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# taz.de -- Bei lebendigem Leib das Fell abgezogen
> Trotz Washingtoner Artenschutzabkommen werden wildlebende Fleckkatzen wie
> Jaguar, Ozelot und andere geschützte Arten ausgerottet / In einem gerade
> erschienen Buch beschreibt die „Arbeitsgemeinschaft Artenschutz“ wie eng
> Wilderer in Südamerika und „Fell-Mafia“ in Europa zusammenarbeiten  �…
> Von Jürgen Gottschlich
„Tatort ist eine provisorische Landepiste in den Bergen Boliviens. Nachdem
die einmotorige Maschine aufgesetzt hat, verlassen vier Passagiere das
Flugzeug. Sie sind zu einer biologischen Expedition gestartet, wollen
erkunden, welches Ausmaß die Wilderei in diesem tierreichen Gebiet
angenommen hat. Kurz darauf beginnt das Massaker: Schwerbewaffnete Männer,
vermutlich Fell- und Rauschgiftschmuggler, strecken mit Salven aus ihren
Maschinenpistolen den Piloten sowie den Zoologen Professor Noel Kempff
Mercado nieder. Auch der Führer der Gruppe wird ein Opfer der Killer.
Einziger Überlebender ist der spanische Biologe V.Cartello. Nach gelungener
Flucht berichtete er später über die Bluttat.“ Soweit die 'FAZ‘ vom Juni
letzten Jahres.
Für die Autoren des Buches Pelz macht kalt war vor allem der bolivianische
Zoologe Mercado kein Unbekannter. Mercado hatte bereits ein Jahr zuvor
öffentlich und dringlich vor allem an die Bundesregierung appelliert, den
Handel mit Fleckkatzenfellen und Reptilienhäuten zu verbieten, denn nur so
könnten diese Tierarten noch vor der Ausrottung gerettet werden. Nicht daß
dieser Appell etwas genutzt hätte, doch spätestens, seit er verfaßt wurde,
so vermuten die Buch-Autoren, stand Mercado auf der Abschußliste der
Fellhändler, die nach Recherchen vor Ort eng mit der Rauschgiftmafia
Boliviens und Paraguays zusammenarbeiten.
Vor seinem Tod hatte Mercado den bundesdeutschen Tierschützern jedoch noch
wichtige Hilfestellungen geben können. Dank seiner Kontakte in Bolivien, so
berichten die Autoren, „war es uns später möglich nachzuweisen, daß die in
Bolivien ausgestellten Ausfuhrgenehmigungen für Felle und Häute
größtenteils gefälscht oder illegal ausgestellt worden waren“. Für 3.000
Dollar gibt es Blanko-Bescheinigungen mit Stempel und Unterschrift des
Ministeriums, in die dann eine beliebige Menge Tierhäute zum Export
eingetragen werden kann. Die Aufmerksamkeit der Artenschützer richtet sich
nicht zufällig auf Südamerika. Im Länderdreieck Brasilien, Bolivien,
Paraguay, dem sogenannten Pantanal, liegt der größte, noch weitgehend
unerschlossene Lebensraum für Fleckkatzen und Kaimane. Auf dem Papier
besteht in allen drei Ländern ein striktes Jagd- und Exportverbot für die
Felle und Häute dieser Tiere. Darüber hinaus sind sie durch das
Washingtoner Artenschutzabkommen (WA) geschützt, das sowohl von der
Bundesrepublik und anderen europäischen Ländern wie auch den fraglichen
lateinamerikanischen Staaten 1976 ratifiziert wurde.
Wie kommt es, fragen die Autoren, daß trotzdem über eine halbe Million der
fraglichen Felle in den letzten Jahren allein in die Bundesrepublik
eingeführt wurden. Darauf gibt es zwei Antworten: Einmal ist das
Artenschutzabkommen selbst völlig unzulänglich. Es geht davon aus, daß eine
Tierart erst dann schutzwürdig wird, wenn sie kurz vor der Ausrottung
steht. Das jede Population in ihrer natürlichen Stärke für das ökologische
Gleichgewicht der Region sorgt, wird bei dieser Herangehensweise völlig
unterschlagen. So ist beispielsweise durch die Dezimierung der Fleckkatzen
in Teilen Boliviens eine regelrechte Rattenplage ausgebrochen, die bereits
zu einer Virusseuche mit oftmals tödlichem Ausgang für die örtliche
Bevölkerung geführt hat.
Zweiter Kritikpunkt der Tierschützer: Die Angaben über den Bestand einer
Tierart und ihre Klassifizierung als „bedroht“ und „gefährdet“ erfolgen
durch die Behörden der jeweiligen Länder. Damit erhält im Zeifel immer
wieder die Ökonomie den Vorrang vor Tierschutz und ökologischem
Gleichgewicht. Dazu kommt, daß zwischen Vertrag und Vertragswirklichkeit
vor allem in den Ländern der Dritten Welt die oben beschriebenen Abgründe
klaffen. Ein „WA„-Vertragsüberwachungssystem gibt es bislang nur in völlig
unzureichendem Maße. Das gilt genauso für die Export- wie für die
Importländer.
Wenn die Sprache auf die Rolle der bundesdeutschen Staatsanwaltschaft im
illegalen Fellhandel kommt, gerät Günther Peter, einer der Autoren,
regelmäßig in Rage. Anzeigen gegen illegal eingeführte Felle und Pelze, so
Peter, werden von der Staatsanwaltschaft regelmäßig eingestellt, ohne
vorher überhaupt weiter zu ermitteln. Genauso regelmäßig werden vom Zoll
beschlagnahmte Ladungen wieder freigegeben, bevor ein rechtskräftiges
Urteil ergeht
-bloß dann hängen die Felle längst in einem Luxusladen. Dabei lag den
Einfuhren fast immer das gleiche Muster zugrunde: gefälschte
Ausfuhrbescheinigungen, Einfuhr durch ein südeuropäisches EG-Land und
Weiterleitung in die BRD. Mit Verweis auf die „legale“ Einfuhr in die EG
stellt die Staatsanwaltschaft dann die Ermittlungen ein.
Völlig konsterniert mußten Peter und seine Mitstreiter in einem Fall
erleben, wie die Staatsanwaltschaft ihre vertraulichen Rechercheergebnisse,
in denen unter anderem Klarnamen südamerikanischer Informanten auftauchten,
an die Anwälte der Gegenseite weiterleitete. Nach dem Tod von Kempff
Mercado ein hohes Risiko für die Tierschützer vor Ort.
So gelassen der hiesige Fell- und Pelzhandel auf juristische Schritte
reagiert, so empfindlich sind die Kürschner-Innungen auf öffentliche
Kritik. Spätestens seit der Kampagne gegen die Robbenschlächterei fürchten
die Händler ein Negativimage für ihre Tierhautgarderoben insgesamt. Noch
bevor das Buch über den Fellhandel in Druck ging, hat die Händlerlobby nach
Auskunft der Autoren deshalb versucht, die Herstellung zu verhindern. Nach
Erscheinen ist nun mit einer Reihe einstweiliger Verfügungen zu rechnen,
die den kleinen Echo-Verlag leicht in Schwierigkeiten bringen können.
Pelz macht kalt von Karin Hutter/Martin Hutter/Günther Peter, Echo-Verlag
Göttingen, 24,80 Mark
13 May 1989
## AUTOREN
jürgen gottschlich
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