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# taz.de -- Blog aus Teheran - Teil 7: "Sie gab den Opfern ein Gesicht"
> Trauerfeier und Prügel am Grab von Neda Agha Soltan. 40 Menschen sollen
> bei der verbotenen Kundgebung getötet worden sein.
Bild: Trauernde am Grab von Neda.
Samstag, 1.August. Der 40. Tag nach dem Tod eines Menschen ist ein
spezieller Trauertag im Islam. Am Freitag war der 40. Tag nach dem Tod von
Neda Agha Soltan. An demselben Tag sind noch andere Menschen umgekommen und
auch später, doch ihr Tod hat eine besondere symbolische Kraft. Neda gab
den Opfern ein Gesicht, deren Tod nicht so gut dokumentiert wurde. Ihr Grab
befindet sich in der Sektion 256 des Behescht-Sahra-Friedhofs. Behescht
Sahra ist riesig und nicht leicht zu erreichen, da er außerhalb der Stadt
liegt - in der Nähe des Schreins von Imam Chomeini.
Wir erfuhren, dass die Metrostation von Behescht Sahra bereits vor Tagen
geschlossen worden war und man nur mit dem Bus oder Auto dorthin gelangen
könnte. Freitag ist traditionell der Tag, an dem man auf den Friedhof geht
und den Tag mit den Toten verbringt, doch es stand zu befürchten, dass die
Sicherheitskräfte es einem sehr schwer machen würden, an Nedas Grab
heranzukommen. Trotzdem sollen 40.000 Menschen zusammengekommen sein, die
um die Toten nach den Wahlen trauerten und ihre Unterstützung für die
Bewegung bekundeten.
Ich war nicht dort. Ich habe die Berichte anderer gehört und Filmaufnahmen
gesehen. Es muss sehr bewegend gewesen sein - trotz Tränengas und Schlägen.
Die Menschen legten Blumen nieder, sangen und beteten. Offensichtlich ist
Karrubi mit einem Trupp an Nedas Grab gelangt. Sie sagten, obwohl sie von
Sicherheitskräften angegriffen wurden, einen Vers aus dem Koran auf. Die
Aufnahmen von bewaffneten Männern, die achtlos auf Gräbern herumtrampeln
und mit ihren Schlagstöcken auf die Trauernden einschlagen, bilden ein
weiteres Kapitel in den Bildern, die einen nicht mehr loslassen. Irgendwie
fühle ich, dass diese Bilder nie wieder verschwinden werden. Sie haben sich
auf die Netzhaut gelegt, wie ein Schmierfilm, der alles verschwimmen lässt,
was ich sehe.
Während die Menschen in Behescht Sahra zusammenkamen, fanden in anderen
Teilen der Stadt und anderswo schwere Auseinandersetzungen statt. Die
erbaulichsten Bilder, die ich sah, kamen aus Tachtawus, nicht weit von der
Mosalamoschee, wo eine Trauerzeremonie wegen fehlender Genehmigung abgesagt
worden war. Die Leute versammelten sich auf der Straße und die Autofahrer
unterstützten sie. Die gesamte Allee (achtspurig) war erfüllt vom Hupen der
Autos, während die Menschen zwischen den Autos umherliefen und das
Siegeszeichen machten. Als später die Soldaten eintrafen, wurde es wieder
sehr gewalttätig. Ein Freund von mir erlebte, wie jemand vor seinen Augen
getötet wurde. In der Nacht gab es Straßenkämpfe in vielen Teilen der Stadt
- vermutlich mit noch mehr Verletzten und Verhafteten, vielleicht auch
Toten. Aber einige Vorkommnisse zeigten wieder einmal den Bruch im System:
Freunde erzählten mir, sie hätten gesehen, wie Bassidschi-Milizen mit der
Polizei auf dem Wanakplatz gekämpft haben. Sie richteten sogar Waffen
aufeinander.
*Der Name der Bloggerin ist der Redaktion bekannt. Bisher erschienen sind:
[1]["Die schicken ja Kinder!"] (taz vom 25. 6.), [2]["Antidepressiva gegen
den Schmerz"] (1. 7.), [3]["Wir töten deine Kinder"] (6. 7.), [4]["Den
Wetterbericht gründlich lesen"] (13. 7.), [5]["Das Ritual auf den Kopf
gestellt"] (23. 7.) und [6]["Wie die Katze bei Alice im Wunderland"] (30.
7.)
Übersetzung aus dem Englischen von Frauke Böger
4 Aug 2009
## LINKS
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[2] /1/politik/nahost/artikel/1/antidepressiva-gegen-den-schmerz/
[3] /1/politik/nahost/artikel/1/wir-toeten-deine-kinder/
[4] /1/politik/nahost/artikel/1/wir-sollten-den-wetterbericht-gruendlich-lesen/
[5] /1/politik/nahost/artikel/1/das-ritual-auf-den-kopf-gestellt/
[6] /1/politik/nahost/artikel/1/wie-bei-alice-im-wunderland/
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