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# taz.de -- Moderne in Gold
> Im Mies van der Rohe Haus, dem „Landhaus Lemke“ in Hohenschönhausen,
> stellt Wita Noack heute ihre Monografie zu just diesem Werk des Meisters
> vor. Spannend zu erfahren, dass der Bau in der Mies-Rezeption
> unverdientermaßen vergessen ist
VON ROLF LAUTENSCHLÄGER
Es braucht nicht viel, sich in das kleine Haus in Hohenschönhausen zu
verlieben. Seine drei Räume – das Wohn-, Arbeits- und Schlafzimmer – sind
groß, modern geschnitten mit fließenden Übergängen und wunderbar
proportioniert. Raumhohe, breite Fensterfronten lassen das Sonnenlicht und
den Anblick der Terrasse wie der weiten grünen Parklandschaft des Obersees
herein. Schaut man nach draußen, fällt der Blick auf roten und
goldbronzefarbenen Klinker – jene samtig schimmernde Haut des flachen
Pavillons, den Ludwig Mies van der Rohe 1933 im Stil der klassischen
Moderne erbaute.
Wita Noack, die Autorin des Titels „Konzentrat der Moderne. Das Landhaus
Lemke von Ludwig Mies van der Rohe“, bekennt sich in ihrem Buch offen zu
dieser Liebesbeziehung. Was kein Wunder ist, arbeitet sie doch seit 15
Jahren an diesem beneidenswerten Ort als Leiterin des Mies van der Rohe
Hauses. In diesem finden sowohl Kunstausstellungen als auch
Architekturveranstaltungen des nordöstlichen Berliner Bezirks statt.
Antrieb für das umfangreiche Werk war für die Autorin aber auch ein anderes
Motiv: Während über den bedeutenden Architekten der Moderne und sein Oeuvre
– von dem berühmten „Barcelona-Pavillon“ (1929) über das New Yorker Sea…
Building (1958) bis zur Neuen Nationalgalerie (1967) – eine Unmenge von
Forschungsmaterialien und Büchern existiert, liegt zum Landhaus Lemke und
seiner langen Geschichte kaum Verwertbares vor. Der Bau galt in der
Mies-Rezeption als eine Marginalie.
Noack blättert mit einer Fülle von neu ausgegrabenen Materialien, Plänen
und Dokumenten die Geschichte des Grundstücks und Bauherrn, der Planung und
Architektur sowie die Zeiten der Fremdnutzung nach 1945, des Verfalls und
der denkmalgerechten Sanierung des Hauses 2002 auf, die den Blick auf den
eingeschossigen L-förmigen Kubus weiten. Der schlichte Ziegelbau glänzt
plötzlich. „Das Landhaus Lemke ist ein künstlerisches Ereignis“, lautet
Noacks Fazit. Hier spiegelt sich in Form und Funktion die minimalistische
Mies’sche Architektursprache in geradezu meisterlicher Weise. Das Haus ist
ein „Konzentrat der Moderne“, es ist das Stein gewordene Motto „Weniger i…
mehr“.
Es hätte ein langweiliges oder zumindest schwieriges Buch herauskommen
können, etwa über Aktenfunde aus Bauarchiven. Die Gefahr bestand – die
Autorin hatte über das Haus Lemke ihre Dissertation geschrieben. Dass es
ein dicker und zugleich spannender Titel geworden ist, liegt zum einen an
der bildreichen Sprache und der guten Illustrierung mit historischen Plänen
und schönen Fotodokumenten sowie modernen Abbildungen. Zum anderen hat
Noack das Buchkonzept mit einem „Bildessay“ der Fotografin Heidi Specker
gesteigert. Specker hat den fünf Kapiteln jeweils ihre goldfarbenen
Fotoassoziationen über das Lemke-Haus und den Park vorangestellt.
Schließlich zeichnet die Autorin die bewegende Geschichte des Baus nach:
Mies van der Rohe hatte 1932 von Karl und Martha Lemke, Besitzer eines
Kunstdruckunternehmens, den Auftrag für das Haus erhalten. Es sollte klein
und fein, modern und nicht zu teuer werden, hatten die Lemkes verfügt. Kein
leichtes Unternehmen für den berühmten Architekten war zudem, dass Karl
Lemke selbst zum Zeichenstift griff. Mies van der Rohe gelang es jedoch,
den Wunsch der Lemkes in eine kleine Villa voller Leichtigkeit und
Modernität, aus Glas, Stahl und Stein sowie mit einer grandiosen Verbindung
zu Natur und Landschaft zu gießen. Keine spektakuläre Ikone der Moderne und
Neuen Sachlichkeit – aber ein kleiner „Barcelona-Pavillon“ für Berlin war
das Haus geworden.
Es war Ludwig Mies van der Rohes letzter Bau vor seinem Abschied aus
Deutschland 1938. Auch die Lemkes bewohnten ihr Domizil nicht lange. 1945
wurden sie von den Sowjets vertrieben, die Militärs nutzten das Haus als
Stall und Garage. 1962 übernahm die DDR-Staatssicherheit das Objekt, baute
es um, zog Wände ein und riss die Fußböden und Fließen heraus. Der
Charakter der Architektur drohte verloren zu gehen.
Nach dem Mauerfall wurde es zum Ausstellungsort, 2002 konnte das Mies van
der Rohe Haus endlich renoviert werden. Der Geist der Moderne zog wieder
ein. Das Buch gibt ihm dafür die Gewähr – schriftlich!
Buchvorstellung Do., 5. Juni, 18 Uhr, Mies van der Rohe Haus, Oberseestraße
60, 13053 Berlin
5 Jun 2008
## AUTOREN
ROLF LAUTENSCHLÄGER
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