# taz.de -- Brasiliens Weltfußballerin: Wer braucht Marta? | |
> Am Mittwoch startet der Vizeweltmeister ins Turnier. Mit dabei Brasiliens | |
> Superstar Marta. Wie wichtig ist sie, für ihr Team und für ihren Sport? | |
Bild: Marta: fünfmalige Weltfußballerin des Jahres und weltbekannte Ikone. | |
## Brasilien braucht sie nicht | |
Marta Vieira da Silva, aufgewachsen in armen Verhältnissen, fünfmalige | |
Weltfußballerin, ist die Beste, die der Frauenfußball bisher hervorgebracht | |
hat. Das wissen alle. Auch die Gegnerinnen. Das ist das eine Problem. Marta | |
weiß das ebenfalls. Das ist das andere Problem. | |
Denn so technisch versiert, antrittsschnell und ballsicher sie ist, ist | |
sie, obwohl gerade einmal 25 Jahre alt, ein fußballerisches Auslaufmodell. | |
Ihre Klasse steht für den alten Heldenfußball, in dem Spiele durch Aktionen | |
Einzelner entschieden werden. Doch der Frauenfußball hat sich | |
weiterentwickelt. Selbst wenn die Leistungsfähigkeit der einzelnen | |
Akteurinnen noch nicht so nivelliert ist wie bei den Männern, sind flache | |
Hierarchien gefragt. Das Spiel der Brasilianerinnen aber ist auf Marta | |
zugeschnitten. Fast zwangsläufig findet der Ball immer wieder zu ihr. Ihre | |
Gegnerinnen allerdings auch. | |
Das Spiel gegen den Ball ist mittlerweile, jedenfalls bei den besten Teams, | |
fast perfektioniert. Taktisch und physisch gut trainierte Mannschaften | |
stellen jene Räume zu, in die Marta mit ihren Dribblings stoßen möchte, und | |
versperren jene Passwege, die sie nutzen könnte. | |
Das aber, den Ball aufzugeben, ihre Mitspielerinnen einzusetzen, war noch | |
nie ihre Stärke. Marta ist, im Gegensatz zu Lionel Messi, mit dem sie gern | |
verglichen wird, nicht im Fußball-Internat des FC Barcelona ausgebildet | |
worden, sondern das, was Fußballromantiker im modernen Männerfußball | |
vermissen: eine Straßenfußballerin. | |
Aber eben auch eine Egomanin, die allzu gut weiß, dass sie die Beste auf | |
dem Platz ist. Sie ist eher ein Cristiano Ronaldo, der das portugiesische | |
Spiel zu dessen Nachteil monopolisiert. Marta glaubt, allein das Spiel | |
entscheiden zu müssen, erst recht die wichtigen. Diese Spiele aber hat | |
Brasilien bislang verloren: das Olympia-Endspiel 2008 gegen die USA, das | |
WM-Finale 2007. | |
Marta ist gut. Zu gut. Sie glaubt nicht an die Mannschaft. Die aber wäre - | |
auch ohne sie - die talentierteste der Welt. Schon bei der letzten WM war | |
Marta die beste Fußballerin, aber wertvoller für Brasilien waren andere, | |
Cristiane oder Daniela. | |
Wenn also Brasilien Weltmeisterin wird, dann nicht wegen, sondern trotz | |
Marta. THOMAS WINKLER | |
## Der Fußball braucht sie | |
Es braucht Glam, und zwar gewaltig. So, wie Lira Bajramaj den Frauenfußball | |
in Deutschland salonfähig gemacht hat, brauchte es Marta, um Frauenfußball | |
weltweit nach vorn zu bringen. Sie folgen einer Birgit Prinz oder einer Mia | |
Hamm, die den Platz sportlich vorbereitet haben. Jetzt ist Zeit für Show. | |
Gerade Marta und Bajramaj haben Biografien, die sie zu Ikonen | |
prädestinieren. | |
Martas Geschichte könnte als Disney-Weihnachtskinofilm laufen: aufgewachsen | |
in einer Favela, gegen den Willen der Eltern und Brüder die meiste Zeit auf | |
der Straße kickend, mit 14 allein in die große Stadt gefahren, um ihr Leben | |
dem Fußball zu widmen. Mit 18 der Ruf nach Schweden - einen härteren Ort | |
dürfte es für eine Brasilianerin kaum geben - und dort alle Herzen erobert | |
und alle Rekorde gebrochen. | |
Solche Geschichten braucht der Frauenfußball. Kampf, Schweiß und Hingabe - | |
daraus werden Heldinnen gemacht. Und Marta ist eine Heldin. | |
Der Frauenfußball krankt daran, dass er langsamer und weniger kraftvoll ist | |
als das Spiel der Männer. Eine Frau wie Marta, die die pure Kraft | |
symbolisiert, launisch und kratzbürstig ist, kommt da gerade recht. Sie ist | |
eine Diva, und Diven dürfen sich viel herausnehmen: Zetern gegen | |
Schiedsrichter, jammern, wenn die gegnerische Torfrau ihren Schuss hält, | |
eine Gegnerin auch mal in den Bauch boxen - all das verändert das Image des | |
Frauenfußballs. Es ist eben kein Mädchentennis, es ist Fußball. | |
Und Marta beherrscht Fußball auf einem sensationellen Niveau. Ihr beim | |
Dribbeln zuzusehen ist wundervoll. Sie wird verglichen mit Pelé, Maradona | |
und Messi, und in diesem Falle gilt nicht das Credo "Wer vergleicht, | |
verliert". Im Gegenteil: Weil sie verglichen wird mit denen, die jeder | |
kennt, kennt sie jeder. | |
Obwohl Golf der vielleicht ödeste Sport ist, kennt jeder Tiger Woods. Und | |
jeder hat Michael Jordan vor Augen, wenn es um Basketball geht. Genauso hat | |
man Marta im Sinn, wenn das Thema Frauenfußball aufkommt. Man muss diesen | |
Sport nicht verfolgen, Marta kennt man auch so, und sei es nur, weil sie | |
Jahr für Jahr neben Messi auf einer Gala zur Weltfußballerin gekürt wird. | |
Das allein führt dazu, sie und ihren Sport wahr- und ernstzunehmen. FRAUKE | |
BÖGER | |
29 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Thomas Winkler | |
Frauke Böger | |
## TAGS | |
WM 2011 - Mixed Zone | |
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