| # taz.de -- Beach Boy-Soloalbum entdeckt: Skizzen eines Bombast-Orkans | |
| > An Land gespült: Das verlorene Soloalbum "Pacific Ocean Blue" des einzig | |
| > wirklich surfenden Beach Boys Dennis Wilson. | |
| Bild: Absurderweise gab es nur einen Wilson-Bruder unter den Beach Boys, der ü… | |
| In den Sechzigerjahren gab es eine Band, der die Sportart Surfen zu | |
| unglaublichem Ruhm verholfen hat: die Beach Boys. Die Band um die drei | |
| Wilson-Brüder Brian, Carl und Dennis, angetrieben von ihrem ehrgeizigen | |
| Manager und Vater Murray, erreichte mit Songs wie "Surfin USA", "Surfin | |
| Safari" oder "Surfer Girl" immer die Spitze der Charts. In ihren Songs | |
| tummeln sich braungebrannte Astralkörper und heiße Öfen. Surfbretter | |
| bedeuten hier die Welt. | |
| Doch schon bald hatten die Beach Boys ihr Image satt. Sie trennten sich vom | |
| Manager-Vater. Daraufhin schufen sie, quasi im psychedelischen Affekt, 1966 | |
| einen Meilenstein der Popgeschichte: "Pet Sounds". | |
| Dieses Album inspirierte Beat-Bands weltweit dazu, erwachsen zu werden und | |
| fortan nur noch teure, versponnen-erwachsene Konzept-Alben zu produzieren - | |
| ein prominentes Beispiel ist das "Sgt. Peppers" Album der Beatles. Tauchen | |
| wir weiter in die Beach-Boys-Familienhölle hinab: Absurderweise gab es nur | |
| einen Wilson-Bruder, der überhaupt surfen konnte: Dennis. Er war der | |
| Schlagzeuger der Beach Boys - übrigens nur live - und galt als der | |
| untalentierteste Sänger im Kreis der Familie. | |
| Kein leichtes Schicksal, wenn man bedenkt, dass es ja gerade der | |
| Harmoniegesang war, der die Beach Boys so beliebt machte. Dennis blieb | |
| dennoch an Bord. Ende der Sechzigerjahre konnte er sich immerhin als | |
| Songschreiber der Beach Boys etablieren - leider erst zu einem Zeitpunkt, | |
| an dem die Band den Zenith ihres Erfolgs längst überschritten hatte. | |
| Dennis Wilson sorgte trotzdem für Schlagzeilen: Er hing mit dem | |
| "Acid-Faschisten" Charles Manson herum, veröffentlichte ein Album von ihm | |
| und erforschte auch selbst die Gebiete des Okkulten und der Multitoxologie. | |
| Mit dem Ergebnis, dass er Anfang der Siebzigerjahre aus der ebenfalls | |
| bereits stark ramponierten Band flog. | |
| Dennoch erhielt Dennis Wilson Mitte der Siebzigerjahre als erster Beach Boy | |
| einen Plattenvertrag für ein Soloalbum. Schon verwunderlich, wenn man | |
| bedenkt, dass er nicht gerade der Erfolgsgarant der Familie war. Aber | |
| einerseits galt er bei Fans als Sexsymbol, andererseits befand sich das | |
| musikalische Wunderkind der Familie, Brian, in so schlechter seelischer | |
| Verfassung, dass dem Label Dennis wie die Rettung vorkommen musste. Noch | |
| viel erstaunlicher als die Umstände, die zu Dennis Wilsons 1977 | |
| erschienenem Soloalbum geführt haben, ist "Pacific Ocean Blue" aber selbst. | |
| In Musikliebhaberkreisen gilt es seit Jahren als unterschätztes | |
| Meisterwerk. Es wurde zu Fantasiepreisen gehandelt und ist jetzt, mit viel | |
| angeschwemmten Bonusmaterial, wie zum Beispiel den Aufnahmen aus dem nie | |
| fertig gestellten Folge-Album "Bambu", endlich wiederveröffentlicht. | |
| Fast alle Songs auf "Pacific Ocean Blue" fangen sentimental und skizzenhaft | |
| an und steigern sich zu orkanartigem Bombast. Sie gipfeln aber nicht etwa | |
| in einem kompositorischen Höhepunkt, sondern werden einfach ausgeblendet. | |
| So wirkt dieses Album vollkommen und unfertig gleichermaßen. Die Musik ist | |
| ein Mix aus Beach-Blood, Sweat and Tears, Randy Newman, Neptun-Gospel, Pink | |
| Floyd-Prog-Schweinereien und Siebzigerjahre-ZZ-Top-Vollbartblues. | |
| Dennis Wilson singt seine selbst komponierten Lieder mit der | |
| Zerbrechlichkeit eines Robert Wyatt, allerdings auf der Stimmhöhe eines | |
| Lemmy von Motörhead. Die Rauheit seines Gesangs erinnert unfreiwillig an | |
| Joe Cocker, für dessen Welterfolg "You are so beautiful" Dennis Wilson | |
| übrigens den Text geschrieben hat. Schwere See: In "Pacific Ocean Blue" | |
| ertrinkt man wie in einer Flasche Schnaps. Man will immer mehr, immer | |
| weiter und ist längst am Ende. Dennis Wilson ertrank 1983 im Vollrausch. Er | |
| hinterließ acht Kinder. Man bestattete ihn auf See. Wenn ich heute daran | |
| denke, dass man das Herumtreiben im Internet auch als "surfen" bezeichnet, | |
| liegt für mich in diesem Wort Magie und Fluch zugleich - man darf nur nicht | |
| untergehen. | |
| 26 Jun 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Maurice Summen | |
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