# taz.de -- Chefredakteurin Barbara Junge erklärt: Warum wochentaz? | |
> Chefredakteurin Barbara Junge über die Beweggründe und die Ziele der | |
> neuen wochentaz, die die taz am Wochenende im November 2022 ablösen wird. | |
Bild: Anmutung: Beispiel einer zukünftigen ersten Seite für die Wochentaz | |
Von [1][Barbara Junge] | |
„Mehr Utopie wagen, das wäre ein gutes Gegengift zu den multiplen Krisen | |
und Überforderungen, die viele von uns erfasst.“ | |
12.11.2022, [2][wochentaz] | Worte, daran glauben wir Journalistinnen und | |
Journalisten mit eiserner Überzeugung, haben die Kraft, Welten auferstehen | |
zu lassen. „Befreite Liebe“, „antiautoritäre Revolte“ oder auch | |
„Gegenöffentlichkeit“ sind (im westdeutschen Kontext) Worte mit einer solch | |
starken emotionalen Aufladung. | |
Sie sprechen vom Gefühl des Aufbruchs, von einem radikalen Idealismus der | |
70er Jahre. Sie erzählen von einer gelebten Utopie, mit all ihrer | |
Widersprüchlichkeit. In diesem von Hoffnung und Widerstand geprägten Geist | |
wurde auch die taz gegründet. | |
Damals, 1978, war die tägliche Tageszeitung eine Utopie, die unsere | |
Gründer.innen mit trotzigem Idealismus zur Realität gemacht haben. Von | |
diesem trotzigen Idealismus ist die Gesellschaft von heute weit entfernt. | |
## Die Welt und wie sie sein könnte: Sehnsucht nach Utopie | |
Und zugleich wächst in diesen Zeiten, die von einem ernüchternden, oft | |
schmerzhaften Realismus geprägt sind, die Sehnsucht nach einer Utopie, die | |
aus mehr besteht als aus der Frage, welches Gasvorkommen uns aus der | |
Abhängigkeit von Russland rettet und ob schwere, leichte oder keine Waffen | |
die Wahl der Woche sind. | |
Mehr Utopie wagen, das wäre ein gutes Gegengift zu den multiplen Krisen und | |
Überforderungen, die viele von uns erfasst haben. | |
Wo also, wenn nicht in der taz, soll dieser Geist lebendig werden? Genauer | |
gesagt in der neuen Wochenzeitung der taz. | |
## Ja, wir gründen diesen Herbst etwas Neues: die wochentaz! | |
Die taz ist weit fortgeschritten auf dem Weg der digitalen Transformation. | |
Wir erfinden unsere Apps anders, denken unsere Website neu, setzen eine | |
Vielzahl an Social Media-Kanälen in die Welt. | |
Doch wenn die täglich gedruckte Zeitung einmal in den Status einer nur in | |
der App erscheinenden Tageszeitung wechselt, sind wir trotzdem mit einer, | |
dieser neuen Wochenzeitung sieben Tage auch analog noch am Start. | |
In zahlreichen Workshops und Jour Fix’en diskutieren tazzlerinnen und | |
tazzler den Sommer über die neue wochentaz und insbesondere über einen | |
neuen Zeitungsteil unter dem Arbeitstitel „Utopie“. Aus der „Utopie“ ist | |
jetzt die „Zukunft“ geworden. | |
Die „Zukunft“ soll mit Lebensentwürfen in einer Gesellschaft im Umbruch zu | |
tun haben, mit Wissenschaft und mit Experimenten, mit einzelnen Ideen und | |
kollektiven Prozessen und derzentralen Frage, wie ein aufgeklärtes, freies | |
Leben inmitten der Klimakrise aussehen kann. | |
## Mehr Raum geben | |
Die „Zukunft“ ist ein Kernstück unserer neuen Wochenzeitung, die seit dem | |
12. November 2022 stets eine ganze Woche am Kiosk verfügbar ist. | |
Schon in einem ersten Schritt hatten wir unsere Wochenendausgabe im Herbst | |
2021 mit mehr Politik, mehr Meinung und mehr Perspektiven, mit mehr | |
Wissenschaft und mehr überregional Regionalem bereichert. | |
In der wochentaz geben wir uns noch mehr Raum für die ausgeruhte Analyse, | |
werfen auch einen Blick auf das gute Leben, gönnen uns mehr kulturelle | |
Vielfalt und modernisieren unseren Blick auf die Medienentwicklung. Jetzt | |
wird aus der Wochenendzeitung eine echte Wochenzeitung. | |
## Wochenzeitung sein – und Tageszeitung bleiben | |
1978 hatten nur wenige geglaubt, dass das Projekt „alternative | |
Tageszeitung“ mit der Idee einer Gegenöffentlichkeit blühen könnte. Mit dem | |
gleichen trotzigen Idealismus, wie ihn die taz-Gründer.innen mitbrachten, | |
sind wir jetzt Wochenzeitung und bleiben zugleich Tageszeitung. | |
Gerade weil sich die Zeiten so wenig nach Aufbruch und Zuversicht anhören, | |
Krise in der Dauerschleife, Zeitenwenden im Stolpermodus, Ratlosigkeit im | |
Sonderangebot. | |
Wir arbeiten an einer Wochenzeitung für Menschen, denen die Welt nicht egal | |
ist. Für Menschen, die nicht bereit sind, sich faktischen oder | |
vermeintlichen Realitäten zu beugen. Ohnmacht, daran haben wir | |
tazzler*innen schon immer geglaubt, begegnet man am besten durch Bewegung, | |
Zukunftswillen – und einer Utopie. | |
Barbara Junge führt zusammen mit Co-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann und | |
der stv. Chefredakteurin Katrin Gottschalk die Chefinnenredaktion der taz. | |
17 Oct 2022 | |
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## AUTOREN | |
Barbara Junge | |
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