihres Religionsgründers zurückgekehrt. Für die Schiiten ist diese | |
Ansicht ein Sakrileg. | |
Den modernistischen Ideen der Bahai, die beispielsweise die | |
Gleichberechtigung von Mann und Frau vertraten, waren im Iran der | |
Fünfziger- und Sechzigerjahre besonders die intellektuelle Elite und die | |
Jugend zugetan. Besorgt über den wachsenden Einfluss der Bahai, gründete | |
Shaykh Mahmud Halabi schon in jener Zeit die sogenannte | |
Wohlfahrtsgesellschaft hojjatiye. Halabi und seine Gruppe sahen in ihnen | |
eine existenzielle Bedrohung der traditionellen Werte der Schia. Ihr | |
Hauptansinnen war es, Abtrünnige zu verfolgen, womit in erster Linie die | |
Bahai gemeint waren, weswegen die hojjatiye in der Bevölkerung vor allem | |
als "Anti-Bahai-Gesellschaft" bekannt ist. Für ihre Verfolgung der Bahai | |
ernteten die hojjatiye großen Zuspruch von den meisten schiitischen | |
Autoritäten, und selbst der damalige Schah Mohammed Reza Pahlevi, der sonst | |
als Freund der Bahai galt, ließ der Vereinigung freie Hand, wann immer er | |
der Unterstützung der schiitischen Kleriker bedurfte. | |
Politisch eher passiv, hatte sich die hojjatiye mit der herrschenden | |
politischen Ordnung unter dem Schah arrangiert und eine offene Opposition | |
zum damals herrschenden antiklerikalen Klima vermieden. Sie konzentrierte | |
sich darauf, Schlüsselpositionen zu übernehmen und auf diese Weise das | |
System langsam von innen zu islamisieren. Diese Strategie trug Früchte, | |
doch die Revolution kam der hojjatiye ins Gehege. Denn die hojjatiye war | |
zwar islamistisch orientiert, aber nicht der Herrschaftsdoktrin Khomeinis | |
zugetan. So musste die quietistische hojjatiye-Bewegung Anfang der 1980er | |
Jahre von der Bildfläche verschwinden. Ihre zentrale Agenda jedoch, die | |
Verfolgung der Bahai, wurde von der neuen Führung übernommen. Vor allem in | |
den Anfangsjahren nach der Revolution kam es zu groß angelegten | |
Verfolgungen der Bahai. Mit der herrschenden Staatsdoktrin und | |
Staatsgründer Khomeini söhnte sich die hojjatiye schließlich aus, ihre | |
Mitglieder sollen mit der Zeit in die Führungselite der Islamischen | |
Republik Iran inkorporiert worden sein. Dafür verantwortlich zeichnen soll | |
das angeblich langjährige Mitglied der hojjatiye, der heutige | |
Revolutionsführer Ali Khamenei - so lauten zumindest Gerüchte, die nie | |
verstummt sind. Als weiteres einflussreiches Mitglied der hojjatiye gilt | |
heute Ayatollah Mesbah Yazdi, der Mentor des gegenwärtigen | |
Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad. | |
In den dreißig Jahren seit der Revolution war die Lage der Bahai nie gut. | |
Doch in den letzten vier Jahren, seit Mahmud Ahmadinedschad das | |
Präsidentenamt antrat, hat sie sich erheblich verschlimmert. Es kommt zu | |
willkürlichen Verhaftungen, Schändungen von Friedhöfen, Drangsalierungen | |
von Schulkindern. Im Mai 2008 wurden sieben Mitglieder des informellen | |
Führungsgremiums der Bahai verhaftet. Im Januar wurden sechs weitere Bahai | |
festgenommen - darunter auch eine Frau, die im Defenders of Human Rights | |
Center arbeitet, einem Büro, das von Friedensnobelpreisträgerin Schirin | |
Ebadi gegründet worden war. Gegen die sieben Mitglieder des | |
Führungskomitees wurde bis heute keine offizielle Anklage erhoben. Der | |
Anwältin Shirin Ebadi, die die verhafteten Bahai vertritt, wird jedweder | |
Kontakt zu ihnen verweigert. | |
Nach Informationen des "Geistigen Nationalen Rates der Bahai" in | |
Deutschland befinden sich derzeit vierzig Personen in Haft. Sorge bereitet | |
vor allem die Strafrechtsnovelle, die im Iran vor Kurzem in erster Instanz | |
verabschiedet wurde und derzeit auf ihre Verabschiedung in der zweiten | |
wartet. Würden sie ratifiziert, wäre es legal, Bahai wegen "Abfalls vom | |
Glauben" anzuklagen und aus diesem Grund hinzurichten. Zudem sehen sich die | |
Bahai in den letzten Monaten einer verschärften Kampagne der Medien | |
ausgesetzt. | |
In der Regierungszeit des reformorientierten Präsidenten Mohammad Chatami | |
hatte es für die Bahai zwar einige praktische Erleichterungen gegeben, aber | |
von den meisten Reformern wurde das Thema sorgfältig vermieden. Doch jetzt | |
regt sich innerhalb der schiitischen Geistlichkeit deutlicher Widerstand | |
gegen die Verfolgung der Bahai. So hat der Großajatollah Hossein Ali | |
Montazeri in einer aufsehenerregenden Fatwa verlangt, den Bahai als | |
iranischen Staatsbürgern endlich alle Bürgerrechte zu gewähren. Montazeri | |
war bis 1989 designierter Nachfolger von Staatsgründer Khomeini, wurde aber | |
kurz vor dessen Tod wegen seiner Kritik an Menschenrechtsverletzungen | |
abgesetzt. Trotz seiner oppositionellen Haltung zur Regierung gilt er als | |
Irans ranghöchster Theologe. | |
Mahmud Ahmadinedschad ist immer wieder mit skandalösen Äußerungen zu Israel | |
und zum Holocaust an die Öffentlichkeit getreten. Daraus wurde geschlossen, | |
auch Irans Juden, deren Zahl heute an die 25,000 beträgt, schwebten in | |
Gefahr. Doch mit den iranischen Staatsbürgern jüdischen Glaubens hat | |
Ahmadinedschad offenbar keine größeren Probleme. Kurz nachdem seine | |
Äußerungen zu Israel weltweite Empörung ausgelöst hatten, begab sich Irans | |
Präsident im Oktober 2006 in Teherans jüdische Gemeinde und ließ eine | |
größere Summe zur Unterstützung des jüdischen Krankenhauses in Teheran | |
überweisen. Für die radikalen Kräfte, denen Ahmadinedschad angehört, sind | |
die Drohungen an Israel ein Mittel, von innenpolitischen Schwierigkeiten | |
abzulenken und sich international als Kämpfer für die palästinensische | |
Sache darzustellen. Religiös begründet und daher eine Sache wirklicher | |
Überzeugung hingegen ist ihre Feindschaft gegen die Bahai. Es ist | |
unverständlich, dass ihrer Verfolgung international kaum Beachtung | |
geschenkt wird. | |
9 Feb 2009 | |
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