| # taz.de -- Chinesisch-taiwanesische Annäherung: Taiwan entsorgt seinen Diktat… | |
| > Statuen und Büsten von Chiang Kai-shek will niemand mehr haben. Nun | |
| > sollen sie in einem Park Touristen anziehen. Chinesisch-taiwanesische | |
| > Annäherung in Zeiten der Krise. | |
| Bild: Statuen von Chiang Kai-shek sollen in einem Themnpark ihre letzte Ruhest�… | |
| Ein Diktator wird entsorgt. Siebzig Kilometer südlich der Hauptstadt | |
| Taipei, inmitten der tropischen Hügel von Taiwan, findet Generalissimus | |
| Chiang Kai-shek seine letzte Ruhe in einem skurrilen Skulpturenpark. | |
| Hunderteinundvierzig Mal lächelt der ehemalige Herrscher in Stein und | |
| Bronze den Besuchern entgegen, mal überlebensgroß in Uniform zu Pferde, mal | |
| in Zivil auf stattlichem Sessel. Ein Stück weiter gruppieren sich Chiangs | |
| mit Hut, Buch oder Spazierstock in der Hand auf dem akkurat gemähten Rasen. | |
| Am Wegesrand: Büsten wie geklonte Köpfe. | |
| Die Skulpturen künden von der Vergänglichkeit der Macht - und den | |
| erstaunlichen Veränderungen, die Taiwan mit seinen 23 Millionen Einwohnern | |
| derzeit erlebt. Als Chiang mit seinen Militärs von 1949 bis 1975 über die | |
| Insel herrschte, träumte er davon, das chinesische Festland | |
| zurückzuerobern, das er im Bürgerkrieg an Mao Zedong verloren hatte. Sein | |
| Hass auf die Kommunisten war groß: Wen er verdächtigte, mit ihnen zu | |
| sympathisieren, ließ er einkerkern. | |
| Heute sucht sein Nachfolger Ma Ying-jeou, der vor fast einem Jahr ins Amt | |
| kam, sich mit Chinas KP zu arrangieren. Anders könne die Insel | |
| wirtschaftlich und politisch vor der Übermacht der Volksrepublik mit ihren | |
| 1,3 Milliarden Menschen nicht bestehen, sagt er. | |
| Gleichzeitig versuchen die Taiwaner mit ihrer eigenen Vergangenheit | |
| fertigzuwerden - nicht selten auf ganz pragmatische Weise: So stammen die | |
| Statuen im Park am Cihusee ursprünglich aus allen Teilen der Insel. | |
| Schulen, Bibliotheken und andere Institutionen wollten sie loswerden, denn | |
| Chiang hatte mit eiserner Faust regiert. | |
| Die geschäftstüchtige Regierung des Kreises Taoyuan hat dies als Chance | |
| erkannt - und schuf den Skulpturenfriedhof gleich neben dem Mausoleum | |
| Chiangs als neue Touristenattraktion. Er erinnert an den Moskauer | |
| Gorkipark, in dem die Russen seit dem Ende der Sowjetära viele Denkmäler | |
| Lenins, Stalins und Breschnews aufstellten. Zwischen die Touristen, die | |
| sich vor den Chiang-Statuen fotografieren, mischen sich mittlerweile immer | |
| mehr Besucher aus der Volksrepublik. Die Festländer dürfen seit letztem | |
| Jahr mit Reisegruppen auf die Insel kommen. Wer hin- und herreisen will, | |
| braucht nicht mehr, wie früher vorgeschrieben, zeitraubende | |
| Zwischenlandungen in Hongkong oder Macau einzuschieben. Der Tourismus soll | |
| die von der Krise geschüttelte Wirtschaft Taiwans wieder beleben. | |
| Erst vor wenigen Tagen beschlossen Peking und Taipei, die Zahl der | |
| Direktflüge von derzeit 180 auf bald 270 in der Woche zu erhöhen. Auch | |
| Banken werden in Zukunft kooperieren dürfen. Das soll die Arbeit der vielen | |
| taiwanischen Unternehmen erleichtern, die in den vergangenen Jahren | |
| Milliardensummen in der Volksrepublik investiert haben - trotz der | |
| Warnungen des damaligen Präsidenten Chen Shui-bian, der eine zu große | |
| wirtschaftliche Abhängigkeit von China fürchtete. Nun sollen die Behörden | |
| die Investoren besser schützen können. Erstmals wird die Justiz beider | |
| Seiten zusammenarbeiten. Angesichts der weltweiten Angst vor einer | |
| katastrophalen Grippeepidemie, die mit dem Ausbruch des H1N1-Virus in | |
| Mexiko noch gewachsen ist, hat Peking seinen Widerstand gegen eine | |
| Vertretung Taiwans in der Weltgesundheitsversammlung (WHA) aufgegeben. | |
| Allerdings dürfen die Taiwaner nur als "Beobachter" unter dem Namen Chinese | |
| Taipei dabei sein, und die Erlaubnis muss alljährlich verlängert werden. | |
| Doch für die Leiterin des taiwanischen Amtes für Festlandsangelegenheiten, | |
| Lai Schin-yuan, hält dies für einen "wichtigen ersten Schritt". | |
| Beim Skulpturenfriedhof neben dem Chiang-Mausoleum wartet derweil auf die | |
| Touristen noch eine neue bemerkenswerte Sehenswürdigkeit: Erstmals ist seit | |
| einigen Tagen die geheime Kommandozentrale zu besichtigen, von der aus der | |
| Generalissimus in den Sechzigern die Rückeroberung Chinas plante. | |
| Im Souvenirladen am populärsten sind Karikaturen des Diktators und seines | |
| Sohnes und politischen Erben Chiang Ching-kuo, der in den Achtzigerjahren | |
| das Militärrecht Taiwans aufhob. "Ich bin überwältigt und sprachlos", sagt | |
| ein Tourist vom Festland. In der Schule hat er einst gelernt, dass Chiang | |
| ein "Verräter" und "Feind" des Vaterlandes sei. Vielleicht wird er sich nun | |
| ein Chiang-T-Shirt kaufen. | |
| 3 May 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Jutta Lietsch | |
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