# taz.de -- Stochern im Ozean | |
> Legt sich nicht mit den Verfilmungen an: Susanne Reifenraths | |
> Diplominszenierung „Solaris“ auf Kampnagel | |
Mutig, aber nicht abwegig ist der Versuch von Susanne Reifenrath, mit ihrer | |
Inszenierung von Stanislaw Lems Solaris einen Science-Fiction-Klassiker auf | |
die Bühne von Kampnagel zu bringen. Die astrale Einsamkeit, der auch die | |
Crew in Solaris anheim fällt, hat schon viele Hirne marmeladig gemacht und | |
gilt als emotionaler Gegenpol zur kühlen Technizität. Klar, dass sich | |
daraus ein Theaterstück zimmern lässt. Das menschelnde Grundschema ist | |
dabei dasselbe wie in den Verfilmungen. Die Reise ans Ende des Universums | |
dient als zerstörerischer Trip in das innerste Ich. Auf der Raumstation | |
tauchen Fleisch und Blut gewordene Erinnerungen auf, die die Bewohner nicht | |
mehr loswerden. | |
Mit den lichteffekthaschenden Bildern des Kinos will sich Reifenraths | |
Inszenierung auf Kampnagel gar nicht erst anlegen. Es gelingt ihr, mit über | |
der Bühne schwebenden Spiegeln, der vom Publikum umgebenen Solaris-Insel, | |
synthetischen Raumklängen und Echo die gewünschte Atmosphäre zu erzeugen. | |
Die Doktoren Sartorius (Kasia Naumow) und Snaut (Thorsten Neelmeyer) rasen | |
wie Versuchskaninchen in kleinen Käfigschränkchen auf der Bühne hin und | |
her, um ihren materialisierten Erinnerungen zu entfliehen. Ihr heilloses | |
Gefasel wird nur einmal unterbrochen, als Stanislaw Lem persönlich (Gabor | |
Altorjay) das Spiel unterbricht und aus der dtv-Ausgabe seines Buches | |
technische Beschreibungen des Solaris-Projekts rezitiert. | |
Die häufigen Wechsel zwischen Dialog und innerem Monolog von | |
Raumkapselbesucher Kris Kelvin (Thomas Klees) werden konsequent umgesetzt. | |
Er und seine wiederbelebte tote Frau (Irene Eichenberger) reden | |
nebeneinander her, ihre Berührungen sind pantomimisch. Doch die vier | |
Personen auf der Bühne bleiben steril. Ihre Sprache, auch der Klang der | |
Textübersetzung, wirkt hölzern. | |
Der Wunsch nach Erinnerungslosigkeit und Un-Unsterblichkeit, die | |
Kontaktaufnahme zu fremden Lebensformen, das Leben und Lieben in | |
gedanklicher Verklärung – für eine packende Diplominszenierung bietet | |
Solaris einen Strauß Themen. Doch das bei Lem angelegte Kammerspiel wird | |
nicht umgesetzt, sondern wie im Forschungslaboratorium diszipliniert | |
durchexerziert. „Wie verhält sich ein Mensch, dem plötzlich seine | |
materialisierte Erinnerung gegenübersitzt? Wie stellt man den Vorgang des | |
Erinnerns dar?“ – Dieses Anliegen der Regisseurin verschwindet im All. | |
Christian T. Schön | |
heute und morgen, 19.30 Uhr, Kampnagel | |
27 Mar 2003 | |
## AUTOREN | |
Christian T. Schön | |
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