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# taz.de -- David Foster Wallace ist tot: Suizid als Zeichen?
> Der US-amerikanische Schriftsteller David Foster Wallace hat sich im
> Alter von 46 Jahren das Leben genommen. Das traurige Ende eines Popstars.
Bild: David Foster Wallace ein Popstar.
Sich umzubringen ist die intimste Entscheidung, die ein Mensch treffen
kann. Niemand wird je mit Sicherheit sagen können, was der Grund war. Was
natürlich niemanden daran hindert, sich diese Frage zu stellen - zumal wenn
es sich bei dem Toten um einen Schriftsteller handelt, der immer mit so
hohem existenziellen Einsatz gespielt hat wie David Foster Wallace. 46
Jahre ist er alt geworden, am Freitag erhängte er sich in seinem Haus in
Claremont, Kalifornien. Am Samstag fand ihn seine Frau Karen Green. Er soll
unter Depressionen gelitten haben.
"Literatur handelt davon, was es heißt, Mensch zu sein", hat er sein
literarisches Programm einmal in einem Interview umrissen. "Wenn man davon
ausgeht, dass es eine Menge Dinge in den USA von heute gibt, die es
schwierig machen, ein Mensch zu sein, dann ist es der Job eines
Schriftstellers, zu beschreiben, was uns so tough macht. Die andere Hälfte
des Jobs geht darum, zu beschreiben, dass wir immer noch Menschen sind.
Oder sein können." Kann so jemand nach seinem Selbstmord dem
Kurt-Cobain-Schicksal entgehen? Der Suizid als Zeichen, als verzweifeltes
Scheitern wie Vollendung seines Werks?
Tatsächlich war David Foster Wallace ein Popstar. Als sein Hauptwerk
"Infinite Jest" 1996 erschien, kamen Hollywoodstars wie Winona Ryder zu
seinen Lesungen. Erstaunlich für einen superkomplexen tausendseitigen
Roman, der auf mehreren Ebenen die Geschichte einer Tennisakademie, eines
Junkie-Wohnheims, einer kanadischen Guerillatruppe und des amerikanischen
Undergrounddokumentarfilms erzählte. In der Titelrolle: ein Film, der so
komisch ist, dass niemand überlebt, der ihn einmal gesehen hat. "Infinite
Jest" hat über hundert Seiten Fußnoten - ein erzählerisches Mittel, das so
etwas wie ein David-Foster-Wallace-Markenzeichen war und seine Verwurzelung
in der akademischen Theorie markierte. Eine deutsche Ausgabe des Buchs ist
seit Langem angekündigt, im Augenblick für kommendes Jahr.
Die große Kunst des Formenspiels war aber nicht das, was die Bücher von
Foster Wallace so faszinierend machte und immer noch macht. Es war seine
Fähigkeit, sich in die Charaktere seiner Geschichten hineinzuversetzen. Man
kann sich die Bücher von Foster Wallace vorstellen wie vielstimmige Chöre
durcheinanderbrabbelnder Subjektivitäten. An der Oberfläche des Erzählten
sieht es oft aus, als wollte Foster Wallace das kaputte Amerika unserer
Tage beschreiben. Aber das ist es nicht. Ihn interessierten all die kleinen
und großen menschlichen Tragödien, all die Gefühle, Obsessionen und
Nettigkeiten, die ebenjenes Land und das Leben darin am Laufen halten - und
er beschrieb sie von innen, als Komplize. Passend für eine Zeit, wo das
Selbst die große Ressource der infokapitalistischen Verwertung geworden
ist.
Als Sohn eines Literaturprofessors und einer Englischlehrerin, der sich als
Jugendlicher auf eine Tennislaufbahn vorbereitete und es als Profi
tatsächlich bis auf Platz 17 der amerikanischen Rangliste schaffte, dürfte
er die bestmöglichen Voraussetzungen mitgebracht haben, diesen Wahnsinn als
seinen eigenen zu begreifen.
Ob es die Entstehung einer Quizshow war, die 2000er-Kampagne von John
McCain oder eine Kreuzfahrt: Die Bücher, Erzählungen, Reportagen und Essays
waren immer von einem militanten Witz durchzogen, der seine Kraft auch aus
der Nähe zum Objekt bezog. Foster Wallace war beides: konservativer
Kulturkritiker und Trashkultur-Fanatiker, Zyniker und Idealist,
"Baywatch"-Experte und Trauerredner für ein Land, das ihm vorkam wie eine
leerlaufende Fernsehwerbung.
Bringt man sich wegen so was um? Zumal so, dass man die Leiche von seiner
Ehefrau finden lässt? Kann man, wenn es wirklich ernst wird, bei einem
Referenzbastler und Versteckspieler wie David Foster Wallace die Verbindung
zwischen Werk und Leben ziehen? Es gibt einige Selbstmörder in seinen
Büchern, einer, bei dem es beim Suizidversuch bleibt, sagt in "Infinite
Jest": "Ich wollte nur raus. Ich wollte nicht mehr mitspielen, das ist
alles."
TOBIAS RAPP
16 Sep 2008
## AUTOREN
Tobias Rapp
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