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# taz.de -- Ballaballa in Tschetschenien: 4:6 für Ramsan Kadyrow
> Es gibt nichts zu sehen! Bitte schauen Sie Fußball! Wie ein
> tschetschenischer Menschenfreund sich einmal 90 Minuten mit ehemals
> weltbesten Kickern erkaufte.
Bild: Und vor dem Spiel noch ein traditionelles kaukasisches Kampftänzchen: Ka…
Für Frieden und Freundschaft in Tschetschenien ist das Oberhaupt der
nordkaukasischen Republik, Ramsan Kadyrow, auch zu persönlicher Folter
bereit. Kaum war das Freundschaftsspiel zwischen einer Auswahl
brasilianischer Weltmeister-Veteranen und einem russisch-tschetschenischen
Team im Februar vereinbart worden, verordnete sich der sportbegeisterte
Sultan aus Grosny strengste Diät. Fünf bis sechs Kilogramm will er nach
eigenen Angaben in der Fastenzeit abgenommen haben. Zu sehen war es
äußerlich nicht.
Die Kondition des Tyrannen, dem von Menschenrechtlern Entführung, Folter
und Mord in unzähligen Fällen zur Last gelegt wird, überzeugte indes.
Ramsan spielte nicht nur beide Halbzeiten, in der verlängerten Pause bot er
den brasilianischen Legenden Bebeto, Savio, Dunga, Romario und Kafu auch
noch eine traditionelle Tanzeinlage aus dem Repertoire der Bergvölker, die
"Lesginka". Sie kann als folkloristischer Reigen, aber auch als
Demonstration kaukasischer Wehrhaftigkeit dargeboten werden.
Ramsan Kadyrow ist ein ausgefuchster PR-Stratege. Zuhilfe kommen ihm dabei
die großzügigen finanziellen Zuwendungen aus dem russischen Haushalt, mit
denen Moskau versucht, die einst abtrünnige Republik bei der Stange zu
halten. Im Gegenzug versprach der 34-Jährige, Tschetschenien von
fundamentalistischen Terroristen zu säubern. Gelungen ist es ihm bislang
noch nicht. Im letzten Jahr musste er harte Rückschläge hinnehmen.
Terrorkommandos griffen unter anderem das Parlament im Herzen Grosnys an.
In Moskau wurden Zweifel laut, ob das Sultanat tatsächlich so stabil ist,
wie es der Herrscher gerne präsentiert. Publikumswirksame Events zerstreuen
abwegige Gedanken. Schließlich begeben sich Weltstars nicht freiwillig in
die Höhle des Löwen. Auch den Ex-Schwergewichts-Weltmeister Mike Tyson
konnte der leidenschaftliche Faustkämpfer Kadyrow schon nach Grosny holen.
Tschetscheniens arbeitslose Jugend war begeistert.
Auch für das kostenlose Match waren die zehntausend Zuschauer im neuen
Stadion dankbar. Wenn schon kein Brot, dann wenigstens Spiele. Auch auf dem
Rasen blieb Ramsan der Kapitän. Grosnys Mannschaft unterstützte
Deutschlands Rekordnationalspieler Lothar Matthäus in der ersten Halbzeit.
Politik habe mit Fußball nichts zu tun, meinte der Ausgewechselte.
Lothar und Ramsan teilen neben Fußball noch eine andere Leidenschaft.
Oliver Kahn soll im letzten Moment abgesagt haben. Die Vorlagen für den
Kapitän spielte Ruud Gullit heraus. Die "schwarze Tulpe" des
niederländischen Fußballs ist ein Untergebener des Sultans, wenn auch gut
bezahlt. Kadyrow legte aus freien Stücken den Titel des Präsidenten der
Republik ab, präsidiert aber weiterhin dem Erstligaclub "Terek Grosny", der
Gullit für 3,7 Millionen Euro bis Mitte 2012 als Trainer unter Vertrag
nahm. Er soll Grosny in die Euroliga führen. Nach dem Motto: Wenn Grosny
Fußball spielt, spannt es niemanden auf die Folter.
Auf dem Rasen ging es denn auch erst gemächlich zu. Am Ende der ersten
Hälfte von 25 Minuten stand es 2:2. Dann spielten die Brasilianer auf,
zauberten mit dem Ball und schossen noch vier Tore. Kadyrow hatte sich beim
Tanzen ein wenig verausgabt. Doch er holte auf und erzielte noch zwei
Treffer. Der tschetschenische Schiedsrichter schaute weg, als er den Ball
aus dem Aus glücklich ins Netz stolperte.
Der zweite Treffer war ein Elfmeter, nachdem er zuvor zwei Strafstöße
vergeben hatte. Die zweite Halbzeit endete nach 40 Minuten, da der Kapitän
noch Tore schießen musste. Dem Schiedsrichter blieb keine Wahl.
Gewaltenteilung kennt Tschetschenien nicht. Russische Medien interessierte
vor allem die Gage der Altherrenmannschaft. Hatte Kadyrow behauptet, die
Brasilianer seien ohne Forderungen angereist, so lüftet Romario nach dem
Spiel das Geheimnis: Für nichts hätte er den Karneval in Rio doch nicht
sausen lassen.
9 Mar 2011
## AUTOREN
Klaus-Helge Donath
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