# taz.de -- Craft Beer Verkostung bei der Arbeit: Gaumenhandwerkskunst | |
> Das Brauwesen erfährt eine Renaissance des eigenen Handwerks. Auf dem taz | |
> lab erzählt Brauer Stefan Mergel davon, was den Beruf so einzigartig | |
> macht. | |
Bild: Sebastian Mergel bei der Arbeit in der Bierfabrik Berlin: Noch vor drei J… | |
Von [1][TORBEN BECKER] | |
Cognac, hin und wieder Pflaumen, Walnüsse oder sogar Austern – Für die | |
übliche Hopfenmalzschorle sind das eher ungewohnte Zutaten, doch die Zeiten | |
konservativer Biergaumen sind längst vorbei. Seit Jahren erfährt das | |
Brauereihandwerk mit den unabhängigen Brauereien der Craft-Beer-Szene einen | |
geschmacklichen Frühling. | |
In Berlin scheinen die Krokusse dieses Trends zwar schon etwas zu welken, | |
doch sollte man dieser Zeitdiagnose nicht allzu viel Glauben schenken, | |
meint [2][Sebastian Mergel], Leiter der Berliner Bierfabrik. Sein | |
Wahlspruch: „Don’t believe the Craft Beer Hype.“ Dass dieses Handwerk auch | |
abseits geschmacksflacher Industriebiere Bestand hat, davon konnte man sich | |
schon an einem der ersten lauen Frühlingsabende beim Tap Takeover in der | |
unabhängigen Protokoll-Bar in Friedrichshain überzeugen. | |
An sieben der vierundzwanzig kunstvoll gefertigten Zapfhähne wurde nur für | |
diesen Abend Bierfabrikbier ausgeschenkt. Bereits als junger Winzerlehrling | |
wusste Sebastian , dass er in seiner Arbeit unabhängig sein wollte: „Wein | |
kannst du nur einmal im Jahr und ortsgebunden machen. Bier dagegen überall | |
und mehrmals.“ | |
## Die Nische in der Nische | |
2009, als der Wirbel um Craft Beer besonders in den urbanen | |
Geschmacksballungszentren begann, studierte Sebastian Brauerei- und | |
Getränketechnik und braute mit Mitstreiter*innen die ersten Chargen Bier | |
auf dem eigenen Balkon. Was in Berlin und in Szenekiezen explosionsartig | |
Fuß fasste, stagniert in den letzten Jahren mehr und mehr, weiß Sebastian | |
zu berichten: „Der Kuchen wächst nicht so schnell weiter wie die Szene, so | |
wird er immer weiter klein geteilt.“ Man muss sich quasi eine Nische in der | |
Nische suchen. | |
Das ist aber gleichzeitig ein Vorteil, denn „gerade im Craft-Beer-Segment | |
wollen die Leute oft den ‚crazy shit‘ und nicht das reguläre | |
Industriebier“, sagt Sebastian. Dann bezahlen sie auch lieber den höheren | |
Preis, der durch die Produktionsprozesse entsteht. Sein Bier möchte | |
Sebastian im Ausgleich zwischen Produktion und Verbrauch herstellen. | |
Organische Unternehmensführung nennt man das – Wachstum und | |
Gewinnoptimierung zählen nicht zu seinen wirtschaftlichen Maximen. | |
Er möchte den Blick für das Wesentliche seines Handwerks behalten: „Das | |
Schöne ist, du bist bei allem dabei: vom Rezepteschreiben bis zum fertigen | |
Bier. Du siehst, wie dein Bier in der Bar angeschlossen wird und es die | |
Leute glücklich macht.“ Darin sieht er die Essenz seiner Arbeit. Sie ist | |
sinnstiftend, nicht nur für ihn und seine Angestellten, sondern auch für | |
die Konsument*innen. | |
## Think global, drink local | |
Für Sebastian ist Craft Beer nicht nur ein Trend. „Think global, drink | |
local“ – mit dieser Einstellung und der Liebe zum Handwerk konnte sich die | |
Bierfabrik ein Stück vom Berliner Bierkuchen sichern. Mittlerweile ist die | |
kleine Brauerei ein Ausbildungsbetrieb und stellt demnächst einen zweiten | |
Azubi ein. Craft Beer ist zu einem ernst zu nehmenden Markt geworden. Zwar | |
nur mit rund einprozentigem Marktanteil, jedoch mit einem enorm hohen Maß | |
an Medienaufmerksamkeit. | |
Das merken mittlerweile auch die großen Brauereien und versuchen ähnlich | |
unabhängige Geschmäcker zu kreieren – doch mit weitaus weniger Geschmack | |
als die wirklich Unabhängigen. | |
Was Bierglück bedeutet, können Sie heute gemeinsam mit Sebastian auf dem | |
taz lab herausfinden. Während man sich zuprostet, werden Sie auf einem | |
Tasting versuchen, die Austern, Pflaumen und Walnüsse zu erschmecken. So | |
viel kann verraten werden, die Bierfabrik versteht es, volle | |
Biergeschmäcker zu schaffen, bei deren Genuss man bei Weitem nicht an die | |
Vergänglichkeit irgendwelcher Trends denkt. | |
[3][Craft-Beer-Verkostung]: 15 Uhr, auf dem Dach, 19.15 Uhr, Zelt 3 | |
19 Apr 2018 | |
## LINKS | |
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## AUTOREN | |
Torben Becker | |
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