# taz.de -- Athen sucht nach dem Anti-Nero | |
> Allen Bemühungen um Prävention zum Trotz: In diesem Jahr haben bereits | |
> sieben Großfeuer in Griechenland gewütet und über 7.000 Hektar Wald | |
> verbrannt. Auch die Hauptstadt Athen ist nicht mehr sicher | |
Den Anfang in der noch jungen Waldbrandsaison in Griechenland machte die | |
östliche Ägäisinsel Chios. Genau 4.091 Hektar Fläche brannten vom 22. Juni | |
bis 24. Juni im Herzen des Eilands nieder. Bäume, Sträucher, Weideflächen, | |
Agrarflächen sowie Naturschutzgebiete fielen dem diesjährigen Großfeuer zum | |
Opfer. Auch 12.000 der einzigartigen Mastixbäume, aus denen kostbares Harz | |
gewonnen wird, seien vollständig zerstört, berichteten lokale | |
Mastixhersteller. „Geschädigte Pflanzen brauchen ein bis drei Jahre, um | |
sich zu erholen“, so Georgios Toumbos, Präsident der Mastixproduzenten in | |
Chios. | |
Jahr für Jahr bereiten sich Hellas’ Behörden auf die hiesige | |
Waldbrandsaison vor. Pünktlich erinnerte auch diesmal die griechische | |
Feuerwehr „im Rahmen der kontinuierlichen Information und Sensibilisierung | |
der Bürger“ daran, dass die Brandsaison in Griechenland am 1. Mai beginne | |
und bis zum 31. Oktober andauern werde. Wie immer richtete sie „eine | |
dringende Empfehlung an unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger“: Sie mögen | |
besonders vorsichtig sein und alle Aktivitäten im Freien vermeiden, die ein | |
Feuer verursachen könnten. | |
Schon im März vorigen Jahres hatte das Athener Ministerium für Umwelt die | |
Programme zum Waldschutz mit Blick auf den berühmt-berüchtigten römischen | |
Kaiser Nero mit aussagekräftigen Titeln vorgestellt: AntiNero I, II sowie | |
III. Sie werden mit EU-Geldern aus dem Corona-Aufbaufonds finanziert. | |
Vorgesehen ist die Schaffung gemischter Brandzonen. Dadurch sollen das | |
Risiko der Ausbreitung aller Arten von Bränden (Boden-, Oberflächen- und | |
Kronenbrände), das Tempo der Ausbreitung, die Intensität von Bränden sowie | |
die Entstehung von Megafeuern verringert werden. Zu den Maßnahmen zählen | |
die Rodung von Wäldern und Waldflächen, die Instandhaltung von Waldwegen | |
und die Schaffung von Feuerschneisen. | |
Allen Präventivmaßnahmen zum Trotz: Bis dato ist in Griechenland im | |
laufenden Jahr durch sieben Großbrände bereits eine Fläche von 7.208 Hektar | |
verbrannt (Stand: 1. Juli 2025). Das hat das Europäische Informationssystem | |
für Waldbrände (Effis) erfasst. Das heißt, dass bereits jetzt, lange vor | |
Ablauf der hellenischen Feuersaison, fast ein Fünftel der hierzulande | |
verbrannten Fläche im Gesamtjahr 2024 verbrannt ist. In der Effis-Datenbank | |
werden zudem nur Waldbrände mit einer Ausdehnung von mindestens 30 Hektar | |
erfasst. Unzählige kleinere Waldbrände hat Effis gar nicht auf dem Schirm. | |
Fest steht: Griechenland ist in den vorigen Jahren verheerenden Waldbränden | |
ausgesetzt gewesen. Die verbrannte Fläche betrug im Jahr 2021 landesweit | |
stattliche 130.744 Hektar bedingt durch 85 Großbrände. Es folgten 22.480 | |
Hektar verbrannte Fläche im Jahr 2022 (66 Feuer), fulminante 174.773 Hektar | |
im Jahr 2023 (56 Feuer) sowie 41.948 Hektar im Jahr 2024 (86 Feuer). Unterm | |
Strich belief sich die von 2021 bis 2024 – somit in nur vier Jahren – | |
verbrannte Fläche auf enorme 369.945 Hektar. Dies entspricht 3.699 | |
Quadratkilometern oder der Fläche von gleich drei Bundesländern zusammen: | |
Saarland, Hamburg und Bremen. | |
Der sich verschärfende Klimawandel befeuert dies buchstäblich. Insbesondere | |
die Sommer in Griechenland werden dem eindeutigen Trend nach immer heißer | |
und trockener. Hinzu kommen zu dieser Jahreszeit üblicherweise auftretende | |
starke Nordwinde, die sogenannten Meltemi-Winde. Sie sind von Natur aus | |
ultimative Brandbeschleuniger. | |
Schon früh in diesem Sommer rollte eine Hitzewelle über Griechenland. Am | |
Freitag voriger Woche knackte die Lufttemperatur an 39 Messstationen in | |
ganz Hellas die Marke von 40 Grad Celsius. Der heißeste Ort war Skala in | |
Messinien im Süden der Halbinsel Peloponnes mit 43,2 Grad Celsius. In | |
Heraklion auf Kreta und der westgriechischen Küstenstadt Patras kletterte | |
die Lufttemperatur auf 41,2 Grad Celsius. | |
Auch in der griechischen Hauptstadt Athen, in der es nur sehr wenige | |
Parkanlagen gibt, lag die Lufttemperatur bei über 40 Grad Celsius. In der | |
Nacht fiel sie nicht unter 30 Grad Celsius.Die Grillen zirpten schon früh | |
am Morgen, Bewohner und Besucher schwitzten rund um die Uhr um die Wette. | |
Die Klimaanlagen liefen auf Hochtouren, wiederholt gab es daher | |
Stromausfälle. | |
Apropos Athen: selbst die riesige Betonwüste mit ihren vier Millionen | |
Einwohnern ist nicht vor Feuerwalzen gefeit. Mitte August vorigen Jahres | |
brach in der Kleinstadt Varnavas, 45 Kilometer nordöstlich der Athener | |
Innenstadt, ein sich rasch ausbreitender Waldbrand aus. Die Flammen | |
überstiegen eine Höhe von 25 Metern. Die gewaltige Feuerwalze raste – | |
getrieben von den starken Nordwinden – in Richtung Süden auf das | |
Stadtgebiet von Athen zu. In weniger als zwölf Stunden legte das Großfeuer | |
eine Strecke von mehr als 40 Kilometern zurück und erreichte den nördlichen | |
Athener Vorort Nea Penteli. Ferner mussten Teile der weiter südlich | |
gelegenen Athener Vororte Vrilissia sowie Halandri evakuiert werden. | |
Die Griechen denken: Schlimmer geht’s nimmer – oder womöglich doch? | |
Ferry Batzoglou, Athen | |
2 Jul 2025 | |
## AUTOREN | |
Ferry Batzoglou | |
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