# taz.de -- Ars Electronica 2009: Die Menschenpflanze | |
> Die Maschine, der Roboter, der Baum und ich: Die Ars Electronica in Linz | |
> befragt mit Hilfe der Kunst, was neues Wissen über den Menschen und die | |
> Natur bedeutet. | |
Bild: Kac setzte ein eigenes Gen der DNA einer Petunie ein. Ein Protein lässt … | |
Der Kulturbürger, der an Linz als Kulturhauptstadt 2009 denkt, stellt sich | |
vermutlich tolle Opern, aufwändige Theaterinszenierungen oder gediegene | |
Lesungen vor. Die Realität sah dieser Tage so aus: Nach einem Spaziergang | |
zwischen genmanipulierten Pflanzen und vakuumverpackten Menschen lässt man | |
seine Haut von einem freundlichen jungen Mann aus England zu einem | |
Elektrizitätsleiter umfunktionieren, um ein paar wohlklingende Töne darüber | |
erklingen zu lassen. Ein paar Meter weiter kann man amüsiert über das erste | |
umweltfreundliche Sextoy staunen und sich dann auf ein nettes Gespräch mit | |
dem menschengleichen Roboter Geminoid HI-1 einlassen. | |
Dreißig Jahre ist es her, dass Linz die erste Ars Electronica als Festival | |
für Kunst, Technologie und Gesellschaft empfing. Passend zum diesjährigen | |
Thema "Human Nature" lädt das neue Center am Donauufer ein, die | |
facettenreiche Natur des Menschen zu erkunden. Im Jahr 2000 wurde durch die | |
vollständige Entzifferung des menschlichen Genoms ein neues Zeitalter | |
eingeläutet. Mit den Worten des Nobelpreisträgers Paul Crutzen gesprochen: | |
das Anthropozän. Bezeichnet wird damit ein Erdzeitalter, in dem sich der | |
Mensch zunehmend als Schöpfer einer neuen Natur stilisiert und damit massiv | |
in die Natur (inklusive seine eigene!) eingreift, noch bevor er diese | |
wirklich begriffen hat. | |
Der Gedanke, dass der Mensch sich zunächst an der eigenen Nase fassen | |
sollte, bevor er seinen Größenwahn auslebt, treibt in gewisser Weise auch | |
Hiroshi Ishiguros Projekt Geminoid an: "Mein Ziel ist es, durch Geminoid | |
besser zu verstehen, was menschlich ist. Nicht einen Menschen zu schaffen!" | |
Als Roboterzwilling des Professors der Universität Osaka ist Geminoid HI-1 | |
seinem menschlichen Vorbild nicht nur ähnlich, sondern verhält sich auch | |
fast wie ein Mensch. Ein Kind, das ihn in seine lebensechte Silikonbacke | |
kneifen will, wird mit einem knurrenden "Lass das bitte!" schnell in seine | |
Schranken gewiesen, wohingegen der charmante Roboter die junge Frau im | |
leuchtenden Pulli mit Komplimenten zu ihrer Garderobe überschüttet. | |
Natürlich kann Geminoid noch nicht wirklich selbstständig sprechen. Er wird | |
durch einen Menschen, der ihn aus dem Rückhalt bedient, quasi | |
ferngesprochen. | |
Auf seiner Suche nach der Natur des Menschen anhand des künstlichen | |
Ebenbildes bleiben für den Wissenschaftler noch viele Fragen unergründet: | |
Was macht menschliche Präsenz aus? Wodurch ist das Ego, der Geist eines | |
Menschen zu erfassen? Wie steht es im Zeitalter der Neurowissenschaften und | |
der Gentechnologien um die klassische Trennung von Körper und Geist? Kurz, | |
wie viel Maschine findet sich in einem Menschen und umgekehrt? Inwieweit | |
die Lösung dieser Fragen durch die Projektion von Menschlichkeit auf einen | |
Roboter zu ergründen ist, bleibt unklar. | |
Wie viel Mensch in einer Petunie steckt, kann dafür aber bereits in diesem | |
Jahr geklärt werden. Mit seinem neuesten Kunstwerk "Natural History of the | |
Enigma" radikalisiert Kac seine bisherigen transgenen Experimente und | |
präsentiert ein Hybridwesen zwischen Mensch (Eduardo) und Petunie: die | |
Edunia. Kac entnahm hierfür ein Gen aus seiner DNA und setzte es der DNA | |
der Petunie ein. Hierdurch wurde wiederum ein Protein freigesetzt, das auf | |
den rosafarbenen Blättern der Petunie blutrote "Adern" erzeugte. Für Kac | |
ist diese Verfärbung sinnbildlich dafür, dass "menschliches Blut durch die | |
Venen der Blume strömt". | |
Urvater der Biokunst | |
Als einer der Urväter der noch jungen Biokunst schockiert Kac seit | |
Jahrzehnten mit gewöhnungsbedürftigen Projekten. Im Jahr 2000 | |
beispielsweise entsprang Kacs wundersamem Künstlerlaboratorium das "GFP | |
Bunny" mit dem Namen Alba. Der Künstler implantierte dabei einem | |
gewöhnlichen Hasen das grün fluoreszierende GFP-Gen einer Qualle, was zur | |
Folge hatte, dass Alba unter blauem Licht grün leuchtete. Kac sieht es als | |
Pflicht des Künstlers an, die wissenschaftlichen Erkenntnisse zu | |
reflektieren und durch die Kunst für jedermann zugänglich zu machen. Mit | |
den ethischen Fragen, die im Genetik-Diskurs aufkommen, möchte Kac deshalb | |
auch nicht assoziiert werden. Nicht als Positionierung in Bezug auf | |
Wertesysteme, sondern als Poesie des neuen Zeitalters möchte er sein Werk | |
verstanden wissen. Kac fordert: "Der Künstler soll einen Baum schaffen, so | |
wie die Natur ein Gedicht schreibt." | |
In den Räumen des OK - Offenes Kunsthaus Oberösterreich - findet sich die | |
Realisierung dieses Baum-Gedichts. Thomas Traxler von mischertraxler | |
erklärt das Kunstwerk: "An einem Baum lassen sich die Umweltbedingungen, | |
denen er ausgesetzt war, ablesen, wohingegen Maschinen den Einflüssen ihrer | |
Außenwelt gegenüber immun sind." Bis jetzt. Das Künstlerduo erschuf eine | |
Maschine, die mit Hilfe eines Solardetektors die natürliche Fähigkeit der | |
Reaktion auf klimatische Umstände mit maschineller Berechenbarkeit | |
verknüpft. Die Ergebnisse des poetischen Techno-Baumes haben der Natur in | |
ihrer Schönheit auch wirklich nichts zu neiden: Jeden Tag produziert er | |
eine Frucht, indem Fäden gefärbt, geleimt und auf einen Zylinder gewickelt | |
werden. Je nach Sonnenintensität ändert sich die Leuchtkraft der Farbe und | |
die Wandstärke des gewickelten Objekts. | |
7 Sep 2009 | |
## AUTOREN | |
Annabelle Hirsch | |
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